Dubai - Man muss der Vision V nur nahe treten - schon öffnen sich die Türen von Geisterhand. Was sich da nach einer spektakulären Lightshow auftut, das ist der bislang prunkvollste und zugleich geräumigste Mercedes und lässt selbst einen Maybach bescheiden wirken. Von einer S-Klasse ganz zu schweigen.
Offiziell ist das 5,50 Meter lange Raum-Schiff, das in der Wüste von Dubai präsentiert wird, noch eine Studie. Und mit all ihrem Ornat aus Chrom und LED stellt sie selbst den Wolkenkratzer Burj Khalifa in den Schatten.
Doch weil es Mercedes ernst meint mit der Vision V und die nächste V-Klasse tatsächlich zu einem Space Shuttle in Smoking machen will, geht das Showcar nur wenige Wochen nach der Weltpremiere in Shanghai jetzt in den Emiraten auf Vorführfahrt.
Märchenstunde in der Designerliege
Die beginnt, wie es sich für eine Chauffeurs-Limousine gehört, natürlich im Fond, den man fast aufrecht betritt und sich bequem vor den Sitzen drehen kann. Schliesslich hat Mercedes hier keine zwei Bänke reingeschraubt wie in der aktuellen V-Klasse, sondern sich trotz der über drei Meter Radstand auf zwei Designersessel beschränkt. Die könnten jedes Möbelhaus schmücken. Zudem sind sie ungeheuer bequem. Und auf Knopfdruck verwandeln sie sich in Liegen.
Kaminfeuer bei 40 Grad im Schatten
Kurz bevor man darin davondämmert, schaltet ein dienstbarer Geist die Aussenscheiben und die Trennwand zum Fahrer trüb und lasst über die gesamte Fahrzeugbreite einen Bildschirm aus dem Boden surren. Mit 42 Lautsprechern und sieben Projektoren wird die V-Klasse so zum Kino auf Rädern. Es müsste nur bei 40 Grad im Schatten nicht gerade ein digitales Kaminfeuer sein, dass aktuell da prasselt.

Aber auf Knopfdruck streamt der Server ja etwa auch "Ice Age", bittet zum Karaoke-Wettbewerb oder holt die neusten Spiele ins Auto. Und wer analoge Unterhaltung schätzt, der greift aus dem gläsernen Sideboard das Designer-Schach, stösst auf den Sieg mit einem Kaltgetränk aus der Minibar an oder spült die Niederlage mit einer Spirituose herunter.
So oder so geniesst man dabei ein Fahrerlebnis, bei dem nichts die Ruhe stört. Denn mit dem flüsterleisen Elektroantrieb fühlt man sich wie in Watte gepackt und mit der Luftfederung wie auf Wolken gebettet.
Sechsstellige Preise vorprogrammiert
Der riesige Bildschirm aus dem Boden, die Minibar hinter Glas und das Schachspiel werden zwar auf dem Weg in die Serie womöglich verschwinden. Aber was bleibt, das ist das riesige Platzangebot und der Premiumanspruch, der sogar ein Maybach-Logo rechtfertigen könnte - und Preise, die dann schnell ins Sechsstellige gehen.
Neue Plattform für alle Vans von Smoking bis Blaumann
Was ebenfalls bleibt oder in diesem Fall sogar erst noch kommt, das ist die Technik unter dem Blech. Denn nachdem die Van-Sparte bei Mercedes die Generation E bislang nur mit mehr oder minder halbherzigen Umrüstungen geködert hat, bringen die Schwaben jetzt eine dezidierte Elektro-Plattform an den Start.
Nachdem die Studie noch von Hand gebaut wurde und deshalb kaum mehr als Schritttempo auf abgesperrter Strecke schafft, soll diese dann nicht nur die Luxusversion der V-Klasse tragen, die als VLS schon nominell an die S-Klasse heranrückt. Sondern sie bildet auch die Basis für den bürgerlichen VLE für Familien und Fahrdienste. Und die Nachfolger von Vito und Sprinter schultert sie gleich mit. Die ersten Serienfahrzeuge dürfte Mercedes im nächsten Frühjahr zeigen, dann aber vermutlich noch nicht gleich die Luxusversionen.

500 Kilometer und mehr
Dafür baut Mercedes einen 800-Volt-Akku ein, der im besten Fall mehr als 500 Normkilometer Reichweite bietet und mit über 350 kW laden kann. Es gibt ein oder zwei Motoren mit wahrscheinlich mehr als 400 kW/544 PS, und eine Hinterachslenkung, mit der man den VLS selbst in engen Hoteleinfahrten mühelos rangieren kann - eine Eigenschaft, die beim grosszügigen Baustil Dubais eher nebensächlich ist.
Fazit: Endlich auch ein Angebot aus Europa
Ein Van wie eine Luxuslimousine? Neu ist die Idee der Raum-Schiffe im Smoking nicht. Sondern vor allem in Japan, Korea und China boomt das Segment und die Grossraumlimousinen von Herstellern wie Toyota und der vornehme Schwester Lexus, Kia, Denza oder Li Auto machen traditionellen Chef-Limousinen schwer zu schaffen.
Doch mit dem VLS ist Mercedes der erste europäische Hersteller, der sich dieses Segments ernsthaft annimmt und die Grossraumlimousine gar vollends von Lieferwagen-Image befreit. Und wenn sie es richtig machen, setzten sie sich sogar an die Spitze - und bringen den Raum-Kreuzer dafür gleich als Maybach. © Deutsche Presse-Agentur