Hamburg - Wer träumt nicht von einem ruhigen Leben auf dem Land, das sich noch dazu perfekt mit dem Beruf vereinbaren lässt? Der Wunsch nach mehr Lebensqualität und günstigerem Wohnraum ist verständlich. Doch Arbeitgeber achten vor allem darauf, ob die Arbeit weiterhin effizient und qualitativ erledigt wird. Und genau davon gilt es, Chef oder Chefin zu überzeugen.

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Rechtlich ist der Wohnort Privatsache, ob in der Nähe des Arbeitsplatzes oder auf dem Land. "Der Arbeitgeber hat hier kein Mitspracherecht", sagt Doris-Maria Schuster, Rechtsanwältin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Nur in Ausnahmefällen verpflichtet eine Vertragsklausel zu einem Wohnsitz nahe der Arbeitsstätte.

Kein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten

Wer remote arbeiten möchte, sollte eine Tätigkeit ausüben, die nicht an einen festen Standort gebunden ist. Eine Stelle, bei der man nie vor Ort ist, also "fully remote" arbeitet, sei je nach Branche, Unternehmen und Tätigkeit durchaus vorstellbar, sagt Stefanie Bickert, Jobexpertin bei Indeed.

Ohne Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag, der Homeoffice oder mobiles Arbeiten regelt, gilt laut Schuster: Die Arbeit ist im Betrieb des Arbeitgebers zu erledigen. Wie ein Arbeitnehmer dorthin gelangt, ist seine Sache. Ein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten oder Homeoffice besteht nicht, das muss vertraglich festgelegt werden. Dabei sollte entweder mobiles Arbeiten oder Homeoffice, das heisst, die Wohnanschrift als Arbeitsort, definiert sein.

Das bedenken viele Arbeitnehmer nicht

Wer seinem Arbeitgeber treu bleiben möchte, sollte also überzeugende Argumente parat haben. Stefanie Bickerts Tipp: Antizipieren Sie die Erwartungen der Führungskraft und schnüren Sie ein entsprechendes Paket. Zeigen Sie, dass sie wichtige Kundentermine, Meetingtage und Kommunikationswege kennen, bieten Sie feste Erreichbarkeiten an und ein zusätzliches Reporting.

Es gilt, die eigenen Interessen mit denen des Gegenübers zu verbinden, aber keine verbrannte Erde zu hinterlassen. Drohungen, man werde das Unternehmen verlassen, sollte dem Wunsch nach Homeoffice nicht nachgegeben werden, bringen da gar nichts. Vielmehr sollten Sie Ängste nehmen und den Mehrwert dieser Arbeitsweise aufzeigen.

"Mein Traum vom Haus am See ist für meinen Arbeitgeber irrelevant", sagt Stefanie Bickert. Konzentrieren Sie sich auf die wesentlichen Fakten für Chef oder Chefin. Was ist gewünscht: hybrides Arbeiten? Homeoffice oder mobiles Arbeiten?

Widerrufsrecht im Vertrag

Im besten Fall habe man bereits Homeoffice-Erfahrungen und kann diese einbringen, sagt Bickert. Vor einem klärenden Gespräch mit Vorgesetzten sollte man sich darüber im Klaren sein, was man will und warum. Kann ich das? Bin ich die richtige Persönlichkeit dafür? Mobiles Arbeiten, so sagt Stefanie Bickert, braucht ein hohes Mass an Selbstorganisation.

Welche Belege können Sie anführen, um zu zeigen, dass Ihre Arbeitsleistungen auch aus der Ferne stimmen? Führungskräfte fürchten oft Kontrollverlust, mangelnde Produktivität oder das Schwinden des Teamgefühls. Doch wer eingearbeitet und gewissenhaft ist, muss nicht kontrolliert werden. Und: Wer im Büro zuverlässig arbeitet, wird im Homeoffice nicht zum Low Performer.

Solchen Bedenken lässt sich vorbeugen, indem der Vertrag ein Widerrufsrecht für bestimmte, definierte Konstellationen vorsieht. "Der Arbeitgeber könnte die Erlaubnis widerrufen, wenn es nicht reibungslos läuft oder die Arbeit nicht erledigt wird", sagt 'Doris-Maria Schuster. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Pilotphase, etwa mit einem neuen Projekt, in der Sie noch vor dem Umzug zeigen, wie gut Sie auch von zu Hause aus arbeiten können.

Argument für die Mitarbeiterbindung

Man signalisiert durch das Gespräch, dass man dem Unternehmen treu bleiben und sich weiterentwickeln will. "Insofern könnte eine neue Arbeitssituation auf dem Land durchaus auch eine Aufstiegschance sein", sagt Stefanie Bickert. Vielleicht lerne der Arbeitnehmer remote zu führen, oder nehme eine Vorreiterrolle im Unternehmen ein.

Mittlerweile ist es in vielen Branchen Usus, an mindestens zwei Tagen die Woche von zu Hause aus zu arbeiten. "Diese gesellschaftliche Üblichkeit ist ein Argument für die Mitarbeiterbindung", sagt Doris-Maria Schuster. Wer hier keine Kompromisse eingehe, finde keine neuen Mitarbeitenden.

Alle Bedürfnisse befriedigen

Die Arbeitsprozesse sollten im neuen Zuhause reibungslos laufen, auch abseits urbaner Zentren. Funktioniert also das WLAN einwandfrei? Ist überall Empfang? Um auf dem Land tatsächlich eine höhere Lebenszufriedenheit zu erreichen, die bessere Produktivität und Arbeitszufriedenheit fördern könnte, sollten auch andere grundlegende Bedürfnisse geklärt sein.

Kann ein Kind in einer Kita untergebracht werden? Wie sieht es mit Einkaufsmöglichkeiten und ärztlicher Versorgung aus? Nur so lässt sich laut Stefanie Bickert die Doppelbelastung aus neuer Arbeits- und Lebensweise auffangen.

Ein weiteres Argument für den Umzug aufs Land: Aktuelle Forschung zeige Bickert zufolge, dass Arbeitszufriedenheit auch davon abhängt, wie gut fokussiertes Arbeiten möglich ist, ob man zwischendurch den Kopf frei bekommt, sozialer Austausch möglich ist und die Arbeit Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit zulässt.

"Gibt es auf dem Land mehr Möglichkeiten für Konzentrationsphasen, ist das für den Arbeitgeber wichtiger als geringere Lebenshaltungskosten oder Pendelzeiten.

Weitere Optionen einschätzen

Stellt sich die Führungskraft bei den Verhandlungen quer, muss man wissen, wo die eigenen Grenzen sind. Kann man der Doppelbelastung aus Arbeit und langen Anfahrtswegen standhalten, wenn die reine Arbeit im Homeoffice unmöglich ist? Wenn nicht, gilt es, die eigenen Chancen am Arbeitsmarkt einzuschätzen und zu schauen, ob man sich woanders verwirklichen kann.

Stefanie Bickert rät ohnehin, bei der Planung des Umzugs unabhängig vom aktuellen Arbeitgeber auch mitzudenken, welche anderen beruflichen Möglichkeiten es an dem neuen Ort gibt.  © Deutsche Presse-Agentur