Amsterdam - Julian Nagelsmann lief verärgert auf den Rasen der Johan-Cruyff-Arena. Der Schlusspfiff des italienischen Schiedsrichters Davide Massa während eines vielversprechenden deutschen Angriffs gefiel dem Bundestrainer überhaupt nicht, mit dem Remis im prestigeträchtigen Kräftemessen gegen Oranje war er aber sehr wohl zufrieden. Denn nach dem schnellsten Gegentor seit 50 Jahren hat sich die Nationalmannschaft trotz grosser Defensivprobleme mit einem Punkt in den Niederlanden belohnt. Mit viel Abwehr-Risiko und grosser Leidenschaft kamen die diesmal auch als Fussball-Arbeiter geforderten Spasskicker um Florian Wirtz und Jamal Musiala zu einem 2:2 (2:1) in Amsterdam.
"Es war sehr unterhaltsam. Beide Teams waren defensiv ein bisschen zu anfällig, dafür war es ein spannendes und offenes Spiel. Wir sind verdientermassen zurückgekommen. Zwei Tore muss du auch erstmal nachlegen. Zum Ende hin waren wir dem Tor näher", sagte
"Die hatten ihre Chancen, wir auch. Wir müssen noch besser werden. Heute war nicht unser Tag wie gegen Ungarn. Aus solchen Spielen wie gegen Holland werden wir lernen. Es gab ein paar Ballverluste wie vor dem Gegentor, da müssen wir cleverer sein", meinte Musiala und ergänze: "Es sind auch viele positive Sachen, die wir rausnehmen können. Es ist auch normal, wenn vier Legenden raus sind aus der Mannschaft. Es ist ein Prozess. Die Stimmung um die Mannschaft ist richtig gut. Wir spielen guten Fussball. Es macht Spass."
Drei Tage nach der 5:0-Gala gegen Ungarn erwiesen sich die Holländer im Spitzenspiel der Gruppe 3 der Topliga der Nations League als der deutlich anspruchsvollere Gegner. Nach dem Remis geht die DFB-Elf aber als Tabellenführer in die Oktober-Spiele, wenn es nach der Partie in Bosnien-Herzegowina (11.10.) zu einem schnellen Wiedersehen in München mit Oranje (14.10.) kommt. Dann kann sogar schon der Weg Richtung Viertelfinale geebnet werden.
Nagelsmann kann bei vier Zählern mit dem Neustart nach der Heim-EM zufrieden sein. Gegen das Team von Bondscoach Ronald Koeman konnte wenig gezaubert werden, aber die Widerstandskraft stimmte.
Früher Schock für DFB-Team
"Wir wollen versuchen, einen Moment zu zaubern, der in Erinnerung bleibt", hatte Nagelsmann angekündigt. Doch zunächst gab es nach der Gala gegen Ungarn ein böses Erwachen unter dem wegen des stürmischen Wetters geschlossenen Dach der Arena. Schon nach 99 Sekunden hatte Oranje die deutsche Elf überrumpelt. Nach einem langen Ball von Torhüter Bart Verbruggen legte Brian Brobbey den Ball per Brust auf Ex-Bayern-Profi Ryan Gravenberch, dessen Steilpass auf Reijnders die deutsche Hintermannschaft komplett entblösste.
So kassierte die deutsche Mannschaft das schnellste Gegentor seit 50 Jahren. Im WM-Finale 1974 - ebenfalls gegen die Niederlande - hatte letztmals Johan Neeskens noch früher getroffen. Damals dauerte es nur 86 Sekunden.
Niederländisches Umschaltspiel bereitet grosse Probleme
Dabei hatte Nagelsmann noch vor dem niederländischen Umschaltspiel gewarnt - offenbar vergeblich. Denn es kam zu weiteren höchst gefährlichen Kontern der Holländer, die riesige Lücken im deutschen Defensivverbund offenbarten. Bezeichnenderweise hatten sich die beiden Innenverteidiger
Angesichts des riskanten Spiels der deutschen Mannschaft hätte es noch schlimmer kommen können. Denzel Dumfries per Kopf (15.) und der Leipziger Xavi Simons frei vor Marc-André ter Stegen (21.) hätten die Führung noch ausbauen können. Nagelsmann und Co-Trainer Sandro Wagner grübelten auf der Bank nach Lösungen.
Noch vor einem Jahr - der damalige Bundestrainer Hansi Flick wurde nach dem schlimmen 1:4 gegen Japan freigestellt - wäre das DFB-Team wohl auseinandergefallen. Doch das Gebilde ist unter Nagelsmann nach der guten Heim-EM längst gewachsen - auch dank der beiden Zauberer
Premierentor von Undav
Ein bisschen halfen die Niederländer aber auch mit. Musiala fing einen schwachen Pass seines früheren Bayern-Kollegen Matthijs de Ligt ab. Über Kai Havertz und Deniz Undav gelangte der Ball zu
Für den Stuttgarter, der den verletzten Niclas Füllkrug vertreten hatte, war es das erste Tor im vierten Länderspiel. Doch damit nicht genug. Nach einer Ballverlagerung von
Die Führung zur Pause war glücklich - und auch nur von kurzer Dauer. Nagelsmann brachte Waldemar Anton für Tah ins Spiel, Sicherheit kehrte aber nicht zurück. Vor allem Brobbey sorgte für grosse Probleme auf deutscher Seite. Der starke Ajax-Stürmer war es auch, der sich nach einem schnellen Ballgewinn gegen Schlotterbeck durchsetzte und für Torschütze Dumfries auflegte. Schon im Gegenzug hatte Havertz die grosse Chance zur erneuten Führung, doch wie schon gegen Ungarn liess der Arsenal-Stürmer vor dem Tor den Killerinstinkt vermissen (52.). Dazu vergab Raum per Kopf eine weitere Grosschance (71.).
Beide Teams schenkten sich nichts, auch körperlich ging es zur Sache. Immerhin liess die Nagelsmann-Elf nicht mehr viel zu und verdiente sich mit grossem Einsatz den Punkt. © Deutsche Presse-Agentur
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