• Die CDU feiert in Berlin ihren grössten Erfolg seit mehr als 20 Jahren: Bei der Wiederholung der Abgeordnetenhaus-Wahl liegt sie deutlich auf dem ersten Platz.
  • Doch ob die CDU auch die Regierung führen wird, ist offen. SPD, Grüne und Linke könnten ihr einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Die FDP muss eine weitere Wahlschlappe einstecken.

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Triumph für die CDU, historische Schlappe für die SPD und der Abschied aus einem weiteren Landesparlament für die FDP: Die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner sind bei der Wahl in Berlin mit grossem Abstand stärkste Kraft geworden. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzte ab und lieferte sich am Sonntagabend ein enges Rennen mit den Grünen um Platz zwei. Die AfD legte zu und ist sicher wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP schied knapp aus.

Markus Söder
Markus Söder: "Das Wahlergebnis bedeutet ganz einfach einen Wechsel."

Die CDU schnitt so stark ab wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und meldete Anspruch auf Bildung einer Regierung unter ihrer Führung an. Möglich wäre etwa ein Zweierbündnis entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen. Weil die SPD nach Auszählung aller Stimmen knapp vor den Grünen liegt, könnte Giffey in diesem Fall Regierende Bürgermeisterin bleiben.

Wiederholungswahl Berlin - RBB-Runde der Spitzenkandidaten
Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der SPD, verlässt das RBB-Studio im Abgeordnetenhaus.

CDU erhält 52 Sitze, SPD und Grüne je 34

Nach Auszählung aller Stimmen gewinnt die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die SPD der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey landete nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit 18,4 Prozent knapp vor den Grünen (ebenfalls 18,4 Prozent). Der Unterschied betrug lediglich 105 Stimmen.

Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD erreichte 9,1 Prozent. Die FDP kam auf 4,6 Prozent und wird dem Abgeordnetenhaus daher künftig nicht mehr angehören.

Nach Angaben des Landeswahlleiters gibt es 159 Sitze. Davon erhält die CDU 52. Die SPD und die Grünen bekommen je 34 Mandate. Die Linke kommt auf 22 Sitze, die AfD auf 17.

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CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner: "Unsere Aufgabe ist es, eine Regierung zu bilden"

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem "phänomenalen" Erfolg und sagte: "Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden." Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: "Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert."

Wegner will bei der Regierungsbildung aufs Tempo drücken. "Ich hoffe, dass wir sehr schnell Gespräche führen können", sagte er am Montag im RBB-Inforadio. Sowohl mit SPD als auch mit Grünen wolle er Sondierungsgespräche führen. "Ich werde beide, da beide Zweitplatzierte sind, zur gleichen Zeit einladen", so Wegner.

CSU-Chef Markus Söder forderte eine neue Landesregierung in der Hauptstadt unter Führung der CDU. "Es gibt überhaupt keine Legitimation für eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Regierung", sagte der bayerische Ministerpräsident am Montagmorgen am Rande seiner Reise nach Rumänien und Albanien. "Es wäre tatsächlich ein Umdrehen des Wahlergebnisses, eine grobe Missachtung der Demokratie", sollten SPD, Grüne und Linke erneut eine Koalition bilden.

"Das Wahlergebnis bedeutet ganz einfach einen Wechsel", sagte Söder. Deswegen seien SPD und Grüne nun aufgerufen, das Ergebnis fair im Sinne der Demokratie zu akzeptieren.

Giffey will Regierungschefin bleiben

Die bisherige Bürgermeisterin Giffey erkannte den CDU-Sieg an. Die Wähler wünschten sich, "dass Dinge anders werden". Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD - "daran gibt es nichts zu deuteln". Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. "Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen."

Ihr Ziel bleibe, an der Regierung zu bleiben. "Wenn die SPD in der Lage ist, eine starke Regierung anzuführen, dann ist das für uns ein Punkt, den wir nicht einfach zur Seite schieben können", sagte Giffey am Montagmorgen im RBB-Inforadio. Selbstverständlich werde die SPD aber auch Gespräche mit dem Wahlsieger und CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner führen.

Giffey betonte aber: "Am Ende geht es darum, wer eine stabile Mehrheit im Abgeordnetenhaus organisieren kann und wo gibt es die grössten inhaltlichen Schnittmengen für einen Weg, den wir begonnen haben." Angesicht des schlechten Abschneidens ihrer Partei seien aber Konsequenzen erforderlich, so Giffey. "Egal, in welcher Konstellation wir agieren: Es braucht Veränderungen in der Stadt und in der Zusammenarbeit in der Regierung - da ist schon einiges aufzuarbeiten."

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken argumentierte ebenfalls für ein Weiterregieren der aktuellen Koalition: "Was das Ergebnis jetzt schon zeigt, ist, dass eine Regierungskoalition unter Franziska Giffey und der SPD, mit Beteiligung der SPD möglich ist." Esken sieht trotz hoher Zugewinne der CDU "keine Machtoption" für deren Spitzenkandidaten. "Kai Wegner hat ganz klar einen Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben", sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Anne Will". Daher sehe sie wenige Möglichkeiten für ihn zu einer Regierungsbildung.

Bettina Jarasch will bisherige Koalition fortsetzen

Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch betonte ihre Präferenz für die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit SPD und Linken. Der Weg zu einer möglichen Koalition mit der CDU ist aus ihrer Sicht im Wahlkampf "ein Stückchen weiter geworden". "Denn da wurden diverse Dinge nochmal zugespitzt", sagte sie am Sonntagabend im ZDF.

Die Grünen empören sich über Äusserungen von CDU-Politikern in der Integrationsdebatte nach den Krawallen in der Silvesternacht und fremdeln mit deren betont autofreundlicher Verkehrspolitik. Gleichwohl werde ihre Partei auch mit der CDU reden.

Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, verheiratet, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Ausserhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.

Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Friedrich Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren könnte. Die Bundes-FDP muss verkraften, nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.

Langwierige Regierungsbildung in Berlin droht

Wahlforscher Thorsten Faas erwartet nun eine langwierige Regierungsbildung. Trotz der hohen Zugewinne der CDU sei es schwierig, aus dem Wahlergebnis ein "Regierungssignal" herauszulesen, sagte Faas der dpa. "Der Ball liegt bei der Union. Aber ob es ihr gelingt, eine Mehrheit zu bilden, ist mehr als offen."

Der bisherige Senat werde in der Zwischenzeit im Amt bleiben. "Sollte sich eine der beiden Parteien für einen Wechsel zur CDU entscheiden, dann wird es für Grün oder Rot ein schwieriger Gang, weil das eigentlich gefühlt der politische Gegner ist", sagte der Politikprofessor an der Freien Universität Berlin.

Nach Einschätzung anderer Experten profitierte die CDU unter Wegner bei der gerichtlich angeordneten Wiederholungswahl von der Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat. Nur selten habe es für Regierungspolitik schlechtere Noten gegeben, hiess es am Sonntagabend in einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen. Mitverantwortlich für das gute CDU- und das schwache SPD-Ergebnis sei auch gewesen, dass Giffey wenig Zugkraft entfaltet habe. Hinzu komme die Schwäche der FDP und eine gute Mobilisierung der CDU bei älteren Wählern.

Den Wahlforschern zufolge punktete die CDU besonders beim Thema Innere Sicherheit. SPD und Grünen bescheinigte die Forschungsgruppe Wahlen Kompetenzverluste bei den Top-Themen der Wahl - dem Wohnungsmarkt und dem Verkehr.

Niedrigere Wahlbeteiligung

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt - und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht. An diesem Wahlsonntag lief alles glatt, wie Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler sagte: "Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat." Auch die Auszählung lief zügig: Kurz nach Mitternacht waren alle Wahlbezirke ausgezählt.

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Hochrechnungen bei 63,5 bis 65,0 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.