Die deutschen Nationalspieler bekamen eine Menge Beifall, als sie vor dem England-Spiel knieten und gemeinsam mit dem Gegner ein Zeichen gegen Rassismus setzten. Eine Wiederholung dieser Geste soll es ausgerechnet beim Ungarn-Spiel am Samstagabend in der Nations League nicht geben.
Es sei "nichts geplant", so Nationalelf-Direktor
Die Geste mit dem Hinknien ist inzwischen sechs Jahre alt und sollte immer genau das sein: eine Geste. Der Football-Spieler Colin Kaepernick wollte kniend seinen Protest gegen Alltagsrassismus zum Ausdruck bringen, während die Mannschaften ihre Nationalhymne hören. Unerschüttert nahm er damit billigend in Kauf, dass der damalige US-Präsident
Jude Bellingham: "Auf dem Weg ins Finale waren wir alle Engländer"
Auf der ganzen Welt haben sie die Geste verstanden und oft übernommen, in England ganz besonders. Raheem Sterling, Nationalspieler bei Manchester City, wurde immer wieder Zielscheibe rassistischer Übergriffe, er sagte voriges Jahr: "Rassismus ist die einzige Krankheit, die wir bekämpfen."
Als drei schwarze Spieler im EM-Finale 2021 drei Elfmeter gegen Italien verschossen, Marcus Rashford,
Ihr Mannschaftskollege
Auch deswegen ist ihre Geste bei Länderspielen so wichtig: Vor dem Anpfiff knien alle englischen Nationalspieler, ob weiss oder schwarz, wie einst Kaepernick, um gemeinsam dem Rassismus die Stirn zu bieten.
Kniefall treibt Rechtsausleger zur Weissglut
Die Geste, und mehr ist es nicht, treibt Rechtsausleger in den Wahnsinn. Beim Auswärtsspiel in Ungarn wurden die Engländer vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen, als sie für einen Moment auf die Knie fielen. Das verwundert nicht.
In einem Land, wo Diskriminierung zum Tagesgeschäft des Ministerpräsidenten Viktor Orban gehört, gilt jedes Bekenntnis zu Diversität als Beleidigung.
Das Verwunderliche war eher: Im Publikum sassen ausschliesslich Kinder mit ihren Begleitpersonen. Es war deshalb richtig und wegweisend, dass die deutschen Nationalspieler bei ihrem nächsten Spiel gegen England ebenfalls auf die Knie gingen und uneingeschränkte Solidarität mit dem Gegner zeigten.
Der Beifall in der Münchner Allianz-Arena war ihnen gewiss: In Deutschland wissen sie, wohin der Mix aus Rassismus und Homophobie führt.
Umso unverständlicher ist jetzt, dass beim eigenen Länderspiel in Ungarn das Gegenteil passieren soll: nämlich nichts. Nationalelf-Direktor Oliver Bierhoff wich Nachfragen in der DFB-Pressekonferenz aus. Aus seinem Hinweis, dass "nichts geplant ist", lässt sich aber nur eines deuten: Ignoranz. Oder auch: Angst vor der Reaktion.
Hinknien statt Buckeln als wichtiges Zeichen gegen Rassismus
Das Stadion in Budapest wird voll sein mit ungarischen Hardcore-Fans, die jede Knie-Geste als Beleidigung empfinden würden und als Verrat an ihren verkorksten Werten. Nichtstun bedeutet für Deutschland: einknicken vor dem Mob auf den Rängen. Ein riesiger Fehler! Dabei wäre Hinknien statt Buckeln die richtige Antwort auf Ungarn.
Wir erinnern uns: Das Nachbarland wurde nach der EM 2021 ursprünglich zu zwei Geisterspielen verurteilt, weil es in allen drei Vorrundenspielen zu Entgleisungen kam. Spieler wie Cristiano Ronaldo wurden beim Portugal-Spiel übelst angefeindet, homophobe Sprechchöre beim Deutschland-Spiel angestimmt und rassistische Äusserungen beim Frankreich-Spiel entlarvt.
Wie kann man sich da nur wegducken? Umso wichtiger wären jetzt Haltung und eine Geste, dass der Kniefall beim England-Spiel kein Gratis-Mut war, sondern ein dringendes Bedürfnis der Mannschaft. Gut gemeinte Worte sind immer das eine; das andere: Taten folgen zu lassen.
Wenn die Haltung gegen Diskriminierung einkassiert wird, sobald es unangenehm wird (zum Beispiel am Samstagabend im Ungarn-Spiel), war die Knie-Geste vom England-Spiel nur ein weiterer Marketing-Gag aus dem Hause Bierhoff.

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