Am Mittwoch hat das 78. Locarno Film Festival begonnen. An der Eröffnung lobte Kulturministerin Elisabeth Baume-Schneider den Mut der Festivalmacher. Am renommierten Filmfest am Lago Maggiore würden seit jeher umstrittene Werke gezeigt.

In diesem Jahr werfe der Dokumentarfilm "With Hasan in Gaza" mit Bildern aus dem Jahr 2001 einen "einzigartigen Blick" auf die Region, sagte die Bundesrätin am Abend.

Auch der Thematik des Iran stelle sich das Festival, und zwar mit der Projektion der ersten beiden Folgen der Mini-Serie "The Deal" des Schweizers Jean-Stéphane Bron. Die Serie ist dem Atomabkommen von 2015 gewidmet.

Seit seinen Anfängen in den 1940er Jahren habe sich das Festival ständig neu erfunden und dabei nicht gezögert, kontroverse Themen aufzugreifen, fuhr Baume-Schneider fort.

Während des Kalten Krieges beispielsweise habe das Locarno Film Festival Werken aus Osteuropa besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Und in den 1970er Jahren sei am Lago Maggiore mit dem Film "Berliner Bettwurst" von Rosa von Praunheim ein Pionierfilm zu LGBTIQ-Themen gezeigt worden.

Kino als "Einladung an die Empathie"

Die Präsidentin des Locarno Film Festival, Maja Hoffmann, betonte die zahlreichen Qualitäten des Filmschauens in der Gemeinschaft. Kino sei nicht nur Unterhaltung, sondern "ein Wunder", sagte Hoffmann. Das Kino offeriere den Zuschauenden Zeit. Zeit, um nachzudenken und zu verstehen. Das sei unabdingbar. Kino sei eine "Einladung an die Empathie", resümierte die Kunstsammlerin und Roche-Erbin.

Hoffmann hob auch die Einzigartigkeit des Filmfests am Lago Maggiore hervor: "Locarno embrasse le courage de l’inconnu" - "Locarno umarmt den Mut zum Unbekannten". Es gelte, das unabhängige Filmschaffen zu unterstützen.

Lobte den Mut der Festivalmacher in Locarno: Kulturministerin Elisabeth Baume-Schneider eröffnete am Mittochabend das international renommierteste Filmfestival der Schweiz. © KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Der Locarneser Stadtpräsident Nicola Pini erinnerte an die "Lösungen", die genau vor hundert Jahren in der Stadt am Langensee gefunden worden seien. "Es ist ein spezielles Jahr für Locarno." Hier seien mit der Friedenskonferenz von Locarno im Oktober 1925 Ideen für das Gleichgewicht Europas entstanden, aber ebenso neue Frustrationen geschaffen worden.

Der künstlerische Leiter Giona A. Nazzaro nahm Bezug auf aktuelle gesellschaftliche Strömungen. In der heutigen Welt sei man immer mehr für sich. "Wir können uns aber berühren und unsere Worte können sich treffen", sagte Nazzaro. Und genau das mache auch das Kino möglich. "Diesen Moment müssen wir pflegen", rief er dem Publikum entgegen. An einem Filmfestival zusammenzukommen, helfe der Filmkunst, zu leben - und letztendlich auch der Demokratie.

Auftakt auf der Piazza führt nach Armenien

Den Auftakt auf der Piazza Grande machte am Mittwochabend der französisch-armenische Film "Le Pays d'Arto" von Tamara Stepanyan. Der Film stellt eine Frau ins Zentrum, die auf einer Reise durch das Heimatland ihres verstorbenen armenischen Mannes dessen eigentliche Identität entdeckt.

Am elf Tage dauernden Filmfest sind über 220 Filme zu sehen, darunter 28 Schweizer Produktionen. Unter den im Hauptwettbewerb laufenden 18 Filmen findet sich auch der Schweizer Film "Le Lac" des Neuenburger Regisseurs Fabrice Aragno sowie die italienisch-schweizerisch-französische Produktion "Le Bambine".

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Am zu Europas wichtigsten Filmfestivals zählenden Anlass werden in diesem Jahr unter anderem die britische Schauspielerin Emma Thompson, der aus Hongkong stammende Schauspieler und Regisseur Jackie Chan sowie der amerikanische Schauspieler Willem Dafoe erwartet.  © Keystone-SDA