- Auch eineinhalb Wochen nach den verheerenden Erdbeben werden vereinzelt noch Menschen aus den Trümmern gerettet.
- Das hängt auch mit den Wetterbedingungen zusammen, sagen Experten.
Auch nach zehn Tagen unter Trümmern werden immer noch Menschen lebend gerettet, wie etwa die Istanbuler Feuerwehr berichtet. Dass dies möglich sei, liege vor allem am Wetter, sagte der Vize-Vorsitzende der türkischen Ärztekammer in Adana, Ali Ihsan Ökten, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag.
"Die Körperfunktion der Verschütteten fährt bei dem Wetter runter", so rette sich der Körper selbst. Wäre die Katastrophe im Sommer passiert, hätten Menschen niemals so lange ohne Wasser überleben können. In Antakya etwa steigen Temperaturen im Hochsommer häufig auf mehr als 30 Grad.
Aber auch die, die nun gefunden würden, seien absolute Ausnahmen. 72 Stunden kann ein Mensch in der Regel ohne Wasser auskommen, ohne zu verdursten. Danach wird es kritisch. Auch das Winterwetter stelle natürlich ein Risiko dar: "Sehr viele sind in den Trümmern erfroren", sagte Ökten.
Er vermutet, dass viele der nun Geretteten irgendeinen Zugang zu Wasser gehabt hätten. In manchen Regionen habe es zwischendurch geschneit und geregnet. Auch das könne die Wasserversorgung mancher Verschütteter gewesen sein.
DRK-Bundesarzt: "Urin reicht nicht für zehn Tage"
Es kursieren immer wieder Berichte, dass Menschen überlebt hätten, weil sie ihren eigenen Urin getrunken hätten. "Urin reicht nicht für zehn Tage", sagt Bernd Böttiger, Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes (RK) und Direktor für Anästhesiologie an der Uniklinik Köln. Es brauche also eine andere Versorgungsquelle.
Menschen, die nun aus den Trümmern geborgen würden, seien in der Regel unterkühlt und ausgetrocknet, wenn sie nicht andere Verletzungen hätten. Hinzu kämen wohl auch posttraumatische Störungen. Kinder hätten grundsätzlich keine grösseren Überlebenschancen – sie kühlten schneller aus und seien in der aktuellen Situation eher sogar gefährdeter als Erwachsene.
Zuletzt war am Donnerstag eine 17-Jährige nach 248 Stunden aus Trümmern gerettet worden. Laut den Rettungskräften sei sie "wohlauf" gewesen. Besonders berührt hatte das Schicksal eines Babys, das im Moment der Erdbeben-Katastrophe zur Welt gekommen war und unter den Trümmern überlebte. Die Eltern und weitere Familienangehörige des "Wunderbabys" überlebten die Katastrophe nicht.
Derzeit bergen Einsatzkräfte in der Türkei und in Syrien noch immer viele Leichen aus den Trümmern. Mehr als 42.000 Tote wurden bislang in beiden Ländern gezählt. Der türkische Katastrophendienst Afad meldete am Donnerstag, 36.187 Menschen seien durch die Erdstösse getötet worden. Aus Syrien meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zuletzt 5.900 Tote. Afad zufolge gab es mehr als 4.300 Nachbeben, einige davon am Donnerstag in Syrien. (dpa/ari)