Uli Hoeness scheint ein merkwürdiges Verständnis von der Pressearbeit in Deutschland zu haben. Missmutig stellte er am Mittwochabend fest, dass der Torwart Marc-André ter Stegen zwar Unterstützung durch die westdeutsche Presse (sic!) erfahre, sein Manuel Neuer aber nicht von der süddeutschen Presse (sic!). Sein nächster Satz hätte sein können: Das ist ungerecht und gemein.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Was Uli Hoeness erwartet: dass niemand an der Klasse von Neuer zweifelt. Das tut ja eigentlich auch niemand. Es geht nur um die Frage, ob Marc-André ter Stegen tatsächlich schon die Chance in der Nationalmannschaft bekommen hat, die er verdient. Da gibt es halt Experten, die einen Tausch der Torhüter für ratsam halten und andere eben nicht. Die Debatte verlief vergleichsweise sachlich.

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Uli Hoeness ging mit Drohung zu weit

Die Schärfe bringt jetzt Hoeness rein. Weil er vom DFB kein Treuebekenntnis hörte, liess er keinen Zweifel daran, dass er und sein FC Bayern den DFB ins Visier nehmen und sich auf ihn einschiessen werden. "Wir werden den Leuten beim DFB ein bisschen Feuer geben, das können wir." Deutlicher kann man eine Androhung kaum formulieren. Hoeness ist wütend.

Es ist nun nicht ersichtlich, wen Hoeness mit den "Leuten beim DFB" meint, ob Joachim Löw, Oliver Bierhoff oder den Interimspräsidenten Rainer Koch. Es muss aber allen Kräften im DFB klar sein, dass man Hoeness diese Dreistigkeit und Anmassung nicht durchgehen lassen darf. Eine überaus sportliche Entscheidung, wer im Tor steht, obliegt allein dem Bundestrainer.

Es muss also jetzt jemand aufstehen und dem Bayern-Präsidenten öffentlich sagen: So nicht, Herr Hoeness! Sonst bleibt der Eindruck zurück, dass der DFB vor dem Branchenprimus kuscht. Joachim Löw oder Oliver Bierhoff, Generalsekretär Friedrich Curtius oder sogar der designierte Präsident Fritz Keller haben hier Farbe zu bekennen. Hoeness ging mit seiner Drohung zu weit.

Das Sprücheklopfen ist sogar Manuel Neuer peinlich

Die Presse selbst, ob im Westen oder Süden, wird sich kaum vor den Karren des Bayern-Präsidenten spannen lassen und eine Kampagne pro oder kontra Manuel Neuer fahren. Man kann bei der Personalie unterschiedlicher Meinung sein; aber welche Meinung er vertritt, entscheidet jeder Sportjournalist noch immer selbst. Hoeness müsste das eigentlich wissen.

Wenn nicht, dann sollte er wenige Wochen vor seinem Abschied vom Amt die Lektion lernen, dass nicht jeder nach seiner Pfeife tanzt. Es ehrt ihn ja, dass er sich schützend vor seine Spieler stellt. Manuel Neuer hat diese Unterstützung allemal verdient. Aber wenn selbst ihm, dem betroffenen Torwart, diese Sprücheklopferei peinlich ist, sollte Hoeness nachdenklich werden.

Nicht er stellt die Nationalmannschaft auf, sondern der Bundestrainer. Hoeness muss nicht mit allen Entscheidungen von Löw einverstanden sein. Aber deswegen ist nicht jede Attacke aus der Chef-Etage des FC Bayern gerechtfertigt. Und genau das muss ihm der DFB klarmachen und sein eigenes Führungspersonal vor Hoeness in Schutz nehmen.

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