- Die türkischen Medien nennen sie jetzt schon die "Katastrophe des Jahrhunderts".
- Doch das tatsächliche Ausmass der verheerenden Erdbeben wird sich erst nach und nach zeigen.
- US-Aussenminister Antony Blinken findet kaum Worte für seine Eindrücke von vor Ort.
US-Aussenminister Antony Blinken hat sich fassungslos über die Zerstörungen in der türkisch-syrischen Erdbebenregion gezeigt. "Es ist schwer in Worte zu fassen", sagte Blinken am Montag bei einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu über seine Eindrücke vor Ort. Unzählige Gebäude, Gemeinden und Strassen seien beschädigt oder vollständig zerstört. Blinken hatte sich am Sonntag gemeinsam mit Cavusoglu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay gemacht.
Während seines Besuches in der syrisch-türkischen Erdbebenregion traf der US-Aussenminister auch Vertreter der Rettungsorganisation Weisshelme. Deren stellvertretender Leiter Faruk Habib bezeichnete die Unterstützung der USA bei dem Treffen als "entscheidend", wie die Zivilschützer am Sonntagabend bei Twitter mitteilten. Blinken habe die Arbeit und Expertise der Weisshelme sowie der Such- und Rettungsteams gelobt und dabei von "heldenhaften Bemühungen" nach der Katastrophe gesprochen.
Sucharbeiten in den meisten betroffenen Provinzen in der Türkei eingestellt
Zwei Wochen nach der Erdbebenkatastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind die Sucharbeiten in den meisten betroffenen Provinzen in der Türkei zu Ende gegangen. Nur in den Provinzen Kahramanmaras und Hatay werde weiter nach Verschütteten gesucht, sagte der Afad-Vorsitzende Yunus Sezer am Sonntag vor Journalisten in Ankara. Insgesamt fast 47.000 Tote wurden inzwischen registriert, mehr als 41.000 allein in der Türkei. Doch auch wenn die türkischen Medien oft von der "Katastrophe des Jahrhunderts" sprechen, wird das wahre Ausmass erst nach und nach deutlich.
Allein in Syrien seien 8,8 Millionen Menschen von den Folgen betroffen, schrieb die stellvertretende UN-Syrienbeauftragte Najat Rochdi am Sonntag auf Twitter. Der Afad-Vorsitzende Yunus Sezer schätzte, dass mehr als 1,2 Millionen Menschen die betroffene Region in der Türkei verlassen haben. Über eine Million Betroffene seien derzeit in Notunterkünften. US-Aussenminister Antony Blinken erklärte am Sonntag, dass die US-Regierung die Erdbebenhilfe für die Türkei und Syrien um weitere 100 Millionen US-Dollar (rund 93 Millionen Euro) auf insgesamt 185 Millionen US-Dollar aufstocke.
Auch die Nato beteiligt sich an den Hilfsaktionen und bereitet in der Türkei den Aufbau ein Camps mit Notunterkünften für mindestens 4000 Menschen vor. Ein Frachtschiff mit 600 Containern dafür habe am Sonntagabend den Hafen der italienischen Stadt Taranto verlassen, teilte ein Bündnissprecher mit. Es solle im Laufe der Woche in der türkischen Stadt Iskenderun ankommen. Daneben koordiniert die Nato nach eigenen Angaben derzeit auch eine Luftbrücke für den Transport von Zelten aus Pakistan in die Türkei.
Es herrscht Angst vor dem nächsten Beben
Neben der existentiellen Not und der Trauer über tote Angehörige ist es auch die Angst vor dem nächsten Beben, die den Betroffenen zu schaffen macht. Insgesamt seien innerhalb von 13 Tagen nach dem Beben mehr als 6.000 Nachbeben registriert worden, teilte die Katastrophenschutzbehörde Afad am Sonntag mit. So viele würden normalerweise in vier Monaten gezählt.
Wie aussergewöhnlich gross das betroffene Erdbebengebiet allein in der Türkei ist, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen: Nach Angaben aus dem Forstministerium erstreckt sich das betroffene Gebiet über eine Fläche von 103.000 Quadratkilometern und umfasst eine Bevölkerung von 13,5 Millionen Menschen. Das entspricht demnach 17 Prozent der Gesamtbevölkerung der Türkei.
Im Bürgerkriegsland Syrien war die Lage für viele Menschen schon vor den Beben verheerend. Laut UN benötigten schon zuvor mehr als 15 Millionen Menschen irgendeine Form von Hilfe.
Noch immer nicht alle haben Nothilfe erhalten
Und etwa zwei Wochen nach den Beben haben im Nordwesten Syriens noch immer nicht alle Menschen Nothilfe erhalten. "Wir stehen noch am Anfang und haben das Schlimmste noch nicht gesehen", sagte der für Syrien zuständige UN-Nothilfekoordinator, Muhannad Hadi, der dpa.
Bisher fuhren seit der Katastrophe mehr als 140 Lastwagen mit UN-Hilfsgütern aus der Türkei in den von Rebellen kontrollierten Nordwesten Syriens. Dort wurden mehr als 9.000 Gebäude komplett oder teilweise zerstört, mindestens 11.000 Menschen verloren ihr Zuhause.
Am 6. Februar morgens früh hatte ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. © dpa