Ramsau - Bis eben war noch Sonnenschein. Doch plötzlich wird es windig, ein leises Grummeln hallt durch die Luft und dunkle Wolken ziehen auf. In den Bergen kann das Wetter schnell umschlagen - für viele: überraschend schnell. Vor allem Gewitter bergen Gefahren. Der Bergretter Michael Renner kennt diese Situationen und weiss, was dann zu tun und zu lassen ist.

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Herr Renner, was erleben Sie, wenn Sie nach Gewittern in den Bergen zum Einsatz gerufen werden?

Michael Renner: Die Menschen wurden dann in der Regel vom Unwetter überrascht. Sie sind durchnässt, verängstigt und nach der Extremerfahrung häufig psychisch blockiert. Sie klammern sich teils regelrecht am Berg fest und wollen nicht mehr weiter – etwa, weil es rechts und links von ihnen durch den vielen Regen Steine runtergehauen hat. Und vielleicht irgendwo in der Nähe ein Blitz eingeschlagen hat.

In der Regel sind die Betroffenen dann auch unterkühlt. Sie haben sich bewegt, geschwitzt. Dann kam das Unwetter, sie wurden nass, starker Wind ging – da ist man schnell in einer leichten Unterkühlung.

Teils haben Menschen auch den Halt verloren und sind umgeknickt. Vielleicht, weil sie noch versucht haben, vor dem aufziehenden Unwetter schnell den Berg runterzukommen, um eine schützende Hütte zu erreichen. Beim Abstieg passieren sowieso die meisten Unfälle. Und in so einem Fall ist das Risiko noch mal höher.

Dass Menschen vom Blitz erschlagen wurden, ist in unserem Einsatzgebiet in den Berchtesgadener Alpen in den vergangenen Jahren zum Glück nicht passiert. Da klopfe ich jetzt mal auf Holz, dass das so bleibt. Anderswo ist das aber schon passiert. Das ist leider durchaus ein realistisches Szenario.

Blitz zuckt über den bayerischen Voralpen
Vor allem Gewitter bergen Gefahren für Wanderer. © dpa / Valentin Gensch/dpa/dpa-tmn

Wie reagiert man richtig, wenn einem am Berg ein Gewitter überrascht?

Renner: Das hängt davon ab, wo man ist. Man sollte umgehend schauen: Gibt es die Möglichkeit, irgendwo Schutz zu finden? Eine Hütte, oder zumindest ein Felsvorsprung. Hockt man darunter, würde ich empfehlen: klein machen und die Kontaktfläche zum Boden minimieren, also vielleicht auf den Rucksack hocken. Hat man Wanderstöcke aus Metall dabei, sollte man die weglegen.

Und auch Finger weg von Metall, das als Sicherung in den Felsen gehauen ist, etwa auf Klettersteigen. Ein Kollege hat es einmal ungefähr so formuliert: Wer während eines Gewitters an einem Stahlseil festgemacht ist, hat sich quasi in den Blitzableiter eingehängt.

Bestenfalls gerät man gar nicht erst hinein in ein Unwetter.

Renner: Natürlich. Deshalb sollte man zumindest den Wetterbericht ordentlich studieren, ehe man losgeht – und die Planung entsprechend anpassen, wenn es Gewitter geben könnte. Und zwar nicht stundengenau, sondern mit Puffer.

Das heisst: Wenn das Gewitterrisiko ab 17.00 Uhr hoch ist, sollte man sich nicht vornehmen, Punkt 17.00 Uhr auf der Hütte oder wieder im Tal zu sein. Sondern man lässt sich lieber ein paar Stunden Puffer. Am besten bricht man an so einem Tag früh auf und plant seine Tour so, dass man gegen Mittag durch ist.

ZUR PERSON: Michael Renner ist Bereitschaftsleiter der Bergwacht Ramsau. Er und seine allesamt ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen sind aktuell in der Doku-Serie "In höchster Not – Bergretter im Einsatz" des Bayerischen Rundfunks zu sehen. Hauptberuflich ist Renner im IT-Management tätig.  © Deutsche Presse-Agentur