Anders als früher angenommen, leben Katzen nicht völlig ohne soziale Strukturen. Doch ihre Hierarchien funktionieren ganz anders als bei Hunden. Experten klären auf.
Die Vorstellung von der Katze, die immer ganz alleine lebt, ist längst überholt. Neue Erkenntnisse in der Tierforschung zeigen ein deutlich differenzierteres Bild des Katzenverhaltens. Besonders in Mehrkatzenhaushalten entstehen durchaus soziale Strukturen - nur funktionieren diese völlig anders als bei Rudeltieren wie Hunden.
Das Revier entscheidet, nicht der Rang
"Katzen sind territoriale Einzeljäger", erklärt die Biologin Saskia Schneider in "Petbook". Im Gegensatz zu Rudeltieren dreht sich ihr Sozialleben nicht um ein dominantes Alphatier, sondern primär um territoriale Ansprüche. Wie die Expertin weiter ausführt, hat jedes Revier ein Kerngebiet mit wichtigen Ressourcen wie Futter- und Schlafplätzen sowie ein Streifgebiet, das sich häufig mit dem anderer Katzen überschneidet.
Treffen zwei Katzen in einem solchen Überschneidungsbereich aufeinander, entscheidet laut Schneider nicht körperliche Stärke oder ein fester Rang über den Ausgang. Vielmehr geht es um die simple Frage: "Wer ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort?" Derjenige, der das Revier gerade beansprucht, erhält Vorrang – selbst wenn die andere Katze physisch überlegen wäre.
Flexible Hierarchien in Katzengruppen
Dennoch existieren auch bei Katzen soziale Strukturen. Besonders wildlebende Katzen schliessen sich häufig zu lockeren Verbänden zusammen, in denen sich Hierarchien entwickeln. Diese sind jedoch deutlich flexibler als bei anderen Tierarten.
Die Rangfolge orientiert sich an verschiedenen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Erfahrung. Ältere weibliche Katzen haben oft Vorrang beim Zugang zu Ressourcen. Bei Katern gestaltet sich die Situation kämpferischer: Nicht kastrierte Männchen legen ihre soziale Stellung in ritualisierten Auseinandersetzungen fest – meist laut und fauchend, aber selten blutig.
Katzentrainerin Petra Ott erläutert bei "Fressnapf", dass verschiedene Charaktertypen das Gruppengefüge prägen: der stabile Führende, die Diplomatin, der Spassvogel, die Diva oder der ängstliche Typ. Das Miteinander funktioniert demnach am besten, wenn jeder seine Rolle kennt und einhält.
Überraschend sei dabei oft, wer tatsächlich den Ton angibt. Laut Ott ist es selten der augenscheinlich dominante "Zampano", sondern eher der souveräne Artgenosse, der Menschen zunächst zurückhaltend erscheint. Probleme entstehen, wenn plötzlich von einer neuen Seite Führungsansprüche angemeldet werden – dann kann es zu Machtkämpfen kommen, die oft fälschlicherweise als Spielen interpretiert werden.
Rangordnungsthemen führen laut Ott häufig zu problematischen Verhaltensweisen. Unsauberkeit, Kratzmarkieren oder Aggressionsverhalten untereinander können Hinweise auf ungelöste Hierarchiekonflikte sein. Auch das sogenannte Pica-Syndrom – das Verspeisen von Nicht-Lebensmitteln – oder das Rolling-Skin-Syndrom – Überempfindlichkeit der Rückenmuskulatur und Zuckungen – lassen sich oft beobachten.
Geschlechtsunterschiede im Rudel
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren in Gruppendynamiken. Kater haben einen natürlichen Fortpflanzungsdrang, der dazu führen kann, dass sie Nachwuchs anderer Kater bedrohen, besonders bei Nahrungsknappheit.
Katzen hingegen, insbesondere verwandte Tiere, bilden oft schützende Allianzen. Sie unterstützen sich bei der Aufzucht und Verteidigung ihrer Jungen. Unter den weiblichen Katzen herrscht eine eigene Hierarchie, wobei erfahrene Mütter oft einen höheren Status geniessen.
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Bestimmte Rituale treten nur in Katzengruppen auf. Laut "Ein Herz für Tiere" empfängt die ranghöchste Katze regelmässig Köpfchenstubser von anderen Gruppenmitgliedern. Die rangniedrigere Katze beginnt normalerweise mit dieser Geste. Dieses Ritual dient nicht nur der symbolischen Anerkennung, sondern auch einem praktischen Zweck: Die Gerüche der Mitglieder werden vermischt und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Der Austausch von Duftmarken hilft dem Rudel zudem bei der Reviermarkierung. (ili)
Verwendete Quellen
- Fressnapf.de: Gibt es bei Katzen eine Rangordnung? Machtkämpfe im Mehrkatzenhaushalt
- Herz-fuer-tiere.de: Diese 6 Rituale üben Katzen nur im Rudel aus
- Petbook.de: Gibt es eine Rangfolge bei Katzen? Expertin erklärt
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