Berlin/Freiberg - "Sauerteig ist eigentlich die Eier legende Wolllmilchsau im Brot", sagt Lutz Geissler, Blogger und Brotbackbuch-Autor. "Er lockert das Brot, bringt einen komplexeren Geschmack hinein als jedes andere Lockerungsmittel, die Inhaltsstoffe des Teiges werden für unseren Körper verfügbar gemacht und er macht das Brot frischer und haltbarer."

Mehr zum Thema Ernährung

Sauerteig gibt es zwar auch im Supermarkt zu kaufen – dass selber züchten besser ist, ist nach Ansicht des Brot-Experten klar. "Der selbst Gemachte lebt und der im Supermarkt ist tot. Er wurde erhitzt und dient nur noch dazu, etwas Säure in den Teig zu bringen", sagt Lutz Geissler. Doch wenn man Sauerteig selbst ansetzt, "hat man alle Zügel in der Hand und kann ihn auch schön mild machen", schwärmt der Brotpapst.

Doch wie geht das mit dem Selbermachen? Eigentlich ganz simpel, man braucht nur Mehl und Wasser. "Auf jeden Fall Bio-Mehl nehmen", empfiehlt Sonja Bauer, Food-Bloggerin und ebenfalls Backbuchautorin. Ihre Begründung: "Ansonsten können durch die Randschichten des Korns auch Pestizide enthalten sein." Sie rät zu Vollkornmehl, etwa Roggen, Weizen oder Dinkel. Ihr Alternativvorschlag: "Was auch gut funktioniert, ist ein mittelhell ausgemahlenes Roggenmehl, also etwa Type 1150."

Konsistenz sollte nicht ganz flüssig sein

Nun werden Mehl und Wasser vermischt: "Bei Roggen sind es 50 Gramm Mehl und 50 Gramm Wasser", sagt Lutz Geissler und beschreibt die Konsistenz: "Sie sollte etwa wie Mörtelmasse sein, sodass man noch gut mit dem Löffel durchkommt, es aber nicht flüssig ist." Die Geburt eines ganz neuen Sauerteigs dauere insgesamt drei bis fünf Tage, sagt er, "lieber ein bisschen länger als zu kurz."

Sauerteig in Gläsern
Die "Geburt" eines Sauerteigs dauert drei bis fünf Tage. In der Zeit muss er immer wieder mit Mehl und Wasser gefüttert werden. © dpa / Hubertus Schüler/Becker Joest Volk Verlag/dpa-tmn

Das Prinzip: Immer wieder füttern und ansonsten in Ruhe lassen. "Stellen Sie ihn am besten an einen möglichst warmen Ort", sagt Sonja Bauer. Das sollten nicht weniger als 22 Grad sein: "Ideal sind aber 26 bis 28 Grad." In der Regel bekommt der Sauerteigansatz für ein paar Tage alle 24 Stunden neues Mehl und Wasser.

"Wichtig ist jedoch, dass man ihn füttert, wenn er Nahrung braucht", sagt Lutz Geissler. Sein Tipp: immer dann, wenn der Teig sich im Volumen etwa verdoppelt hat. Das kann anfangs länger als 24 Stunden dauern, später auch schon mal nach zwölf oder acht Stunden der Fall sein. "In der ersten Woche ist es wichtig, dass man ihn beobachtet", sagt er. Das Schöne sei: "Man macht so eine Sauerteig-Geburt nur einmal im Leben, danach ist der Aufwand geringer."

Zwei Methoden fürs 50-50-Futter

Gefüttert werden immer wieder 50 Gramm Mehl und 50 Gramm Wasser. Entweder erhöht sich damit die Sauerteigmenge – praktisch, wenn man zum Backen am Ende ein paar hundert Gramm braucht. Man könne aber auch nach zwei oder drei Tagen zum Beispiel 25 Gramm vom Sauerteigansatz abnehmen und diesem das 50-50-Futter geben, erklärt Lutz Geissler.

Sonja Bauers Methode wiederum funktioniert nach dem Schema 1:1:1. Nachdem sie je 50 Gramm Mehl und Wasser gemischt hat, nimmt sie nach 24 Stunden 50 Gramm von diesem Sauerteigansatz ab und fügt wieder je 50 Gramm Mehl und Wasser hinzu, dasselbe an den Tagen darauf. Wie oft man das Prozedere wiederholt, hängt davon ab, was man mit dem Teig vorhat. Bei Sonja Bauer etwa dauert das bis zum ersten Brot fünf bis sieben Tage.

Zutaten für Sauerteigbrot - Mehl, Sauerteig, Wasser
Die Zutaten fürs Sauerteigbrot bestehen eigentlich nur aus Mehl und Wasser. Falls vorhanden, kommt auch Sauerteigansatz (Anstellgut) und je nach Rezept etwas Salz und Hefe hinzu. © dpa / Christin Klose/dpa-tmn

Bläschen und angenehmer Duft - dann läuft's

Dass die Mikroorganismen im Sauerteig zugange sind, sieht man an kleinen Bläschen, die sich nach ein bis zwei Tagen bilden. Ein fertiger Sauerteig riecht nach einigen Tagen des Fütterns angenehm. "Wenn er nicht muffig riecht wie ein alter Schuh oder nach Nagellackentferner, sondern ganz frisch säuerlich-fruchtig, dann kann man ihn verwenden", beschreibt Lutz Geissler.

Entweder wird direkt gebacken. Oder es kommen laut Lutz Geissler 50 bis 100 Gramm in ein Schraubglas in den Kühlschrank. Das ist das sogenannte Anstellgut, aus dem sich innerhalb kurzer Zeit wieder ein verbackbarer Sauerteig herstellen lässt.

Das Sauerteig-Projekt: Das Rezept für Einsteiger

Für Einsteiger hat der Brotbäcker ein einfaches Rezept: 500 Gramm Sauerteig werden mit 360 g Mehl (z. B. Roggenvollkorn- oder helles Roggenmehl) sowie 220 g warmem Wasser und 13 g Salz vermischt. "Der Teig sollte von der Konsistenz wie eine streichfähige Leberwurst sein", sagt Geissler. In eine Kastenform geben und mit Wasser glattstreichen. An einem warmen Ort 2,5 bis 3 Stunden gehen lassen, dann sollte der Teig etwa um gut die Hälfte der Ausgangsmenge gewachsen sein.

Anschliessend kommt das Brot bei 250 Grad Ober-Unterhitze für eine Stunde in den Ofen. Nach etwa zehn Minuten auf 200-210 Grad herunterregeln. Wer kann, backt mit Dampf, das sorgt für eine knusprige, dünne Kruste. Alternative: "Packen Sie für die erste halbe Backzeit einen Topf darüber", empfiehlt Geissler, der dabei gesteht: "Ich bin ein Roggenfan. Für mich ist ein reines Sauerteig-Roggen-Brot immer noch das Beste aller Brote." Sein Lieblingsrezept aus seinem aktuellen Backbuch ist daher auch ein Roggenbrot im Kasten. "Es geht einfach und ist lange frisch", schwärmt er.

Braucht es zusätzlich Hefe im Sauerteig?

Eine Frage stellt sich: Muss noch zusätzlich Hefe in ein Sauerteig-Brot? Eigentlich nicht, meinen die Expertin und der Experte. "Je mehr Hefe im Brot ist, desto schneller wird es altbacken", sagt Sonja Bauer. Sie selbst gibt daher maximal 5 Gramm Hefe in ein Sauerteig-Brot. Aber: "Hefe kann gerade einen jungen Sauerteig noch mal etwas unterstützen."

Buchcover "Brot backen in Perfektion" von Lutz Geissler
"Brot backen in Perfektion", Lutz Geissler, Sonderedition, Becker Joest Volk Verlag, 336 S., 60,00 Euro, ISBN: 978-3-95453-357-2. © dpa / Hubertus Schüler/Becker Joest Volk Verlag/dpa-tmn

Damit nicht immer wieder neu ein Sauerteig herangezogen werden muss, wird das Anstellgut aus dem Kühlschrank regelmässig aufgefrischt. Im Idealfall wird einmal pro Woche gefüttert, ob nun gebacken wird oder nicht. Lutz Geissler empfiehlt für ein reines Auffrischen, in ein neues Glas je 50 g warmes Wasser und Mehl zu geben – möglichst dasselbe Mehl, aus dem der Ansatz besteht – und dann eine Löffelspitze vom alten Sauerteigansatz einzurühren.

Wer backen will, füttert das Anstellgut zur benötigten Rezeptmenge an – plus noch etwas mehr für die etwa 50-100 g Anstellgut, die am Ende wieder in den Kühlschrank wandern. Beispiel: Braucht Sonja Bauer für einen Brotteig 250 g Sauerteig, nimmt sie 100 g Anstellgut und fügt je 100 g Wasser und Mehl hinzu. Bei diesem 1:1:1-Prinzip reicht eine Ruhezeit von etwa vier Stunden und der Sauerteig ist backfertig. Der Rest kommt als aufgefrischtes Anstellgut wieder in den Kühlschrank.

Die Mengen sind aber variabel: Genauso kann man auch nur 10 g oder 25 g Anstellgut nehmen und mit beispielsweise je 150 g füttern. Dann sollte der Teig aber länger, etwa über Nacht reifen. Ein bisschen muss also gerechnet werden. "Jeder macht es etwas anders", sagt Sonja Bauer. Ihr Tipp: Anfangs das gleiche Brot immer wieder backen, so bekommt man Erfahrung.

So wird der Sauerteig Urlaubs-fit

Übrigens: Eingefroren wird Sauerteig laut Sonja Bauer besser nicht. Für eine längere Pause, etwa während eines Urlaubs, füttert man das Anstellgut einfach mit mehr Mehl, sodass es fester ist. Eine Stunde abwarten und ihn dann möglichst kalt stellen. "Zum Beispiel im Kühlschrank ganz hinten auf der Glasplatte." Dann kann es nach dem Urlaub wieder losgehen.  © Deutsche Presse-Agentur