Die Gaming-Plattform Roblox steht in der Kritik: Cybergrooming, verstecktes Glücksspiel und mangelnder Kinderschutz werfen Fragen auf. Was sind die konkreten Risiken – und was können Eltern tun?

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sonya Winterberg (RiffReporter) sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In einer Welt, in der digitale Räume zunehmend die sozialen und emotionalen Erfahrungswelten unserer Kinder prägen, stellt sich die Frage: Wie viel Kontrolle ist möglich und wie viel Vertrauen notwendig?

Die Spieleplattform Roblox gilt als der grosse Tummelplatz der Generation Z. Doch hinter der bunten Oberfläche verbergen sich komplexe Dynamiken. Wie umgehen mit der Ambivalenz zwischen Spielespass, Kreativität und dem damit verbundenen Risiko schier grenzenlosen Zugriffs auf Kinder und Jugendliche? Braucht es eine neue Form digitaler Elternschaft?

Es ist noch nicht so lange her, da waren "Minecraft" und "Fortnite" das nächste grosse Ding. 2014 kaufte Microsoft den "Minecraft"-Entwickler Mojang für 2,5 Milliarden US-Dollar, der heute auf 4,5 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Die Firma Epic Games hinter "Fortnite", einem sogenannten Koop-Survival-Shooter-Spiel, soll rund 32 Milliarden US-Dollar wert sein. Was an sich schon astronomische Summen sind, wird von Roblox bei Weitem getoppt. Derzeit wird der Gaming-Gigant mit knapp 82 Milliarden US-Dollar beziffert.

Die bunte Welt von Roblox

Roblox ist auf vielen Geräten verfügbar, darunter Windows, macOS, iOS, Android, Xbox, PlayStation, und kann auch mit Virtual-Reality-Brillen genutzt werden. Wer sich auf Roblox einloggt, betritt eine Welt aus bunten Avataren, blockartigen Landschaften und auf den ersten Blick harmlosen Mini-Games. Es wirkt verspielt, fast naiv und ein bisschen wie ein digitales Lego-Universum.

Doch Roblox ist nicht nur ein simples Spiel, sondern auch ein soziales Netzwerk, ein hochlukrativer Marktplatz, Ort der Selbstdarstellung und der Interaktion. Für Millionen Kinder weltweit ist Roblox längst selbstverständlicher Teil ihres Alltags geworden. Mehr als drei Millionen Entwickler, Profis wie Amateure, erstellen innerhalb der Plattform Spiele, kommunizieren mit den Nutzern in Gruppen, organisieren Events und handeln mit der systemeigenen Währung Robux. Denn während Roblox einerseits eine kostenlose Plattform ist, regiert auch hier das Geld die bunte Digi-Welt.

Die besondere Faszination liegt darin, dass Roblox seinen Nutzern erlaubt, eigene Spiele zu programmieren, virtuelle Räume zu gestalten und sich mit anderen auszutauschen. Es ist ein kreativer Baukasten, der die Grenzen zwischen Konsum und Produktion aufhebt. Kinder und Jugendliche in den Kernzielgruppen der 7- bis 15-Jährigen sind hier nicht nur Spieler, sondern auch Entwickler, Designer, Unternehmer. Sie lernen, wie man Inhalte erstellt, Aufmerksamkeit generiert, wie man sich in einer digitalen Öffentlichkeit bewegt. Das ist, rein pädagogisch betrachtet, durchaus bemerkenswert.

Verbraucherschützer warnen vor Cybergrooming

Doch diese Offenheit hat ihren Preis. Denn wo Inhalte nicht kuratiert, sondern dezentral erstellt werden, können auch problematische Räume entstehen. Für Kinder, die sich unbeaufsichtigt durch die Plattform bewegen, besteht die Gefahr, auf Sex, Gewalt und Pornografie zu stossen. Hinzu kommt die soziale Dimension: Über Chatfunktionen, Gruppenräume und private Nachrichten treten Kinder in direkten Kontakt mit Fremden. Besonders heikel wird es, wenn Kinder ihr Alter falsch angeben, um Zugang zu erweiterten Funktionen zu erhalten. Dadurch umgehen sie automatisch bestimmte Schutzmassnahmen, die für jüngere Nutzer vorgesehen sind.

In der Vergangenheit kam es bereits zu dokumentierten Fällen von sogenanntem Cybergrooming, bei denen sich Erwachsene als Kinder ausgaben, um mit Minderjährigen in Kontakt zu treten. Die Gefahr ist real, warnen Verbraucherschützer, subtil und selbst für Erwachsene nicht immer einfach zu erkennen. Pädokriminelle User verbinden ihre Kontaktaufnahme in der Regel mit der Aufforderung zur Geheimhaltung gegenüber den Eltern, bevor sie sexuelle Handlungen in der digitalen Welt oder sogar persönliche Treffen initiieren.

Die Akte Roblox in den USA

In den vergangenen Monaten geriet Roblox in den USA massiv unter Druck. Derzeit laufen mehrere Gerichtsverfahren, weil sich das Unternehmen jahrelang nicht ausreichend um die Sicherheit seiner Nutzer gekümmert haben soll. So reichte die Generalstaatsanwältin von Louisiana, Liz Murill, Klage gegen das Unternehmen ein. Darin wirft sie dem Unternehmen vor, Kinder nicht ausreichend vor sexueller Ausbeutung und gefährlichen Inhalten zu schützen. Die Klage stützt sich auf konkrete Fälle, in denen mutmassliche Täter über Roblox Kontakt zu Minderjährigen aufgenommen haben, teils mit Hilfe von Stimmverzerrungstechnologie und manipulativen Spielinhalten.

Besonders brisant: Einige der kritisierten Inhalte – etwa das Spiel "Escape to Epstein Island" – waren sehr leicht zugänglich und wurden erst nach grossem öffentlichen Druck entfernt. Die Plattform wurde zudem dafür kritisiert, sogenannte Vigilante-Nutzer zu sperren – also Personen, die auf eigene Faust versuchten, Täter zu entlarven und zur Strecke zu bringen. Einer dieser Nutzer, ein YouTuber namens Schlep, behauptet, durch seine Aktionen mehrere Festnahmen ermöglicht zu haben. Roblox hingegen argumentiert, dass solche Methoden gefährlich seien und gegen die Plattformregeln verstossen. Schlep wurde von Roblox ausgeschlossen und verklagt nun das Unternehmen. Die Kanzlei, die ihn dabei verteidigt, berichtet von rund 500 Fällen, die allein ihr bekannt seien, in denen Kinder auf Roblox ausgebeutet wurden.

Die Kontroverse wird durch eine geplante Dokumentation des TV-Journalisten Chris Hansen weiter angeheizt. Hansen, bekannt durch die Reality-Serie "To Catch a Predator" (dt.: "Wie man Sexualtäter fängt"), will ebenfalls die Sicherheitslücken von Roblox öffentlich machen und so Eltern sensibilisieren. Die Diskussion hat inzwischen US-Regierungskreise erreicht und einige Politiker fordern mehr Kontrolle. Eine Petition zur Absetzung von Roblox-CEO David Baszucki sammelte in kurzer Zeit eine knappe Viertelmillion Unterschriften.

Roblox weist die Vorwürfe zurück und verweist auf umfangreiche Sicherheitsmassnahmen. Nach Unternehmensangaben wurden allein im letzten Jahr über 40 neue Funktionen eingeführt, darunter Altersverifikation per Video, strengere Chatfilter und erweiterte Elternkontrollen. Zudem arbeitet Roblox mit Strafverfolgungsbehörden und Organisationen wie dem National Center for Missing and Exploited Children zusammen, um verdächtige Aktivitäten zu melden und zu verfolgen.

Angesichts der enormen Nutzerzahlen und komplexen sozialen Dynamiken innerhalb der Plattform bleibt der Kern der Kritik jedoch bestehen: Viele Eltern und Experten bezweifeln, dass die bisherigen Massnahmen ausreichen, um Kinder wirklich zu schützen.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fliessen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäss dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Virtueller Finanzraum und Glücksspiel

Roblox liefert ein wahrhaftiges Lehrstück über die Mechanismen digitaler Plattformökonomie. Die virtuelle Währung Robux erlaubt es beispielsweise, Kleidung, Accessoires oder, ähnlich wie ein Eintrittsgeld, Spielzugänge zu erwerben – und zwar mit echtem Geld. Viele Spiele sind so gestaltet, dass sie Kinder gezielt zum Kauf innerhalb der App verleiten. Diese In-Game-Käufe mit sogenannten Lootboxen, quasi digitaler Beute, kommen Glücksspiel gleich.

Die virtuelle Währung kann ganz einfach in Form von Gutscheinkarten in vielen Geschäften mit Bargeld erworben werden. Psychologische Mechanismen wie künstliche Verknappung, Belohnungssysteme oder exklusive Angebote erhöhen den ohnehin grossen Druck der eigenen Altersgenossen, mitzumachen. Ohne elterliche Kontrolle kann das schnell teuer werden. Kinder lernen früh, sich digitale Anerkennung mit finanziellen Mitteln zu erkaufen.

In Deutschland sieht die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) aus diesen Gründen Roblox als jugendschutzrelevant an und hat Anfang 2025 die Altersfreigabe auf 16 Jahre erhöht. Konsequent befolgt würde das die deutsche Kernzielgruppe komplett vom Spiel ausschliessen. Wie realistisch dies umzusetzen ist, bleibt offen. In Deutschland hat zudem die Verbraucherzentrale Bundesverband Klage gegen Roblox eingereicht, da es unerlaubte Kaufaufforderungen an Kinder enthalte.

Kinder beim Entdecken virtueller Räume begleiten

Was also tun? Eine mögliche Antwort liegt nicht in pauschaler Ablehnung, sondern informierter Begleitung. Eltern sollten sich mit der Plattform vertraut machen, gemeinsam mit ihren Kindern einen Account erstellen und dabei das korrekte Geburtsdatum angeben. Roblox empfiehlt die Plattform ab 13 Jahren, blockiert aber den Zugang für Jüngere nicht. Viele Schutzfunktionen sind altersabhängig und greifen nur bei korrekter Angabe. Die Kindersicherung von Roblox erlaubt es, Inhalte zu filtern, Kommunikationsmöglichkeiten einzuschränken und private Nachrichten zu deaktivieren. Diese Einstellungen sollten regelmässig überprüft und angepasst werden.

Empfehlungen der Redaktion

Darüber hinaus empfiehlt es sich, neue Spiele auf der Plattform gemeinsam zu testen. Ein kurzer Blick genügt oft, um zu erkennen, ob ein Spiel gewaltfrei ist, auf In-Game-Käufe abzielt oder die Kommunikation mit Fremden erlaubt. Auch die Robux-Käufe lassen sich kontrollieren: Eltern können Limits setzen, die Zahlungsfunktion deaktivieren oder mit Prepaid-Guthaben arbeiten, um Ausgaben zu begrenzen.

Doch technischer Schutz allein genügt nicht. Entscheidend ist die Qualität der Kommunikation. Kinder sollten wissen, dass sie sich jederzeit an ihre Eltern wenden können, wenn sie etwas Verstörendes erleben oder sich unwohl fühlen. Gespräche über Online-Risiken, Datenschutz und respektvolles Verhalten im Netz sind essenziell. Dabei geht es nicht um Panikmache, sondern um Aufklärung und Vertrauen. Kinder brauchen keine ständige Kontrolle, sondern Begleitung und das Gefühl, dass sich ihre Eltern für ihre digitale Welt interessieren.

Sicher spielen auf Roblox: Elterninfos

  • Altersfreigabe und Inhalte prüfen: Roblox ist offiziell ab 13 Jahren empfohlen, doch viele Kinder spielen bereits deutlich früher. Da Inhalte nutzergeneriert sind, können auch Spiele mit problematischen Themen auftauchen. Roblox verwendet sogenannte Content Maturity Labels, die Inhalte nach ihrem Gewalt- und Sprachlevel einstufen. Eltern sollten diese Labels kennen und regelmässig prüfen, welche Spiele ihre Kinder nutzen.
  • Elternkontrollen aktivieren: Roblox bietet umfangreiche Einstellungen, mit denen Eltern Chats deaktivieren, Spielzeiten begrenzen und Ausgaben kontrollieren können. Diese Funktionen sollten konsequent genutzt und ebenfalls regelmässig überprüft werden.
  • Kommunikation fördern: Der wichtigste Schutz ist das offene Gespräch. Kinder sollten wissen, dass sie sich bei unangenehmen Erfahrungen jederzeit an ihre Eltern wenden können. Gemeinsames Spielen kann helfen, Vertrauen aufzubauen und Risiken besser zu verstehen.
  • Technische Massnahmen ergänzen: Geräte sollten bei jüngeren Kindern in gemeinschaftlich genutzten Räumen stehen, Updates regelmässig durchgeführt und Sicherheitssoftware installiert sein. Auch die Nutzung von Roblox Premium oder Robux sollte transparent und altersgerecht erfolgen.
  • Auf externe Links achten: Einige Spiele und Nutzer versuchen, Kinder auf externe Plattformen umzulenken, zum Beispiel Discord oder private Webseiten. Solche Versuche sollten ernst genommen und gegebenenfalls unterbunden werden.
  • Medienkompetenz stärken: Roblox kann ein wertvoller Lernraum sein – etwa für erste Programmiererfahrungen oder kreative Projekte. Eltern sollten diese Chancen nutzen, aber gleichzeitig die Medienkompetenz ihrer Kinder fördern: Was ist Werbung? Was sind sichere Kontakte? Wie erkennt man Manipulation? Wie kann ich sicher sein, dass neue Freunde wirklich Altersgenossen sind?

Fazit

Roblox ist ein Spiegel unserer digitalen Gegenwart: grenzenlos, kreativ, aber auch anfällig für Missbrauch. Eltern, die sich informieren und aktiv begleiten, können dabei selbst Dinge lernen und einiges bewirken. Die Plattform bietet dazu Werkzeuge, aber sie müssen genutzt werden. Wer Roblox nur als harmlosen Zeitvertreib betrachtet, unterschätzt die Komplexität. Wer es verteufelt, verpasst Chancen.

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  • Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und Stiftung Digitale Spielekultur haben zum Start der Gamescom 2025 in Köln einen neuen Ratgeber für Eltern zum sicheren Umgang mit digitalen Spielen veröffentlicht: "Games? Na sicher!"

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Verwendete Quellen

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