Der HSV weckt wieder Erinnerungen an die gescheiterten Aufstiegsversuche der vergangenen Jahre. Das 0:2 in Kaiserslautern ist eine Ernüchterung. Stadtrivale St. Pauli nutzt das aber nicht aus.

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Mit einem hatte HSV-Trainer Tim Walter schon am Samstagabend recht: Die Aufregung um den Hamburger SV ist in der 2. Fussball-Bundesliga immer deutlich grösser als bei jedem anderen Club. Der frühere Europapokal-Sieger verlor nach enttäuschender Leistung mit 0:2 (0:0) beim 1. FC Kaiserslautern und erinnerte dabei in besorgniserregender Weise an die vier gescheiterten Aufstiegsversuche der vergangenen Jahre.

Doch wenigstens ein Schreckensszenario blieb dem HSV an diesem Wochenende erspart: Dass er am nächsten Freitag nach dem direkten Aufstiegsrang zwei auch noch den Relegationsplatz drei verlieren könnte - und das im Hamburger Derby an den FC St. Pauli. Der kleine Stadtrivale verpasste am Sonntag beim überraschenden 1:2 (0:2) gegen Eintracht Braunschweig nicht nur den alleinigen Zweitliga-Rekord von elf Siegen in Serie. Er nahm auch zumindest wieder ein bisschen Druck vom grossen HSV.

Statt der befürchteten drei beträgt der Abstand zwischen beiden Nachbarn vor dem Derby nun weiterhin sechs Punkte. Und der neue Tabellenvierte heisst auf einmal Fortuna Düsseldorf und kam durch den 1:0 (0:0)-Sieg gegen Spitzenreiter Darmstadt 98 ebenfalls bis auf sechs Zähler an den Hamburger SV heran.

HSV-Torjäger Robert Glatzel: "Ein Derby hat seine eigenen Gesetze"

Beim grossen Aufstiegsfavoriten atmete nach den Sonntagsspielen trotzdem niemand erleichtert durch. Zu gross sind aktuell die sportlichen Probleme des HSV, zu gross ist immer noch die Brisanz des kommenden Stadtduells (Freitag, 18:30 Uhr/Sky).

"Das ist das wichtigste Spiel der Saison jetzt, ganz klar!", sagte HSV-Torjäger Robert Glatzel noch in Kaiserslautern. "Natürlich hätte uns ein Sieg heute ein besseres Gefühl gegeben. Aber ein Derby ist ein Derby, das hat seine eigenen Gesetze."

Trotz der Niederlage gegen Braunschweig durch zwei frühe Tore von Maurice Multhaup (1. Minute) und Manuel Wintzheimer (25.) macht gerade St. Pauli dem HSV schon seit Wochen vor, was diesem genauso lange fehlt: Stabilität. Und eine Spielidee, die in beide Richtungen funktioniert.

Als es nicht lief, stellte Trainer Fabian Hürzeler am Sonntag schon während der ersten Halbzeit seinen Defensivblock um: von Dreier- auf Viererkette in der Abwehr. Mit einem Abräumer davor. Das reichte am Ende zwar nur noch zu einem Anschlusstor von Jakov Medic (85.). Aber genau diese Flexibilität, ein Plan B, fehlte dem HSV am Vorabend in Kaiserslautern.

Trainer Tim Walter reagierte auf diesen ernüchternden Rückschlag zwar gewohnt markig und selbstbewusst. "Es ist noch ein langer Weg. Aber wir bleiben gross. Wir halten den Kopf oben, wir strecken die Brust raus, wir bleiben bei uns", sagte er. "Wir haben alle Trümpfe in der Hand. Die wollen wir bei uns behalten."

"Kein Mittel gefunden"

Dem 47-Jährigen gelingt es aber nun schon seit Wochen nicht, die offenkundigen Probleme im Spiel des HSV zu beheben. Hinten reisst die Serie ganz schwerer individueller Fehler einfach nicht ab. Diesmal patzte Ludovit Reis vor beiden Gegentoren durch Terrence Boyd (71.) und den gebürtigen Hamburger Aaron Opoku (85.).

Und vorne? "Wir haben gegen den tief stehenden Gegner kein Mittel gefunden", sagte Glatzel bei Sky. Und fügte einen beinahe entlarvenden Satz hinzu: "Uns haben die anderen Mittel gefehlt."

Und trägt der HSV vor den letzten sechs Spielen einer lange Zeit so souveränen Saison wieder einige Rucksäcke mit sich herum, die schwer wiegen: die fehlende Stabilität. Der Ausfall des besten Verteidigers Mario Vuskovic. Die Erinnerung an die Frühjahre 2019 bis 2022, als der grosse Favorit den ersehnten Aufstieg jeweils noch verspielte. Der "Kicker" nannte den Auftritt in Kaiserslautern "eine Bewerbung für die kommende Zweitliga-Saison". (Sebastian Stiekel und Felix Schröder, dpa/tas)

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