Wustrow - Links eine Küste, rechts eine Küste und dazwischen nur ein paar Wiesen mit Wohnhäusern und einer Landstrasse. Hier, auf Fischland-Darss-Zingst ist das ziemlich normal. An den engsten Stellen ist die dreigeteilte Halbinsel im Nordosten Deutschlands nur 300 Meter breit, typisch das Nebeneinander von Zivilisation und der rauen Natur von Ostsee auf der einen und Bodden auf der anderen Seite.

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Über gut 45 Kilometern Länge erstreckt sich das schmale Halbinsel-Trio. Eingangstor im Westen ist Dierhagen, das "Ende" auf Zingst markiert im Osten Pramort, wo sich im Herbst zur Kranichsaison viele Beobachter und noch viel mehr Vögel einfinden.

Dazwischen liegen weitläufige Naturschutzgebiete und idyllische Küstendörfer, Leuchttürme und Seebrücken. Und, als hätte ein Fischer es übers schmale Land geworfen: ein dichtes Netz von Radwegen, das die wenigen Strassen - zumindest für Reisende im Sattel - überflüssig macht.

Überdies spürt, wer nicht mit dem Auto unterwegs ist, eine Ursprünglichkeit und mehr: eine erholsame Einsamkeit der Wälder und Strände. Übrigens waren die Küstenbereiche und die Kilometer langen Sandstrände an der Ostsee zu DDR-Zeiten Sperrgebiet.

Jede Menge Tourenvarianten

Ein Grossteil dieser Flächen gehört heute zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, der 1990 eingerichtet wurde und dessen 805 Quadratkilometer zu über 80 Prozent aus Wasserfläche bestehen. Die reizvollsten Plätze, die ursprünglichsten Ecken lassen sich nur zu Fuss oder mit dem Rad entdecken.

Es gibt auf diesem relativ überschaubaren Gebiet so viele Tourenvarianten, dass eine Woche Radurlaub locker gefüllt ist. Das lässt sich mit den Schiffen kombinieren, die auf den Bodden unterwegs sind. Eine Radtour zum Kennenlernen verläuft längs von Fischland-Darss-Zingst von Süden nach Norden an der Ostseeküste entlang.

Natureum am Leuchtturm
Aussenstelle des Deutschen Meeresmuseums: das Naturkundemuseum Natureum am Darsser Ort in der Kernzone des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. © dpa / Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Dierhagen ist ein Ostseebad mit breitem Sandstrand, liegt aber noch auf dem Festland - der Permin, eine Bucht am Saaler Bodden, markiert die Grenze zu Fischland. Wild zerklüftete Steilküsten und flache Sandstrände, die ideal zum Baden sind, begleiten die Fahrt nach Norden über Wustrow, wo die mächtigen Gebäude der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten Seefahrtschule ins Auge fallen, die heute Ferienwohnungen beherbergen.

Bis zum schicken Künstlerdorf Ahrenshoop ist es nicht weit. Vor gut 130 Jahren, entdeckten Kunstmaler den Ort mit seiner sehenswerten Küste. Es bildete sich, massgeblich durch den Maler Paul Müller-Kaempff initiiert, eine Künstlerkolonie. Farblich herausstechender historischer Beleg ist die leuchtend blaue Kunstkaten, noch heute Galerie und Veranstaltungsort der Szene. Gegenentwurf ist das moderne Kunstmuseum, ein kantiger repräsentativer Holzbau.

Durch Buchenwald in Strandnähe

Hinter Ahrenshoop radelt man in tiefe Buchenwälder. Auf der schnurgeraden Fahrt geht es in Strandnähe nordwärts. Schliesslich landen wir am Darsser Ort, erkennbar von weitem an dem alten Leuchtturm, der immer noch in Betrieb ist und begangen werden kann. Angegliedert ist das "Natureum", eine Aussenstelle des Stralsunder Meeresmuseums.

Weiter Richtung Prerow blinzeln Sonnenstrahlen durch das Geäst im Wald und sorgen für schöne Lichtspiele. Wer zur Abwechslung einmal laufen möchte, kann den Buchenwald-Pfad nehmen und gleich zum Weststrand weitergehen, wo sich vom Meer und vom Wind abgekehrte Bäume, sogenannte Windflüchter, ein typisches Bild des Darss hergeben.

Sehenswert sind in Prerow nicht nur die Strände, sondern auch die alte Seemannskirche aus dem 18. Jahrhundert mit ihren von der Decke hängenden Schiffsmodellen. Ihr Glockenturm wies den Seeleuten den Weg von der Ostsee in den Prerower Hafen. Der letzte Abschnitt bis zum Seebad Zingst begleitet auf dem Radweg die Strasse und landet direkt vor dem Strand und der grossen Seebrücke, dem Wahrzeichen von Zingst.

Naturparkschutzzone Sundische Wiese
Erst warten, dann die Aussicht geniessen: Besucher an der Sundischen Wiese mit der Hohen Düne. © dpa / Deike Uhtenwoldt/dpa-tmn

Ab dort bieten sich für Radler mehrere Optionen. Man kann entlang des Bodden über die beschaulichen Dörfer Wieck und Born, das mit seinen Kapitänshäusern einem Freilichtmuseum gleicht, bis Ahrenshoop zurück strampeln. Oder man unternimmt eine Boddenkreuzfahrt von Zingst bis Ahrenshoop, Fahrradtransport inklusive, Dauer etwa 2,5 Stunden.

Oder einfach weiterradeln

Oder man radelt weiter Richtung Osten - zunächst am Deich entlang vorbei an Einfamilienhäusern und dann in die Einsamkeit. Der Weg quert weite, flache Wiesen mit Waldpassagen - von Zivilisation scheinbar keine Spur. Letzte Einkehrstation ist das "Schlösschen Sundische Wiese", ein historisches Jagdhaus mit Biergarten und Hotelzimmern und ganz offensichtlich ein gefragter Radlertreff - gemessen an den vielen parkenden Bikes.

Begleitet von den Konzerten der Wasservögel geht es letztlich bis nach Pramort, wo es eine Station zur Vogelbeobachtung gibt, heimisch sind Lachmöwen, Rotmilan und Säbelschnäbler und viele andere. Dort führt auch ein Fussweg nach Norden zur Hohen Düne. Vom etwa 14 Meter hohen Sandhügel mit hölzerner Aussichtsplattform hat man an klaren Tagen einen guten Blick hinüber zur Insel Hiddensee.

Im Vergleich zum Trubel im Ort Zingst fühlt sich das wie andere Welt an. Nur wenige Kilometer trennen sehr unterschiedliche Erlebnisse, auch das macht den speziellen Charme einer Radtour auf Fischland-Darss-Zingst aus.

Links, Tipps, Praktisches:

Anreise: Mit dem Auto sind es von Hamburg knapp drei Stunden nach Wustrow auf der Halbinsel Fischland, von Berlin gut drei Stunden Fahrt. Mit der Bahn gelangt man über Rostock und Stralsund bis Ribnitz-Damgarten und Barth. Von dort fahren Busse des VVR-Linie 210 zu den Hauptorten. Die Busse führen in der Hauptsaison Fahrradanhänger mit sich.

Kunstkaten
Blau und 1909 nach Entwürfen der Maler Paul Müller-Kaempf und Theobald Schorn gebaut: der Ahrenshooper Kunstkaten. Müller-Kaempff ist der Gründungsvater der Künstlerkolonie Ahrenshoop. © dpa / Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Beste Reisezeit: Mai bis Oktober

Unterkünfte: Die Auswahl ist gross, vor allem in Ahrenshoop, Prerow und Zingst an der Ostseeküste. Etwas ruhiger geht es am Bodden in Rieck und Born zu. Unterkünfte lassen auf der Regionenwebsite recherchieren.

Radfahren: Strecken führen durch den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Der Bodden lässt sich auf ausgewiesenen Wegen auch umrunden. Wichtige Kreuzungen sind mit Wegweisern versehen. An frequentierten Punkten geben grosse Karten der Umgebung zusätzlich Orientierung. Passende Strecken kann man sich auf einer interaktiven Landkarte des MV-Tourenportals heraussuchen.

Weitere Auskünfte: fischland-darss-zingst.de; auf-nach-mv.de  © Deutsche Presse-Agentur