Die Lyrikerin und Punk- und Rocksängerin Patti Smith ist am Dienstagabend in Zürich aufgetreten. Pünktlich dazu ist ein neuer Bildband über das erste Schweizer Konzert der Patti Smith Group von 1976 in der Roten Fabrik erschienen.
Es sei "good to be back", sagte
Neben Klassikern wie "Ghost Dance", "Pissing in A River" oder dem wohl bekanntesten ihrer Songs "Because the Night", welchen sie mit
1976 in der Roten Fabrik
Tränengas kam am Dienstagabend keines zum Einsatz. Am 12. Oktober 1976 sah dies anders aus. Die "Godmother of Punk" trat da in der Roten Fabrik auf. Ein mysteriöser Tränengas-Anschlag unterbrach das Konzert. Bis heute ist unbekannt, wer ihn verübt hat und aus welcher Motivation. Zwei Monate später kursierte ein Mitschnitt des Konzerts auf einem Bootleg-Tape mit dem Titel "Patti Smith, Gas, Live in Zurich", das noch heute vom Geschehen zeugt.
Auch Reportagenfotograf Eric Bachmann erlebte den Auftritt vor fast fünfzig Jahren. Sein Nachlass umfasst über 200'000 Bilder - verwaltet wird er heute von seinem Neffen, dem Herausgeber und Grafiker Dominik Bachmann. Im Archiv finden sich nicht nur Konzertfotos von 1976, sondern auch Aufnahmen aus dem Hotelzimmer der Band sowie vom damaligen Interview Patti Smiths mit dem Schweizer Fernsehen.

Ein Bildband reist zurück
Dominik Bachmann hat diese Bilder nun als Buch veröffentlicht. Passend zum Konzert des Patti Smith Quartet am Dienstag wurde der Bildband "Patti Smith Group. Live in Zurich. October 1976" im X-tra vorgestellt.
Der schlichte, ästhetische Bildband lässt den Fotografien Raum. Ein Kapitel zeigt teils unveröffentlichte Aufnahmen aus der Roten Fabrik - nicht nur von Eric Bachmann, sondern auch von François Bitzi und François Stucki. Zu sehen ist Patti Smith mit umarmter Gitarre oder singend am Mikrofonständer.
Manche Bilder sind so eindringlich, dass man sich wünscht, dabei gewesen zu sein, bei diesem, den Fotos nach zu urteilen, wilden Abend. Auch die Szenen abseits der Bühne fesseln. Etwa die Serie aus dem Hotel Engematthof, wo die Band damals logierte. Sie zeigt die Patti Smith Group um ein mit Flaschen, Zigarettenschachteln und Blättern voll gestelltes Tischchen sitzend, beim Quatschen und Quarzen.
Smith über Kirche, Geld und Kunst
Zum ersten Teil des Bandes gehört das vollständige Transkript eines Interviews, das Patti Smith vor dem Konzert mit Peter K. Wehrli führte. Darin sprach sie etwa über ihre Beziehung zu Kirche, Geld und Kunst. Im Fernsehen waren damals nur wenige Minuten ausgestrahlt worden.
Auch während des Interviews fotografierte Bachmann. Die Porträts aus dem Hotelinnenhof beeindruckten Dominik Bachmann besonders: "Die Porträts zeigen Eric Bachmanns Stärke, Menschen direkt und einfühlsam einzufangen", sagte er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Das ins Deutsche übersetzte Gespräch liest sich dank Transkript flüssig - zugleich ist es tiefgründig und auf eigene Weise amüsant. Auf die Frage, wozu die Lyrik denn eigentlich gut sei, holte Patti Smith beispielsweise weit aus und begann bei sich als Vierjährige, die gerne mit Tieren sprach.
Einer der Zeitzeugen im Buch ist der 2024 verstorbene Musikchronist und Betreiber des Zürcher Plattenladens RecRec, Veit Stauffer. Er berichtet im Buch von einem Moment der Verwunderung. Das war 1979, als Patti Smith in der TV-Sendung und Musikveranstaltung "Rockpalast-Nacht" in Essen auftrat: "Ich habe das Interview mit ihr gesehen und fragte mich, ob die einen Knall hat?", heisst es. Und: "Ihre Antworten waren so kompliziert - es ist irgendwie nie losgegangen. Später las ich, sie sei auf Heroin gewesen."
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Hier wird nicht romantisiert
Zwischen den Berichten lockern Bilder den Band auf: begehrte Tapes von Konzertmitschnitten, T-Shirts, Flyer - und ein Hinweis auf den Schweizer Künstler Franz Gertsch, der Patti Smith malte.
Trotz spürbarer Begeisterung und Bewunderung in den Berichten und Bildern des Buchs "Patti Smith Group. Live in Zurich. October 1976" wird die Künstlerin darin nicht verklärt.
Auch am Dienstagabend war Patti Smith von keinem Kitsch umgeben. Und damit ist nicht ihr gelegentliches Spucken auf die Bühne gemeint, sondern ihre ungebrochene Haltung. Trotz sichtlicher Spielfreude - auf den Schrei eines Fans witzelte sie, sie verstehe nichts ohne ihr Hörgerät - ging sie das Konzert mit Ernst an. "Stop the madness", forderte sie, "Stoppt den Wahnsinn", mit Blick auf die Kriege im Nahen Osten.
(Patti Smith Group. Live in Zurich. October 1976. Bildband. Hg. von Dominik Bachmann. Everyedition, Zürich 2025. Broschüre, 168 Seiten.) © Keystone-SDA