Beim Dry January trinkt man einen Monat lang keinen Alkohol. Unsere Autorin wollte wissen, wie schwierig das wirklich ist: Im Selbstversuch letztes Jahr stiess sie zwar selten an ihre Grenzen, lernte aber viel über Bier – und über sich selbst.

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Das mit den guten Vorsätzen ist so eine Sache: Grosse Vorhaben wie "mehr Sport", "weniger tierische Produkte" oder "weniger Alkohol" sind oft schon Ende Januar vergessen: erste Schnitzer sind passiert, das ganze restliche Jahr (oder Leben) lässt sich das "bestimmt eh nicht" durchhalten.

Kurz gesagt: Zu ambitionierte Vorsätze laden einfach zum Scheitern ein. Darum habe ich dieses Jahr kleiner angefangen und mir erstmal einen alkoholfreien Monat vorgenommen – mit Schwierigkeiten und Überraschungen, aber auch mit Erfolg.

Die ersten Tage waren leicht

Ich habe nach Silvester mit dem Dry January angefangen (nicht um Punkt Mitternacht, sondern einfach ab dem Aufstehen am nächsten Morgen). Das hatte den Vorteil, dass mir die ersten Tage sehr leicht fielen. Denn obwohl ich nicht übermässig viel getrunken hatte, war mein Durst nach Alkohol erstmal gestillt – und meinem Umfeld ging es mehr oder weniger genauso.

Aber auch danach hatte ich eigentlich nur selten Probleme: aus zwei Gründen.

  1. Ich trinke generell nicht über die Massen. Ein, zwei, vielleicht auch drei Gläser Wein pro Woche, manchmal auch in der Form von Radler oder einem Hellen von Lammsbräu (aktuell mein Lieblingsbier). Die Versuchung war also nicht so stark wie vielleicht für manch andere:n.
  2. Ich habe nicht nur verzichtet, sondern auch viel Neues ausprobiert – und wurde positiv überrascht.

Alkoholfreies Bier: eine Offenbarung

Alkoholfreies Bier kennt man ja. Aber irgendwie bestelle ich es (als Nicht-Autofahrerin) sehr selten. Tatsächlich habe ich bisher einfach keinen Grund dafür gesehen – was ja bezeichnend ist, weil ich ja auch keinen Grund brauche, um Bier mit Alkohol zu bestellen. Aber anscheinend war mein Denken da in eine Richtung gepolt. Dazu kommt, dass ich mein letztes Alkoholfreies ehrlich gesagt nicht in allzu guter Erinnerung hatte – das war allerdings auch schon um die fünf Jahre her.

Der Dry January lieferte mir da einen guten Grund, neue Erfahrungen zu machen. Mein Fazit:

Alkoholfreies Bier kann nach wie vor grausig schmecken – oder grossartig. Im letzten Monat habe ich mich durch verschiedene Sorten probiert und (dank der Tipps eines Freundes) ein paar Favoriten entdeckt:

  • Wolfscraft schmeckt wie ein leichtes, fruchtiges Pale Ale, man merkt wirklich kaum den Unterschied.
  • Wunderbraeu Alkoholfrei kommt geschmacklich sehr nah an ein hopfiges Lager, das Allgäuer Büble Bier (nicht Bio) an ein leichtes Weissbier.
  • Von meinem Favoriten Lammsbräu hab ich das Dunkle Alkoholfreie probiert – das war geschmacklich allerdings ganz anders als ein normales Dunkles. Mich hat es an Karamalz erinnert – zu süss für meinen Geschmack. Eine weitere (und diesmal herbe) Enttäuschung habe ich beim eigentlich stets verlässlichen Hacker Pschorr erlebt, das schmeckte zwar nicht süss aber irgendwie schal.*
  • Was mir stattdessen empfohlen wurde: Oettinger – eine Biermarke, die hier in München als notorisch schlecht gilt – soll ein sehr gutes Alkoholfreies machen. Ich konnte das leider noch nicht persönlich überprüfen, werde das aber noch nachholen.

*(Das sind nur meine Eindrücke. Im Zweifel, gern selbst ausprobieren!)

Übrigens habe ich die Gelegenheit auch genutzt, mit Freund:innen mal alkoholfreien Sekt und Wein zu versuchen. Das Fazit war gemischt: Der alkoholfreie Rosé-Sekt hat uns noch ganz gut geschmeckt, auch wenn er geschmacklich eher an Limo als an Sekt erinnert hat. Vom alkoholfreien Weisswein waren wir alles andere als begeistert. Für mich persönlich hat er nach Traubensaft mit einem bitteren Nachgeschmack geschmeckt. Allerdings haben wir jeweils nur eine Sorte versucht – wenn die alkoholfreien Weine und Sekts nur halbwegs so vielfältig sind wie die Biere, dann lohnt es sich auf jeden Fall, weitere zu versuchen.

Eine kleine Vorwarnung für Probierfreudige: Alkoholfreie Drinks im Supermarkt zu erkennen ist gar nicht so leicht. Es gibt kein Regal dafür (zumindest nicht bei mir um die Ecke) und auch keine farbige Kennzeichnung bei Preisschildern, wie das zum Beispiel bei Bioprodukten oft der Fall ist. Wer Neues ausprobieren will, muss also ein bisschen Zeit mitbringen.

Übrigens: Auch auf Cocktails muss man während eines alkoholfreien Monats nicht verzichten. Auf Utopia findest du Rezepte für alkoholfreien Hugo, Ipanema oder einen Caipirinha ohne Alkohol.

Für mich war Alkohol oft Mittel zum Zweck

Habe ich körperlich einen Unterschied gemerkt? Ehrlich gesagt: nein. Auch gegen Ende meines Monats ohne Alkohol fühle ich mich ungefähr so fit und gesund wie im Dezember. (Den Vorsatz mit "mehr Sport" hatte ich ja verworfen – vielleicht nächstes Jahr!)

Doch es gab andere Unterschiede, eher auf psychischer Ebene. Für mich – und ich glaube, so geht es vielen – ist Alkohol manchmal ein Mittel zum Zweck. Wer ein bisschen schüchtern ist, trinkt auf einer Party ein Gläschen, um zu entspannen. Wer Stress auf der Arbeit hat, trinkt nach Feierabend ein Gläschen, um runterzukommen. Und so kommen im Laufe der Woche eben ein paar Gläschen zusammen.

Doch diese Effekte entstehen (in meinem Fall) gar nicht durch den Alkohol – das habe ich im Laufe des Monats gemerkt. Denn das Ganze klappt auch mit einem alkoholfreien Bier, einer Limo oder ohne Getränk. Ich glaube, vor allem das Mindset ist hier entscheidend: Wer sich mit der Haltung "Ich lass den Tag hinter mir und konzentriere mich jetzt auf was anderes" auf die Couch lümmelt, der muss sich nicht zusätzlich noch ein Glas Wein einschenken. Und auch wer beschliesst "Ich will mich jetzt mit anderen austauschen und erfahren, was sie so zu erzählen haben", der kann das genau so gut, ohne sich an einen Drink zu klammern.

Mein Fazit: Alkohol ist Etikette, aber eben auch Gift für den Körper

Der Dry January war für mich eine weniger grosse Herausforderung als ich zuerst dachte. Dafür hat er mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, wieso ich überhaupt Alkohol trinke – und wieso ich bisher alkoholfreie Optionen so wenig wahrgenommen habe.

Natürlich ist Alkoholtrinken in Deutschland Alltag, gerade bei Feiern gehört es sogar zum guten Ton. Wer auf einer Party nicht trinkt, muss sich oft erklären ("Fühlst du dich nicht gut?" "Bist du schwanger?") – das macht den Verzicht nicht leichter. Hier liefert der Dry January übrigens eine einfache Antwort, die allen Neugierigen in meinem Bekanntenkreis sofort zufriedengestellt hat. Hätte ich für mein kleines Experiment den Februar ausgewählt, wäre das wahrscheinlich nicht ganz so einfach gewesen.

Aber auch wenn Alkohol Etikette ist, ist er eben auch Gift für den Körper. Wer oft oder in grossen Mengen trinkt, der riskiert schwerwiegende Folgen wie Lebererkrankungen, Schädigungen des Gehirns, Krebserkrankungen. Studien deuten darauf hin, dass auch kleine Mengen schon schlimme Auswirkungen auf den Körper haben können – selbst das Feierabendbierchen ist also nicht unbedenklich. Doch gerade hier trinken wir mehr als die meisten Länder: 2016 waren es 13,4 Liter Reinalkohol (!) pro Person, im weltweiten Vergleich landete Deutschland damit auf Platz 5.

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Werde ich in Zukunft also nur noch zum Alkoholfreien greifen? Wahrscheinlich nicht immer, aber viel öfter als bisher. Vor allem aber werde ich bewusster trinken – weil mir mein Monat ohne Alkohol gezeigt hat, dass es auch ohne geht. Im folgenden Artikel geben wir dir Tipps, wie du es schaffst, weniger Alkohol zu trinken.

Disclaimer: Dieser Text wurde 2022 erstveröffentlicht.  © UTOPIA