Der eine Hoeness-Satz wirkte zunächst nicht besonders lang und wuchtig, als er am Donnerstag in einer Vorabmeldung über die Nachrichtenagenturen gejagt wurde. Erst auf den zweiten Blick entfaltete die Forderung von Uli Hoeness eine Kraft, die man entweder als Energie-Verschwendung oder eben als hochexplosiv bezeichnen könnte.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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In einem "AZ"-Interview störte sich der noch amtierende Bayern-Präsident daran, dass die Bundesliga schon nach dem dritten Spieltag pausierte, damit den Nationalmannschaften das frei gewordene Wochenende für Länderspiele zur Verfügung stand.

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Uli Hoeness hätte lieber seine Bayern spielen gesehen: "Die Bundesliga hat eine ganz andere Attraktivität als diese Länderspiele."

Hoeness: Länderspiele lieber, "wenn es kalt ist"

"Man muss wirklich mal darüber nachdenken, ob man in der allerbesten Fussballzeit nicht die Bundesliga durchspielen lassen sollte. Die Länderspiele könnten auch im Januar stattfinden, wenn es kalt ist", sagte Uli Hoeness.

Sein Vorschlag, Länderspiele in den Winter zu verlegen, um den Bundesliga-Betrieb nicht zu unterbrechen, verrät ein Höchstmass an Respektlosigkeit, wie es die Nationalmannschaft seit geraumer Zeit erlebt.

Die Vereine, der FC Bayern München vorneweg, verstehen die DFB-Auswahl als notwendiges Übel. Das ist in mehrfacher Hinsicht verstörend.

Zum einen zeigt die Äusserung nur, dass der FC Bayern die Erfüllung von Geschäftszahlen höher bewertet als die Signalwirkung einer Nationalelf, die bestenfalls für höhere Werte steht als den Quartalsbericht eines mittelständischen Unternehmens mit 750 Mio. Euro Umsatz. Zum anderen, schlimmer noch, zeigt Hoeness den Stellenwert der Nationalelf.

Die Löw-Mannschaft verliert nicht nur Zuschauer in den eigenen Stadien, wenn es nicht gerade gegen Holland in der EM-Qualifikation geht oder im Oktober gegen Argentinien.

Das Risiko tragen immer die Vereine

Die DFB-Auswahl wird, nimmt man Hoeness beim Wort, nicht mehr als gemeinsame Aufgabe des deutschen Fussballs verstanden, sondern als Belastung. Als eine Art Störung.

Dahinter mögen wirtschaftliche Interessen stehen. Der DFB finanziert einen Grossteil seiner Einnahmen mit der Vermarktung der Nationalmannschaft und nutzt dafür natürlich auch die Werbewirkung von Nationalspielern, die von den Vereinen bezahlt werden.

Zwar gibt es eine Beuteteilung mit den Vereinen. Die fällt aber vergleichsweise moderat aus.

Das Risiko trägt der Verein. Verletzt sich ein Nationalspieler im Namen der Heimat, fehlt er seinem Arbeitgeber bei den nächsten Spielen.

Man stelle sich vor, Philippe Coutinho wäre verletzt von der brasilianischen Länderspielreise heimgekehrt - Trainer Niko Kovac hätte seine Pläne für das Top-Spiel bei RB Leipzig über den Haufen werfen müssen.

Im Nachhinein wirkt es drollig, dass Hoeness das DFB-Aus seiner drei Nationalspieler Jerome Boateng, Thomas Müller und seinerzeit Mats Hummels beklagte.

Retourkutsche für Ausbootung der Bayern-Stars?

Möglichkeit 1 ist: Seine Entrüstung über Bundestrainer Joachim Löw war Anfang des Jahres aufgesetzt.

Möglichkeit 2: Die herablassende Bemerkung über die Länderspiele war eine Retourkutsche. Der Rahmenterminkalender erlaubt eh keine Verschiebung.

Was Hoeness ausser acht lässt: Dass es vielen Deutschen nicht gleichgültig ist, wie ihre Repräsentanten in kurzen Hosen auftreten.

Das zeigen allein die heftige Reaktion auf die Holland-Pleite und die dauerhafte Debatte, ob Löw noch der richtige Bundestrainer ist. Eigentlich wäre es sogar an Hoeness, den Wert der Nationalelf herauszustellen.

Den Ruhm verdanken seine Profis ja nicht nur ihm, sondern auch Erfolgen, die sie mit der Nationalelf gefeiert haben. WM- und EM-Titel steigern die Marktwerte jedes Nationalspielers.

331 potenzielle deutsche Nationalspieler hatte der FC Bayern seit dem Bundesliga-Aufstieg 1965. Aber wo ist jetzt die Stimme beim DFB, die Uli Hoeness den Zusammenhang nachdrücklich darlegt?

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Uli Hoeness, FC Bayern München, Bundesliga, Präsident
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