Zu lange haben sich die Deutschen mit dem Gedanken gequält, ob Thomas Müller und Mats Hummels eine Nachspielzeit in der Nationalmannschaft vergönnt sein sollte. Seit Mittwoch weiss man: Man sollte keine Sekunde mehr darauf verschwenden. Es lohnt sich nicht.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Drei Gründe. Erstens: Bundestrainer Joachim Löw zieht sein Ding jetzt durch und verjüngt die Mannschaft eh. Zweitens: Damit Löw Erfolg hat, muss er den jungen Spielern maximal Spielpraxis geben. Drittens: Er denkt noch immer nicht radikal genug.

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Deutschland gegen Argentinien: Kai Havertz gibt den Takt an

Seit Monaten zeigt Kai Havertz bei Bayer Leverkusen, dass ihm die Zukunft im deutschen Fussball gehört. Obwohl erst 20 Jahre alt, gehorcht die Offensive seinem Taktgefühl. Beim 2:2 gegen Argentinien inszenierte er fast jeden Angriff.

Den Auftritt in Dortmund verdiente er nur, weil Löw keine Wahl hatte. Die Zahl der Absagen zwang den Bundestrainer dazu, Havertz über 80 Minuten lang spielen zu lassen. Endlich konnte man auf grosser Bühne erleben, was der Junge drauf hat.

Ein ähnliches Erlebnis hatte schon Serge Gnabry beim FC Bayern. Präsident Uli Hoeness gab unlängst zu, dass man den eigenen Spieler unterschätzt hatte. Erst die ständige Vertretung von Arjen Robben legte den wahren Wert des Rechtsaussens offen; er brillierte.

Niemand wäre auf die Idee gekommen, Robin Koch vom SC Freiburg in die Nationalelf zu berufen, wenn Löw nicht die Innenverteidigung verloren gegangen wäre. Man stelle sich nur vor, Jerome Boateng wäre noch dabei gewesen: Koch hätte keine Chance bekommen.

Joachim Löw muss mehr Mut zeigen

Es ist immer einfach, in der Wahrscheinlichkeitsrechnung die aktuell besten Nationalspieler aufzustellen, um erfolgreich zu sein. Eine Garantie auf Erfolg hat man aber trotzdem nicht, wie man seit der blamablen WM 2018 weiss. Warum also nicht mehr Mut zeigen?

Zu seinen grössten Fehlleistungen in 15 Jahren DFB gehörte Joachim Löws Entscheidung, auf Leroy Sané bei der Weltmeisterschaft zu verzichten. Jetzt sollte er Farbe bekennen und noch konsequenter die hungrige Spielergeneration auf den Rasen schicken.

Marco Reus soll durchaus spüren, dass Rivalen seinen Platz im Angriff streitig machen; ihn wird das nur anstacheln. Radikalität macht Beine: Man kann nicht genug von Havertz und Gnabry bei der Nationalmannschaft sehen.

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