Affären im Job sind keine Seltenheit, wie der Fall Nestlé zeigt. Aber was ist in Deutschland erlaubt – und wann dürfen Arbeitgeber eingreifen? Ein Überblick.

Nahezujeder zweite Deutsche hatte einer jüngeren Umfrage zufolge schon einmal eineRomanze am Arbeitsplatz. Von der Schwärmerei für den Chef bis zur festen Beziehung mit dem Kollegen. Privatsache oder doch ein Problem?

DerKonzernchef von Nestlé stolperte über eine Liebesbeziehung mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin und musste seinen Posten räumen. Beurteilt nach deutschem Recht wäre so ein Fall differenzierter zu betrachten.

Eingenerelles Verbot,dass aus Beschäftigten ein Paar wird, kennt dasdeutsche Recht nicht."Liebesbeziehungen sind grundsätzlich Privatsache und gehen die Unternehmensleitung nichts an", betontThomas Gennert, Partner im Arbeitsrecht bei McDermott Will & Schulte in Düsseldorf. "Klauseln in Arbeitsverträgen oder interne Richtlinien, die solche Beziehungen grundsätzlich untersagen, sindunwirksam."

Zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz sind grundsätzlich Privatsache

So bestätigte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bereits im Jahr 2005, dass Unternehmen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiternnicht durch eine "Ethikrichtlinie" verbieten dürfen.

Ein US-Konzern hatte den Mitarbeitern der deutschen Tochtergesellschaft unter anderem untersagt, mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemandem zu treten, "wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann". Das Gericht sah darin eineVerletzung der Menschenwürdeund desRechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, nach dem jeder selbst entscheiden darf, ob und mit wem er eine Beziehung eingeht, egal ob Freundschaft oder Liebesbeziehung.

2015 stellte das Arbeitsgericht Berlin klar: Zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz sindgrundsätzlich Privatsache. Da zumindest Vollzeit-Berufstätige Vorgesetzten und Kollegen in der Regel mehr Zeit widmen als "dem Partner, der Familie und den Freunden zusammen", bleibe es nicht aus, dass aus betrieblicher Kooperation zwischenmenschlicheVerbindungen erwachsen, "die bei entsprechendem Verlauf in Partnerschaften, Lebensgemeinschaften oder auch Eheschliessungen münden können", so die Berliner Richter in der Urteilsbegründung. Sie fügten allerdings einewichtige Einschränkunghinzu: Die Beziehung dürfe nicht "auf die von den Akteuren geschuldete Vertragserfüllung nachteilig durchschlagen".

Massnahmen müssen verhältnismässig sein

ArbeitsrechtlerGennertbestätigt deshalb: "Einschreiten darf der Arbeitgeber dann, wenn eine Beziehungnachweislich den Betriebsablauf stört, etwa weil sich in der Belegschaft der Eindruck verfestigt, die Freundin des Abteilungsleiters würde bevorzugt, oder wenn die Arbeitsleistung unter dem Flirt leidet."

Führt eine persönliche Beziehung am Arbeitsplatz zu derartigen Konflikten, kann der Arbeitgeber aktiv werden, so der Rechtsanwalt. "Die Massnahmen, die er trifft, müssen aber verhältnismässig sein." Denkbar sei eine Versetzung in eine andere Abteilung, nicht aber eine Kündigung.

Offenbarungspflicht nur bei Interessenskonflikten

Müssen Vorgesetzte und Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens anzeigen, dass sie ein Paar sind? "Von Mitarbeitern wird man nicht verlangen können, dass sie der Unternehmensleitung ihre private Beziehung mitteilen", sagt Gennert. "Auch für Vorgesetzte gibt es keine generelle Anzeigepflicht. Es kann aber im Sinne der Transparenz sinnvoll sein, eine Beziehung offenzulegen, bevor sie über Gerüchte bekannt wird."

Eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber kann dann entstehen, wenn die Beziehung zu Interessenskonflikten führen kann, etwa im Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Vorgesetztem und Teammitglied.

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Sind Affären ein Fall für Hinweisgebersysteme im Unternehmen? Über eine solche Whistleblower-Hotline war der Fall des abgesetzten Nestlé-Chefs ans Licht gekommen. Dieser hatte die Affäre mit der Mitarbeiterin dann vermeintlich monatelang bestritten. Erst eine externe Untersuchung hatte letztlich zu seiner Entlassung geführt. Arbeitsrechtler Gennert stellt klar: "Meldet ein Hinweisgeber eine Liebesbeziehung zwischen Beschäftigten verschiedener Hierarchiestufen, ist das zunächst irrelevant. Erst wenn einrechtlich relevantes Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Verhältnis oder ein Interessenskonflikt auftritt, rechtfertigt dies entsprechende Massnahmen des Arbeitgebers."

Verwendete Quellen

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