Das Morning Briefing von Gabor Steingart - kontrovers, kritisch und humorvoll. Wissen, über was politisch diskutiert wird. Heute: Rote Socken ohne Wirkung.
Guten Morgen, liebe Leser,
es ist wie verhext mit der SPD. Die Sozialdemokraten tun der Union auch nicht den kleinsten Gefallen. Die Genossen wollen partout nicht streiten:
- Die Parteilinke stellt den Parteirechten keine Bedingungen. Es wird nicht mal intrigiert.
- Niemand distanziert sich von Olaf Scholz, auch dann nicht, als der als Fanboy von Angela Merkel seinen Auftritt hatte.
- Sogar das Verhältnis zur Linkspartei scheint geklärt, zumindest bewegen all diejenigen, auf die es ankommt in der Partei, ihre Lippen synchron.
- SPD-Chefin Saskia Esken kann in unserem Hauptstadt-Podcast einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei nichts abgewinnen:
- Kevin Kühnert flüchtet bei Anne Will in die Ironie:
Keine Angst vor Olaf Scholz
Damit ist die Gefahr einer rot-roten Verbindung nicht gebannt, aber sie läuft bei einem Grossteil der Bürger ins Leere. Sie sehen den SPD-Kandidaten – und fürchten sich nicht. Sie sehen Armin Laschet – und spüren, wie seine Kampagne erratisch wird. Nur 36 Prozent aller Wähler verlangen laut ZDF-Politbarometer von der SPD eine vorherige Distanzierung von den Linken.

Schon einmal – es war im Jahr 1998 – hat die SPD den Vorwurf eines Linksdralls geschickt gekontert, nachdem die CDU es mit einer Neuauflage ihrer "Rote-Socken-Kampagne" aus dem Kohl-Wahlkampf des Jahres 1994 versucht hatte. Es war der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, der – gewissermassen als Gegengift – das folgende Plakat kleben liess:
Die "Rote-Socken-Kampagne 3.0" funktioniert auch deshalb nicht, weil Olaf Scholz und Annalena Baerbock ja keineswegs auf die SED-Nachfolgepartei angewiesen wären. Mit der FDP steht ein bürgerlicher Partner bereit. Die Lindner-FDP – und das unterscheidet sie von der Guido-Westerwelle-FDP – ist potenziell anschlussfähig in beide Richtungen.
Fazit
Die Union muss mehr leisten, als den Weg ins Archiv gescheiterter Wahlkampagnen zu gehen. Wer Modernität verspricht, ist begründungspflichtig. Wer Führung beansprucht, darf sich nicht als Follower der Kohl-CDU inszenieren. So jedenfalls wirkt die rote Socke wie ein roter Teppich, den Armin Laschet vor Olaf Scholz ausrollt.
Ich wünsche Ihnen einen lebensfrohen Start in die neue Woche. Es grüsst Sie auf das Herzlichste
Ihr
Gabor Steingart