Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS stellt den Höhepunkt einer Reihe an Fehlentscheidungen und fragwürdigen Geschäften des Schweizer Bankhauses dar. Der Sturz der zweitgrössten Bank der Schweiz zeichnete sich in den vergangenen Jahren bereits ab.
Nach der mühsam ausgehandelten Übernahme der angeschlagenen Credit Suisse durch die Schweizer Grossbank UBS herrscht an internationalen Finanzmärkten vorerst weiter Unruhe. Die wichtigsten asiatischen Börsen haben am Montag überwiegend nachgegeben. Auch der deutsche Leitindex Dax startete am Montag mit einem Minus von 1,12 Prozent. Tiefster Wert seit Januar.
Sowohl der Milliardendeal in der Schweiz als auch die Massnahmen mehrerer Notenbanken zur Liquiditätsversorgung des Finanzsystems konnten gegen die Ängste vor einer möglichen Bankenkrise nur wenig ausrichten. Allerdings hielten sich die Verluste in Grenzen, nachdem es in der vergangenen Woche deutlich bergab gegangen war. Die Stimmung in der Finanzwelt bleibt angespannt. Der Euro reagierte am Montagmorgen zunächst kaum.
Die UBS übernimmt den kleineren Lokalrivalen für drei Milliarden Franken (gut drei Milliarden Euro). Zusätzlich steht sie für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. Hinzu kommen eine staatliche Verlustgarantie von neun Milliarden Franken sowie Liquiditätszusagen im Umfang von bis zu 200 Milliarden Franken. Aber wie kam es zu dem Absturz der zweitgrössten Bank der Schweiz?
Ende der Credit Suisse: Zahlreiche Skandale überschatteten das Image des Geldinstituts
Die 1856 gegründete Grossbank Credit Suisse galt lange als Pfeiler der starken Schweizer Wirtschaft. Sie hat den Eisenbahnbau des Landes mitfinanziert und sie hat es in den globalen Club der 30 Banken geschafft, die als "too big to fail" gelten. Doch seit einigen Jahren war die Credit Suisse in etliche Skandale verstrickt.
Der Zusammenbruch des britisch-australischen Finanzdienstleisters Greensill Capital im März 2021 traf die Credit Suisse hart – sie hatte dort Milliarden investiert. Nach der Insolvenz schloss die Schweizer Bank vier mit Greensill verbundene Fonds, in denen zehn Milliarden Dollar angelegt waren. Die Schweizer Finanzaufsicht Finma bescheinigte der Credit Suisse einen Bruch ihrer Aufsichtsverpflichtungen und forderte Abhilfemassnahmen.
Nur vier Wochen nach der Greensill-Insolvenz kam die Pleite des US-Fonds Archegos, das kostete die Bank weitere gut fünf Milliarden Dollar und schickte sie im entsprechenden Quartal in die roten Zahlen. Der Gründer des Fonds hatte sich an der Börse verspekuliert und musste dann plötzlich Aktien im Milliardenwert abstossen, von denen die Credit Suisse etliche hielt.
Korruptionsskandal in Mosambik und kriminelle Kunden
Im Oktober 2021 wurde die Credit Suisse von US- und britischen Behörden zur Zahlung von 475 Millionen Dollar verdonnert. Dabei ging es um Kredite für Staatsunternehmen in Mosambik, mit denen offiziell die dortige Fischerei gefördert werden sollte. Zum Teil sollen die zwischen 2013 und 2016 bereitgestellten Gelder aber als Schmiergelder an Staatsbedienstete oder der Regierung nahestehende Vertreter geflossen sein. Auch einzelne Banker sollen sich bereichert haben.
Weiter erschüttert wurde die Bank im Februar 2022 durch Medienberichte, wonach sie jahrelang korrupte Autokraten und Kriminelle als Kunden akzeptiert haben soll. Menschen- oder Drogenhändler hätten bei Credit Suisse Konten eröffnen oder behalten können, auch wenn die Bank Straftaten zumindest bereits vermuten musste, berichtetet unter anderem die "Süddeutsche Zeitung" unter Verweis auf ihr zugespielte Kundendaten.
Die Bank wies die unter "Suisse Secrets" bekannt gewordenen Anschuldigungen zurück und sprach von "unvollständigen, ungenauen oder aus dem Zusammenhang gerissenen" Daten. Es handelte sich um Informationen zu über 18.000 Konten, die teils bis in die 40er-Jahre zurückreichten.
Dubiose Geschäfte und teure Streitfälle
Ende März 2022 sprach ein Gericht auf den Bermudas dem ehemaligen georgischen Regierungschef Bidsina Iwanischwili wegen erlittener Verluste durch die Bankentochter Credit Suisse Life Bermuda Entschädigungen in Höhe von 553 Millionen Dollar zu. Der Fall geht zurück auf einen einstigen Starbanker und Finanzberater der Bank, der 2018 wegen Veruntreuung von Kundengeldern zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Zwei Jahre später beging er Suizid.
Im Juni 2022 bekam Credit Suisse wegen eines Falls von Geldwäsche in Bulgarien von der Schweizer Justiz eine Strafe von zwei Millionen Dollar auferlegt. Dabei ging es um ein Kokain-Netzwerk, dem es mithilfe einer Angestellten der Bank gelang, 2007 und 2008 über 19 Millionen Schweizer Franken vor den Behörden zu verstecken.
Im Oktober 2022 willigte die Bank in die Zahlung von 495 Millionen Dollar ein, um einen Streit mit dem US-Bundesstaat New Jersey beizulegen. Dabei ging es um hypothekenbesicherte Wertpapiere aus der Zeit der Finanzkrise 2008. Im selben Monat sagte die Bank Zahlungen von 238 Millionen Euro bei einem Fall in Frankreich zu – diesmal ging es um die Beilegung von Ermittlungen zu Geldwäsche und Steuerbetrug aus dem Jahr 2016 im Fall von Konten französischer Kunden. Schon im vierten Quartal 2022 zogen Kunden der Bank 110,5 Milliarden Schweizer Franken ab.
Jüngste Entwicklungen
In ihrem verspätet veröffentlichten Geschäftsbericht räumte die Bank erst kürzlich Probleme und "erhebliche Schwächen" der internen Finanzkontrolle ein. Dann geriet sie durch die jüngste US-Bankenkrise und die Ablehnung ihres grössten Anteilseigners aus Saudi-Arabien, seine Investitionen erhöhen zu wollen, in extreme Schieflage. Jetzt musste die Schweizer Regierung am Wochenende die Notbremse ziehen.
Die Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der grösste Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte.
Mit der Fusion zu einem neuen Branchenriesen soll laut UBS ein Finanzinstitut mit einem verwalteten Vermögen von mehr als fünf Billionen US-Dollar entstehen. Zu möglichen Stellenstreichungen könnten keine Aussagen gemacht werden, hiess es am Sonntagabend. Zusammen beschäftigen beide Institute etwa 120.000 Mitarbeitende.
Die Bilanzsumme der UBS mit mehr als 72.000 Beschäftigten belief sich 2022 auf umgerechnet 1.030 Milliarden Euro, die der Credit Suisse mit gut 50.000 Beschäftigten auf umgerechnet 535,44 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar (aktuell 7,07 Milliarden Euro) erwirtschaftet. Credit Suisse wies dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken (7,4 Millliarden Euro) aus. (afp/dpa/the)