Herbstzeit ist Schnittzeit? Nicht unbedingt! Wer jetzt beherzt zur Gartenschere greift, riskiert Blütenverlust, Frostschäden und Wassertriebe bei Obstbäumen. Wir zeigen, wann der Rückschnitt wirklich sinnvoll ist – für gesunde Pflanzen und eine reiche Ernte.

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Der Herbst lädt dazu ein, den Garten noch einmal aufzuräumen und die Pflanzen in Form zu bringen. Doch nicht jeder Schnitt tut den Gehölzen gut. Wir erklären, warum viele Sträucher, Bäume und Hecken besser bis ins neue Jahr warten sollten und welche Ausnahmen es gibt.

#1: Herbstschnitt schwächt die Pflanzen

Viele von uns wollen einfach alles "schön ordentlich" schneiden. Doch Vorsicht: "Wenn man nach Mitte September Gehölze schneidet, kann die Wunde sich nicht mehr natürlich schliessen", warnt Hansjörg Haas, Diplom-Gartenbauingenieur und Buchautor aus Herbolzheim. Das bedeutet, dass die Schnittstellen bis in den Mai ungeschützt sind – und das macht die Pflanzen anfällig für Kälte, Schädlinge und Krankheiten.

Haas rät daher: "Nur störende Zweige, die in den Weg hängen, und Äste, die durch Schneebruch gefährdet sind, werden im Herbst geschnitten." Alles andere sollte warten.

#2: Blütenverlust bei Frühjahrsblühern vermeiden

Es gibt noch einen zweiten, wichtigen Aspekt, der gegen den Rückschnitt im Herbst spricht: die Frühlingsblüher. Pfeifenstrauch, Forsythie, Flieder und Haselnuss haben bereits die Blüten an den Trieben angelegt. Wer jetzt im Herbst die Triebe kürzt, schneidet unweigerlich die Blüten für das kommende Jahr weg.

Das gilt auch für klassische Bauernhortensien, Zierkirschen, Winterblüte und Glockenhasel. Daher lässt man bei diesen Gehölzen die Schere jetzt ruhen und sorgt im Anschluss an die Blüte für den erforderlichen Pflegeschnitt. Wichtig dabei: Die Nistaktivitäten der Vögel zu berücksichtigen.

#3: Alte Äste schützen die Pflanzen

Auch die älteren Äste haben ihre Aufgabe: "Das vorhandene ältere Astgerüst ist in den Wintermonaten Frost- und Sonnenschutz für die erwünschten Triebe", erklärt Haas. Einfach gesagt: Diese "alten Knochen" helfen den Pflanzen, den Winter zu überstehen. Wer sie zu früh entfernt, riskiert, dass die jungen Triebe frieren oder vertrocknen.

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Wann ist ein guter Zeitpunkt für den Rückschnitt?

Die Schnittsaison für Bäume und Sträucher beginnt Mitte bis Ende Januar. Dann sind meist alle trockenen Blätter abgefallen, und man kann das Astgerüst problemlos einsehen und sich einen Überblick fürs gezielte Ausdünnen und Einkürzen verschaffen.

Bei Obstgehölzen soll Licht in die Krone und an die Früchte kommen, bei Sträuchern die Vitalität erhalten und bei Zierbäumen Luft und Licht in das Astgerüst gebracht werden. An frostfreien Tagen schneidet man zunächst unempfindliche Gehölze – damit wird das Wachstum angeregt. Als Beispiele nennt Hansjörg Haas Hainbuche, Liguster, Apfel und Birne.

An erster Stelle steht das Entfernen von trockenem Holz und Zweigen, die beschädigt oder bedrängt werden. Wichtig ist, dass in den Gefässen noch keine Reservestoffe nach oben transportiert werden.

Erst Ende Februar bis März sind die empfindlicheren Gehölze, wie Hibiskus, Lavendel, Sommerflieder und Pfirsich dran.

Vorsicht bei Rosen: Erst im März schneiden

Ein Sonderfall sind die öfter blühenden Rosen, die tatsächlich erst im März geschnitten werden. Dabei wird der Rosenstock deutlich gekürzt und auch der bereits vorhandene Neuaustrieb entfernt. Sogenannte schlafende Augen werden durch den Saftstrom aktiviert und treiben innerhalb von wenigen Wochen kräftig und gesund aus. Wer im Herbst stark zurückschneidet, riskiert Frostschäden.

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"Hausmeisterschnitt" vermeiden: So bleiben Sträucher gesund

Sträucher lassen Jahr für Jahr junge Triebe aus der Wurzel wachsen. Leider wenden hier viele den sogenannten Hausmeisterschnitt an, bei dem nur die Spitzen halbrund geschnitten werden. Die Folge: nach einigen Jahren verkahlen die Sträucher von innen und der Strauch vergreist. Auch die Blühfreude lässt nach.

Hansjörg Haas empfiehlt regelmässig ein Viertel bis ein Drittel der ältesten Bodentriebe an der Basis zu entfernen. So bleibt die Pflanze über Jahre locker und luftig, sagt der Buchautor und ergänzt, dass diese Pflege nicht so arbeitsintensiv ist, wie der Rückschnitt der Spitzen.

Gut zu wissen: Bei Gehölzen hat häufig ein kräftiger Rückschnitt einen kräftigen Neuaustrieb zur Folge. Apfel und Birne entwickeln unzählige Wassertriebe, die zulasten der Ernte wachsen. Auch die Feige versucht den Verlust auszugleichen. Besser ist es, über den Sommer behutsam Äste herauszuschneiden, um Licht an die Früchte zu bringen, als den Baum im Herbst zu verstümmeln.

Ausnahme: Hecken im Herbst schneiden

Formale Hecken dürfen im Herbst ruhig nachgeschnitten werden, vor allem, wenn man möchte, dass die Konturen im Wintergarten schön ordentlich aussehen. Robuste Hecken wie Buche, Hainbuche, Feldahorn oder Eibe vertragen diesen Schnitt gut. Gleichzeitig bleiben die ungeschnittenen Gräser und Stauden stehen und bieten Vögeln, Igeln und anderen kleinen Tieren Schutz und Futter für den Winter.

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Tierschutz beim Rückschnitt: Lebensraum für Vögel und Igel

Beim Rückschnitt im Herbst solltest du auch an die tierischen Gartenbewohner denken. Dichte Hecken und alte Sträucher bieten Vögeln, Igeln und Insekten Schutz und Futter für den Winter. Wer zu früh und zu radikal schneidet, zerstört wertvolle Lebensräume.

Tipp: Schnittgut einfach im Garten liegen lassen oder als Totholzhecke stapeln – so entsteht ein natürlicher Unterschlupf, und die Pflanzenreste kommen noch den Tieren zugute.

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