Mehmet Scholl hat, was nicht oft vorkam, kluges zur Karriereplanung eines Fussballprofis gesagt. Der ehemalige Weltklasse-Spieler des FC Bayern entschlüsselte drei Voraussetzungen, um auf dem höchsten Leistungsniveau mitzuhalten: erstens Talent, zweitens Körperkraft, drittens Mentalität. Damit wären wir bei Leroy Sané.

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Beim 1:1 in Ungarn liess ihn Bundestrainer Hansi Flick 90 Minuten lang auf der Bank schmoren, was angesichts seiner Stärken im Eins-Gegen-Eins überraschend wirkt. Einen wie ihn hätte man benötigen können, um die Abwehr der Ungarn auszuhebeln. Aber bei beiden Länderspielen zuvor (gegen Italien und England) war Sané wirkungslos geblieben. Mitläufer braucht Flick nicht.

"Mentalität" als entscheidender Faktor?

Dass der Flügelflitzer über ganz besondere Fähigkeiten bei der Ballbehandlung besitzt, ist unumstritten - sogar bei seinen Kritikern. Körperlich bringt er alles mit, um Geschwindigkeit in Laufduellen und Robustheit in Zweikämpfen in Einklang zu bringen. Dass Leroy Sané noch immer nicht Stammspieler in der Nationalelf und beim FC Bayern ist, kann also nur an Punkt drei liegen.

Das Wort "Mentalität" ist zwar abgewetzt und wird meistens dann verwendet, wenn eine Mannschaft keine Mittel zur Gegenwehr findet. Aber es hat beim Fussball eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Scholl hat das Wort bei seinem eigenen Sohn angewendet: Der würde halt nicht aufbegehren, wenn Widerstand droht. Ihm fehle die Jetzt-erst-recht-Mentalität.

Flick: Remis des DFB-Teams in Budapest "ein Rückschritt"

Nach dem dritten Unentschieden in Serie zeigte sich Bundestrainer Hansi Flick unzufrieden. Das 1:1 gegen Ungarn war für den Trainer der DFB-Auswahl ein Rückschritt. Das Final Four ist aber weiter der "Anspruch" und das "Ziel" des deutschen Teams.

Sané muss das Problem für sich selbst lösen

Bei Sané ist es ähnlich. Jemand, den Ex-Bundestrainer Joachim Löw zur WM 2018 aussortierte, weil Talent allein nicht reicht, sollte nach zwei Bayern-Jahren schon wissen, dass ein flügellahmer Dribbelkönig keinen Wert für eine Mannschaft darstellt. Zwischenzeitlich schien der Hochbejagte ja geheilt. Als er erfolgreich Bällen nachjagte, waren ihm Lob und Anerkennung gewiss.

Es gibt keine offensichtliche Begründung, warum Sané in die alte Lethargie verfallen ist. Er muss doch gemerkt haben, wie er damals diejenigen, die ihn vorher im Stadion hörbar ausgebuht haben, plötzlich mit seiner spürbaren Lust an Landgewinn zum Schweigen gebracht hat. Jetzt ist er wieder der alte Hans-Guck-In-Die-Luft, der sich seinem Schicksal auf dem Rasen ergibt.

Nationalelf-Direktor Oliver Bierhoff hat schon recht: Sané muss das Problem für sich selbst lösen. Seine Trainer können ihm nicht mehr Warnsignale senden, der Druck wächst. Die Bayern werden keine drei Jahre zuschauen, wie einer ihrer bestbezahlten Profis seinen Vertrag bis 2025 mit Stehvermögen erfüllen will. Er ist jetzt 26 Jahre alt und kein Hoffnungsträger mehr. Er muss liefern.

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Pit Gottschalk, ist Journalist, Buchautor und Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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