Weil Borussia Dortmund den Schockzustand nach der Tumor-Erkrankung von Sebastian Haller erst einmal überwinden musste und alle Welt darüber berichtete, versandete eine sportliche Einschätzung von Sportdirektor Sebastian Kehl, die er nur wenige Stunden zuvor getätigt hatte.

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Sein Thema: Borussia Dortmund und die Rolle als Bayern-Jäger. "Ich sehe uns durchaus in der Rolle, um auch angreifen zu wollen", sagte Sebastian Kehl selbstbewusster, als man ihm das zutrauen wollte. "Aber ich glaube, viele andere sollten sich auch in dieser Rolle sehen."

Da trifft der BVB-Manager einen wunden Punkt. Andere Top-Klubs der Liga tauchen im Windschatten des Spitzenduos unter, namentlich Bayer Leverkusen und RB Leipzig, die vorige Saison Platz drei und vier hinter Bayern München und Borussia Dortmund belegt hatten.

Von ihnen hört man gar nichts, wenn es darum geht, endlich Spannung im Titelkampf zu erzeugen und dem Rekordmeister nicht widerstandslos die elfte Meisterschaft in Folge zu überlassen. Öffentliche Stellungnahmen sind wie ein Waffenstillstandsabkommen formuliert. Anders Dortmund.

Sebastian Kehl: "Alle gegen Bayern!"

"Es sind am Ende auch Leverkusen und Leipzig gefordert. Auch sie haben starke Kader", so Kehl unmissverständlich. "Und wenn wir Bayern München nach zehn Jahren auch mal ablösen wollen, dann sind alle Mannschaften, dann ist die ganze Liga gefordert."

Sogar der behutsame Kicker gab in seinem Bundesliga-Sonderheft die Richtung vor und titelte im Innenteil: "Alle gegen Bayern!" Indes: Dafür müssten auch "alle" wollen. Leverkusen aber wäre mit der "Qualifikation für die Champions League" zufrieden, Leipzig "mit Platz eins bis vier".

Man wünscht sich in solchen Momenten Mumm und Macher und nicht Zaudern und Zittern. Nehmen wir RB Leipzig: Pokalsieger, überragend in der Rückrunde, Torjäger Christopher Nkunku verlängert – da kann man doch mal auf den Putz hauen. Stattdessen: vornehme Zurückhaltung.

Die Bundesligisten dürfen sich nicht wegducken

So agierten beide Klubs auch auf dem Transfermarkt (bisher). Leverkusen investierte nur sieben Millionen Euro, Leipzig machte sogar ein Plus von 23,4 Millionen Euro. Der BVB dagegen gab 86 Millionen Euro aus – und musste davon noch ein Drittel zahlen, weil Erling Haaland allein 60 Millionen Euro einbrachte.

Dabei wäre ein Ruck, der die Liga durchschüttelt, so wichtig. Es gibt in Deutschland keinen Schüler mehr, der einen anderen Meister als Bayern München erlebt hat. Das Ausland ist gelangweilt von einem Titelkampf, der nicht existiert. Die Premier League ist einfach spannender.

Dafür kann Bayern nichts. Sie machen, was sie immer tun: Sie rüsten auf –- auch im Jahr 1 nach Lewandowski. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass plötzlich Ladehemmung beim Meister grassiert. Wegducken hilft nicht. Alle Verfolger sollten angriffslustig sein. Nicht nur Dortmund.

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Pit Gottschalk, ist Journalist, Buchautor und Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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