Die Rekorde, die Bayern München in der Champions League produziert, sind beeindruckend. Der jüngste ist: 31 Spiele in Folge in der Gruppenphase unbesiegt – in der Königsklasse hat das noch keine Mannschaft vorher geschafft. Und die Champions League existiert schon seit drei Jahrzehnten.
Seit Dienstag macht eine witzige Statistik die Runde: Als Bayern das letzte Mal ein Heimspiel in der Gruppenphase verlor, war der aktuelle Bayern-Jungstar Jamal Musiala zehn Jahre alt. Also vor knapp zehn Jahren. Genauer: am 10. Dezember 2012 mit 2:3 gegen Manchester City.
Das Holz, aus dem Giganten geschnitzt werden
Trotzdem fragt man sich: Warum hat Bayern in diesem Jahrzehnt nur zweimal die Champions League gewonnen, 2013 und 2020? Ein Star-Ensemble, das so dominiert, hat das Zeug zu noch mehr Trophäen. Zum Vergleich: Real Madrid holte im selben Zeitraum fünfmal den Henkeltopf.
Zuletzt im Mai 2022. Und was die Krönung im Frühjahr so absurd machte, war die Bilanz in der Gruppenphase davor: Real Madrid leistete sich im Heimspiel gegen Aussenseiter Sheriff eine peinliche Pleite (1:2) und stolperte in die K.o.-Phase.
Erst danach entwickelten oder zeigten die Königlichen ihren berüchtigten Killer-Instinkt: im Achtelfinale Paris Saint-Germain ausgeschaltet (0:1 und 3:1), im Viertelfinale Titelverteidiger FC Chelsea (3:1 und 2:3) und im Halbfinale sensationell Manchester City (3:4 und 3:1).
Nicht mal im Finale gegen den FC Liverpool war die Mannschaft um Mittelfeldstratege Toni Kroos die bessere Mannschaft, das Ende ist bekannt: 1:0 gegen Jürgen Klopp, weil Torwart Thibaut Courtois galaktisch jeden Schuss abwehrte. Aus diesem Holz sind Giganten geschnitzt.
Die eigentliche Meisterprüfung steht noch aus
Es ist deswegen ganz nett, dass Bayern München die Statistiker zufriedenstellt und aus dem Ertrag von neun Punkten und 9:0 Toren Selbstgewissheit gegenüber den Gruppengegnern FC Barcelona und Inter Mailand schöpft. Aber diese Gruppenspiele sind genau das: Vorgeplänkel.
Die eigentliche Meisterprüfung für Trainer Julian Nagelsmann und seine Rekord-Bayern findet erst im Frühjahr statt, wenn die K.o.-Spiele beginnen und sogar Aussenseiter wie Villarreal ihre Chance wittern, dass man Bayern München in 180 Spielminuten aufs Glatteis führen kann.
Erst dann wird sich zeigen, was in dieser Mannschaft steckt: ob sie Killer-Instinkte hat, Ausfälle kompensiert, Rückschläge wegsteckt, den Tunnelblick beibehält. Die Rekordzahlen, die jetzt in die Schlagzeilen kippen, offenbaren ihren wahren Wert in drei bis sieben Monaten.