In "Mother's Baby" spielt Marie Leuenberger eine Dirigentin, die nach der Geburt ihres Kindes kein Mutterglück empfindet. Ein Thema, über das sie bisher nie richtig nachgedacht habe, erzählt die deutsch-schweizerische Schauspielerin im Interview mit Keystone-SDA.

Marie Leuenberger, wovon handelt "Mother's Baby"?

Der Film erzählt von der Zeit unmittelbar nach der Geburt. Man bereitet sich ja so unglaublich fest auf die Schwangerschaft und die Geburt vor, doch auf das, was danach passiert, ist man nicht gefasst. Die Gesellschaft - und bei vielen trifft es auch tatsächlich zu - gibt vor: Nach der Geburt ist alles schön und die Mutter ist glücklich. Aber es gibt ja auch viele Unsicherheiten im neuen Lebensabschnitt. Die eigene Identität und die Partnerschaft etwa verändern sich auf einen Schlag. Der Film spielt mit diesen Irritationen, die sich mehr und mehr in Richtung Panik steigern können. Wer bin ich noch als Frau, in der Partnerschaft und wer ist das Wesen, das da vor mir liegt?

Der Film beginnt als Drama, wird zum Psycho-Thriller und endet im Horror. Ich habe nach dem Inhalt gefragt, weil ich nicht sicher bin, ob bei dieser Art von Inszenierung alle begreifen, wovon der Film tatsächlich handelt.

Ich beobachte ein gewisses Bedürfnis, einen Film einem Genre zuordnen zu können. Und "Mother's Baby" spielt mit den Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Vielleicht ist er ein psychologischer Thriller, mit einem bisschen Horror und einer Prise Science-Fiction. Ich persönlich finde es ganz aufregend, dass die Regisseurin und Autorin Johanna Moder sich die Freiheit nimmt, die Geschichte so zu erzählen, dass man sie in mehrere Genres einteilen kann. Man darf sich aber auch einfach auf die Story einlassen - und die erzählt eben von einer Frau, die anfängt, an sich und ihrem Umfeld zu zweifeln, während sie mit diesen Gefühlen komplett alleine gelassen wird.

Im Film "Mother's Baby" empfindet Julia, gespielt von Marie Leuenberger, kein grosses Mutterglück. © Handout/FreibeuterFilm

Warum hat Sie das Drehbuch überzeugt?

Mein erster Gedanke war: Wer denkt sich sowas aus? Doch schon beim Lesen spürte ich, dass in all den beschriebenen Alltagssituationen eine Spannung liegt. Ein Unwohlsein. Man fragt sich: Was ist mit dieser Frau, wer sind die anderen Leute? Ich war mir nie sicher, wer recht hat und wer nicht. Das fand ich faszinierend. Es ist alles leise, schleichend und unheimlich, ohne dass je ein Geist vorkäme oder so.

Eine zentrale Szene im Film ist die der Geburt.

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Genau, die haben wir in einem Take gedreht. Entsprechend bedurfte es einer Riesenchoreografie, damit alle rechtzeitig am richtigen Ort, die Requisiten pünktlich unter dem Tisch durchgereicht waren und das Baby im richtigen Moment zwischen meinen Beinen lag. Geprobt haben wir in einem Sitzungszimmer, das verlieh dem Ganzen natürlich eine gewisse Komik. Aber alle wissen: Das sind ganz prekäre Situationen. Wenn ich von meinen Geburten traumatisiert wäre, dann wäre das überhaupt nicht lustig gewesen, diese Szene zu spielen. Das Thema ist sehr fragil.

Sie drehten mit einem echten Baby. Wie ging das?

Wir hatten einen grossen Respekt davor, denn das Kind hat ja eine grosse Rolle, was viele Drehtage bedeutete. Wir haben rund drei Monate vor Drehbeginn ein Schwangeren-Casting durchgeführt. Das war sehr spannend, denn auch dort stellte sich die Frage: Wie wird das Kind, mit dem wir dann arbeiten werden? Am Ende drehten wir mit sehr ruhigen Zwillingsmädchen, deren Mutter ebenfalls sensationell entspannt war. Am ersten Drehtag waren die Babys drei Wochen alt und noch in einer ganz anderen Welt. Nach vier Wochen mit uns am Set wurden sie dann schon viel wacher. Es war wahnsinnig schön, so zu arbeiten, weil wir durch deren Präsenz alle auf dem Set ganz ruhig geworden sind.

Die Premiere von "Mother's Baby" war im Februar an der Berlinale, die Dreharbeiten liegen also schon eine Weile zurück. Wie hallt der Film in Ihnen nach?

Es gibt nach einer Geburt eine riesige Palette von Gefühlen abseits des Glücks - und die sind berechtigt. Keine Frau muss sich schämen, wenn sie nicht auf Anhieb glücklich ist, sobald das Kind da ist. Das gilt übrigens auch für Männer, die auf einmal nicht mehr wissen, wer ihre Partnerin ist. Es braucht so viel Verständnis und Toleranz und Grosszügigkeit. Wenn ich heute Familien sehe, dann schaue ich die Eltern an und frage mich, wie es ihnen wohl geht. Wie das neue Leben mit ihrem Kind sein mag. Darüber habe ich früher nicht so viel nachgedacht.

*Dieser Text von Miriam Margani, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.  © Keystone-SDA