Es kommt nicht nur darauf an, was wir essen, sondern auch darauf, in welcher Abfolge wir Lebensmittel essen – so der Ernährungsansatz Nutrient Sequencing. Doch was ist die richtige Reihenfolge und was sind die Vorteile?

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Wenn es um gesunde Ernährung geht, gibt es unzählige – und immer wieder neue – Konzepte und Ratschläge. Einige davon sind wissenschaftlich belegt, von anderen sollte man hingegen lieber die Finger lassen.

Das Konzept des Nutrient Sequencing ist ein Ernährungsansatz, bei dem Lebensmittel in einer bestimmten Reihenfolge gegessen werden. Die Ziele dabei: Den Blutzuckerspiegel stabilisieren, Heisshunger vermeiden, Nährstoffe besser aufnehmen und abnehmen. Doch was ist die richtige Reihenfolge beim Essen?

Das ist die richtige Reihenfolge beim Essen

Die klassische Mahlzeiten-Reihenfolge in Deutschland sieht so aus: Erst ein Salat, dann das Hauptgericht und anschliessend ein Nachtisch. Dieser Ansatz passt ganz gut zum Nutrient Sequencing. Denn die richtige Reihenfolge für Lebensmittel sieht nach dem Ernährungskonzept so aus:

  1. Ballaststoffe aus Gemüse und Salat
  2. Proteine aus Hülsenfrüchten, Eiern, Milchprodukten, Fleisch oder Fisch
  3. Kohlenhydrat, etwa aus Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Süssem

Durch diese Reihenfolge sollen die Ballaststoffe und Proteine den Magen zunächst füllen und damit quasi wie ein Filter im Darm wirken: Die Nahrung verbleibt länger im Magen, da die Verdauung von Ballaststoffen und Proteinen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Wenn erst anschliessend die Kohlenhydrate gegessen werden, soll die Spaltung und Aufnahme der Glukose in den Blutkreislauf langsamer passieren, was den Blutzuckerspiegel langsamer anstiegen lassen, die Bauchspeicheldrüse weniger belasteten und länger sättigen soll.

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Was sagt die Wissenschaft?

In den vergangenen Jahren gab es einige Forschende, die sich mit dem Nutrient Sequencing beschäftigt haben und tatsächlich positive Effekte durch die "richtige" Reihenfolge beim Essen belegen konnten.

In einer kleinen Studie aus dem Jahr 2017 wurden die Blutzucker- und Insulinwerte von 16 Diabetes-Patient:innen nach dem Frühstück untersucht. Das Frühstück bestand aus Kohlenhydraten, Gemüse und Proteinen. Nach dem Zufallsprinzip bekamen die Proband:innen entweder erst die Kohlenhydrate und 10 Minuten später die Proteine oder in umgekehrter Reihenfolge. Eine weitere Gruppe erhielt alle Komponenten zeitgleich. Die Ergebnisse zeigten, dass der Blutzuckeranstieg um 53 bis 54 Prozent niedriger war, wenn zuerst die Proteine und erst im Anschluss die Kohlenhydrate gegessen wurden.

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Eine nachfolgende Studie der gleichen Forschungsgruppe aus dem Jahr 2020 untersuchte an 15 Menschen mit Prädiabetes (Vorstufe von Diabetes) den Einfluss der Reihenfolge von Mahlzeiten: Drei Tage lang assen die Teilnehmenden die gleiche Mahlzeit bestehend aus einem Kohlenhydrat-, einem Protein- und einem Gemüseanteil in verschiedener Reihenfolge. Das Ergebnis: Bei denjenigen, die den Kohlenhydratanteil erst 10 Minuten nach dem Gemüse und den Proteinen gegessen hatten, lagen die Blutzuckerspitzen nach dem Essen etwa 46 Prozent niedriger als bei der umgekehrten Reihenfolge.

Diese einzelnen Studien deuten zwar auf positive Effekte durch die richtige Reihenfolge beim Essen für Menschen mit Prädiabetes und Diabetes hin. Allerdings kann man die Ergebnisse keinesfalls als allgemeingültig ansehen, wie die Autor:innen betonen. Schliesslich handelt es sich jeweils um kleine Stichproben und es ist ungeklärt, ob sich die Ergebnisse auf alle kohlenhydratreichen Speisen beziehen lassen oder eben nur auf die spezifisch untersuchten.

Ausserdem stellt sich die Frage, inwieweit die empfohlene Reihenfolge beim Essen auch für gesunde Menschen wichtig ist.

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Für wen ist die "richtige" Reihenfolge empfehlenswert?

In einem Interview mit der New York Times erklärte die Dr. Alpan Shukla, Autorin der oben genannten Studien aus 2017 und 2020, dass die richtige Reihenfolge für Menschen mit Prä- und Diabetes sinnvoll sein kann – für alle anderen seien die Ergebnisse jedoch nicht so eindeutig.

Eine systematische Auswertung aus dem Jahr 2023 von insgesamt elf Studien zur idealen Reihenfolge von Mahlzeiten deutet darauf hin, dass es grundsätzlich Vorteile haben kann, wenn man kohlenhydratreiche Lebensmittel zuletzt isst. Denn die Ergebnisse signalisieren einen niedrigeren Blutzuckerspiegel. Allerdings waren die Ergebnisse für den Einfluss der richtigen Reihenfolge auf das Hungergefühl und die Sättigung nicht aussagekräftig.

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Das sagt die DGE zu Nutrient Sequencing

Bisher lassen also vor allem einzelne Studien und Reviews vermuten, dass die richtige Reihenfolge beim Essen den Blutzuckerspiegel positiv beeinflussen kann. Bis solche Ergebnisse eine allgemeine Empfehlung begründen, braucht es allerdings eine Vielzahl an aussagekräftigen Untersuchungen. Wir haben bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nach einer Einschätzung zum Thema Nutrient Sequencing nachgefragt. Dr. Claudia Müller hat Folgendes geantwortet:

"Für die gesunde Bevölkerung haben wir derzeit keine Empfehlungen zur Reihenfolge der Makronährstoffe innerhalb einer Mahlzeit. Vielmehr ist es eher wichtig, dass eine Verteilung von Mahlzeiten über den Tag zur optimalen Nährstoffverwertung erfolgt."

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Für Menschen, die an Prädiabetes oder Diabetes leiden, kann es demnach sinnvoll sein, die beschriebene Reihenfolge beim Essen auszuprobieren und – sofern positive Effekte erkennbar sind – einzuhalten. Um auf der sicheren Seite zu sein, solltest du deine Ernährungsweise dennoch immer ärztlich abklären lassen.

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Wer gesund ist, kann das Nutrient Sequencing ruhig ausprobieren und möglicherweise Effekte wie ein längeres Sättigungsgefühl feststellen. Nach derzeitigem Forschungsstand schätzen wir die richtige Reihenfolge bei Mahlzeiten (Ballaststoffe, Proteine, Kohlenhydrate) allerdings nicht als grundsätzliche Ernährungsempfehlung für gesunde Menschen ein. Schliesslich kommt es auch sehr auf die Qualität der ausgewählten Lebensmittel an: Wichtiger ist eine ausgewogene Ernährung mit viel ballaststoffreichem Gemüse und Obst, proteinreichen Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen und Vollkornprodukten aus komplexen Kohlenhydraten.

Wichtig bleibt auch, dass Essen Freude bereitet und nicht dogmatisch wird: Oft ist ja die Kombination verschiedener Geschmäcker und Texturen das, was ein Gericht besonders schmackhaft und genussvoll macht.

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