Münster/München - Unangekündigt und oft in den frühen Morgenstunden: Wenn um diese Uhrzeit die Steuerfahndung an der Tür einer Privatwohnung klingelt, sind Betroffene und ihre Angehörigen häufig ratlos und einer Panik nahe.
Wann rückt die Steuerfahndung an?
Besteht der Anfangsverdacht auf Steuerhinterziehung, muss nach dem Legalitätsprinzip – dem Zwang zur Strafverfolgung – ein Strafverfahren eingeleitet werden. "Dies erfolgt entweder durch die Finanzbehörde oder durch die Staatsanwaltschaft", sagt Gianluca Fischer von der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen.
Ob die Steuerfahndung mit den Ermittlungen in einer Steuerstrafsache beauftragt wird, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. "Auch die Frage, ob eine Durchsuchung nötig ist, ist individuell zu entscheiden", so Fischer. Voraussetzung dafür, dass die Steuerfahndung Wohn- oder Geschäftsräume einer verdächtigen Person durchsuchen darf, ist grundsätzlich eine richterliche Durchsuchungsanordnung.
Wie kann überhaupt der Verdacht aufkommen, dass jemand womöglich Steuern hinterzogen hat?
Der Verdacht kann sich ergeben, wenn Beschäftigten des Finanzamts Unstimmigkeiten oder falsche Angaben in einer Steuererklärung auffallen.
"Ein Verdacht auf Steuerhinterziehung kann beim Fiskus auch durch Kontrollmitteilungen von anderen Finanzbehörden oder Sozialversicherungsträger aufkommen", sagt Tobias Gerauer, Vorstandsmitglied bei der Lohnsteuerhilfe Bayern. Ein Beispiel für eine Kontrollmitteilung von Finanzbehörde zu Finanzbehörde: Ein Arbeitgeber hat einem Beschäftigten Reisekosten in Höhe von 10.000 Euro erstattet. Das Finanzamt, das für den Arbeitgeber zuständig ist, meldet dies dem Finanzamt des Beschäftigten. Letzteres überprüft nun, ob der Beschäftigte das in seiner Steuererklärung angegeben hat.

Der Verdacht auf Steuerhinterziehung kann auch durch anonyme Hinweise entstehen, die beispielsweise von betrogenen Ehemännern oder Ehefrauen, verlassenen Geliebten, neidischen Nachbarn oder Konkurrentinnen und Konkurrenten im geschäftlichen Bereich kommen.
Wenn die Steuerfahndung vor der Tür steht – wie sollten sich Betroffene konkret verhalten?
Regel Nummer 1: "Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren, auch wenn es womöglich schwerfällt", rät Tobias Gerauer. Zunächst sollte man sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen lassen und ihn genau durchlesen. Aus dem Dokument geht hervor, welche Räume zu durchsuchen sind und welche Beweismittel die Steuerfahndung finden möchte. Ausserdem sollten sich die Steuerfahnder ausweisen.
Anschliessend sollten Betroffene die Fahnderinnen und Fahnder bitten, mit der Durchsuchung zu warten, bis eine Anwältin oder ein Anwalt anwesend ist. Solche Fachleute findet man zum Beispiel im Netz unter den Schlagworten "anwaltlicher Notdienst" oder "Rechtsanwalt" "Notfall" und "Hotline" mit Angabe der jeweiligen Kommune.
Wer auf die Schnelle keine Anwältin oder keinen Anwalt erreicht, kann auch versuchen, den eigenen Steuerberater oder die Steuerberaterin zu kontaktieren. Die Steuerfahndung ist allerdings nicht verpflichtet, mit der Durchsuchung bis zum Eintreffen von Anwältin oder Steuerberater zu warten.
Was darf die Steuerfahndung im Zuge der Durchsuchung?
Die Fahnderinnen und Fahnder sind berechtigt, die in dem Durchsuchungsbeschluss angegebenen Räume zu inspizieren und dort auch Schränke und Schreibtische zu öffnen. Finden sie dort Beweismittel, dürfen sie diese beschlagnahmen. "Dazu zählen auch Computer und Festplatten", sagt Tobias Gerauer.
Fahndern ist es auch erlaubt, von Computern und Festplatten Datenkopien anzufertigen. Betroffene stehen aber nicht in der Pflicht, Passwörter herauszugeben.

Welche sonstigen Verhaltenstipps gibt es für Betroffene?
"Bloss nicht die Nerven verlieren und die Fahnder beschimpfen", sagt Tobias Gerauer. Denn sie machen letztendlich nur ihre Arbeit. Ebenfalls wichtig: Keine Erklärungen zur Sache abgeben. Ist kein Anwalt und keine Steuerberaterin zugegen, ist es besser, zu schweigen.
Zudem gilt: keinesfalls Unterlagen freiwillig herausgeben. Benötigen Sie die Unterlagen, die Fahnder mitnehmen möchten, um Ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, machen Sie sich unbedingt Kopien. Lassen Sie die Fahnderinnen und Fahnder möglichst nicht allein, damit Sie wissen, was sie konkret machen und was sie mitnehmen.
Die Fahnder sollten ausserdem in einem Verzeichnis detailliert auflisten, welche Unterlagen sie beschlagnahmt haben. "Betroffene sollten den Fahndern ausdrücklich mitteilen, dass sie mit der Mitnahme und Beschlagnahmung der Gegenstände nicht einverstanden sind und sich dem lediglich beugen", sagt Gerauer.
Sobald die Durchsuchung abgeschlossen ist, bietet es sich an, dass Betroffene aus Ihrem Gedächtnis heraus die Abläufe notieren. So haben sie für das weitere Verfahren ein wichtiges Dokument in der Hand.
Wie geht es nach der Durchsuchung weiter?
Um sich über den aktuellen Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten, können Betroffene über ihre Anwältin oder ihren Anwalt Akteneinsicht verlangen. Kommt es zu einer Anklage, muss der oder die Beschuldigte sich vor Gericht verantworten. Laut Abgabenordnung droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren - oder eine Geldstrafe. © Deutsche Presse-Agentur