Berlin - Trau dich! Wer zum ersten Mal im neuen Lamborghini Temerario sitzt, der hat immer wieder die Worte des Entwicklungschefs Rouven Mohr im Ohr, der einen zu hohen Drehzahlen ermuntert.
Klar, hat das radikal gezeichnete Coupé, das in diesem Herbst den Huracán beerbt, schon kurz jenseits des Leerlaufs mehr als genug Leistung. Schliesslich reden wir von einem Sportwagen, der sich gegen Autos wie den McLaren Artura oder den Ferrari 296 GTB um die Pole-Position unter den Supersportwagen mit Plug-in-Hybrid bewirbt.
Deshalb läuft man Gefahr, dass man der achtstufigen Doppelkupplungsautomatik die Verantwortung überlasst oder viel zu früh selbst zu den Schaltwippen greift, die links und rechts von Lenkrad liegen - und dann das Beste verpasst. Denn erst, wenn die Digitalanzeige über die 7.000, 8.000 Touren züngelt, beginnt ein Zauber, der einem den famosen Zehnzylinder aus dem Vorgänger vergessen lässt.
Dann wird der neue V8-Motor zur Drehorgel im Temporausch, der bei Sportwagenliebhabern die Ohren klingeln und das Herz hüpfen lasst. Kein anderer Achtzylinder-Turbo klingt so sehr nach Sauger, ist so leidenschaftlich und so extrem wie dieser Kraftprotz aus Sant'Agata.
Die Liebe zu den Extremen
Aber genau darum geht es bei Lamborghini, wo sie mehr als bei Ferrari und jedem andern Sportwagenhersteller die Extreme lieben, auffallen und dafür auch mal anecken wollen. Das sieht man dem Temerario auf den ersten Blick an, wenn er in diesem Herbst zu Preisen ab 307.500 Euro den Huracán beerbt.
Denn genau wie sein Vorgänger ist auch der neue Zweisitzer ein ebenso flacher wie scharfer Donnerkeil, der seine Konkurrenten brav und bieder aussehen lässt - selbst wenn er jetzt einen politisch nicht mehr ganz so inkorrekten Motor hat.

Dieser kann als Plug-in im Zusammenspiel mit einer 3,8 kWh grossen Pufferbatterie im besten Fall zwölf Kilometer elektrisch fahren und an der Steckdose parken. Und nicht nur das Design sticht heraus, sondern auch die Systemleistung von 676 kW/920 PS dürfte konkurrenzlos sein.
Mehr Komfort beim Sport
Lamborghini lindert die Trauer über den Abschied vom V10-Motor aber nicht allein mit einem Leistungssprung. Schliesslich kommt schon der vier Liter grosse V8 auf 588 kW/800 PS und überflügelt damit die bestenfalls 470 kW/639 PS des Huracán mehr als deutlich. Und da sind die 220 kW/299 PS der beiden E-Motoren an der Vorderachse noch gar nicht mit gerechnet. Und auch nicht der Generator im Getriebe.
Sondern mit dem neuen Antriebskonzept wächst auch die Kabine. Wieder wie ein Flugzeugcockpit gestaltet mit einem Startknopf unter einer Schutzklappe und erstmals auch mit einem kleinen Bildschirm für den Beifahrer, bietet sie neben reichlich Carbon und Nappaleder endlich ein bisschen Knie- und Kopffreiheit und der Platz reicht jetzt auch für einen Helm.
Helm auf zum Vollgas-Gebet
Den kann man bei der Jungfernfahrt gut gebrauchen - schliesslich findet die auf der Rennstrecke statt. Dort kann der Temerario zwar sein Tempo-Potenzial gar nicht voll ausschöpfen, weil die Start-Ziel-Gerade viel zu kurz ist für die maximal möglichen 343 km/h. Und selbst der Sprintwert von 2,7 Sekunden bleibt ungeprüft, weil in der Boxengasse Tempo 50 gilt und es danach einen fliegenden Start gibt.
Doch dafür zeigt der Lamborghini hier ein paar andere Talente, die ihn weitaus besser machen als den Vorgänger. Mit der elektrisch angetriebenen Vorderachse fährt er sicherer denn je, leistet sich aber der variablen Momentenverteilung sei Dank trotzdem manch lasziven Heckschwung und ist jederzeit zum Drift bereit. Jedoch ist er dabei immer gut beherrschbar und sofort wieder auf Kurs.

So ist er viel handlicher und agiler als der Huracán und lässt auch seinen grossen Bruder Revuelto ganz schön alt und vor allem schwer aussehen. Von den rund 1,7 Tonnen jedenfalls ist nicht viel zu spüren und auch nicht von den 4,71 Metern Länge. Für einen Moment fühlt man sich fast wie in einem leichten Lotus und nicht wie in einem Lamborghini, wenn der Temerario durch die Schikanen fliegt, in den Kehren kurz aber heftig anbremst und danach wieder mit Vollgas bis zur nächsten Kurve sprintet.
Physik hat sich nie so flüchtig angefühlt und die Synapsen im Kopf kommen da kaum mehr mit, so hoch dreht nicht nur das Kraftwerk im Heck, sondern auch die Adrenalinpumpe im Körper.
Fazit: Der V10 geht, die Faszination bleibt
Er sieht scharf aus wie eh und je, hat fast ein Drittel mehr Leistung als der Vorgänger und fährt besser - schon damit lässt der Temerario die Abschiedstränen für den Huracán mit V10-Motor schnell versiegen.
Und dass er dann auch noch so hoch dreht und fast so klingt wie ein Sauger, rettet selbst die alte Faszination in eine neue Zeit. Das dürfte allen, die ihn zahlen können, locker den stolzen Preis wert sein.
Empfehlungen der Redaktion
Datenblatt: Lamborghini Temerario
Motor und Antrieb: | V8-Biturbo-Benziner mit drei E-Motoren |
Hubraum: | 3.995 ccm |
Max. Leistung (System): | 676 kW/920 PS |
Max. Drehmoment: | 730 Nm (V8) |
Antrieb: | Allradantrieb |
Getriebe: | Achtgang-Doppelkupplung |
Masse und Gewichte | |
Länge: | 4.707 mm |
Breite: | 1.996 mm |
Höhe: | 1.201 mm |
Radstand: | 2.658 mm |
Leergewicht: | 1.690 kg (trocken) |
Zuladung: | k.A. |
Kofferraumvolumen: | k.A. |
Fahrdaten | |
Höchstgeschwindigkeit: | 343 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 2,7 s |
Durchschnittsverbrauch: | k.A. |
Reichweite: | k.A. |
CO2-Emission: | k.A. |
Kraftstoff: | Super |
Batteriekapazität: | 3,8 kWh |
Elektrische Reichweite: | 12 km |
Schadstoffklasse: | Eu6 |
Energieeffizienzklasse: | k.A. |
Kosten | |
Basispreis des Lamborghini Temerario: | 307.500 Euro |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | k.A. |
Wichtige Serienausstattung | |
Sicherheit: | Sechs Airbags, Abstandsregelung, Spurführungshilfe, Müdigkeitswarner |
Komfort: | Volllederausstattung, Klimaautomatik, Beifahrer-Display |
© Deutsche Presse-Agentur