Die Zürcher Autorin und Historikerin Alexandra Bröhm erzählt in ihrem historischen Roman "Yrsa. Die Liebe der Wikingerin" aus einer Zeit, die tausend Jahre zurück liegt. Im Gespräch sagt sie, wie sie Fiktion und die historische Faktenlage ineinanderfliessen lässt.
Die junge Wikingerin Yrsa scheint am Ziel ihrer Träume. Sie geht mit einer Gruppe erfahrener Kämpfer auf einen Raubzug. Auch an Bord des Schiffs ist der junge Krieger Avidh. Seine düstere Ausstrahlung fasziniert Yrsa. Doch eine mysteriöse Warnung überschattet die Reise, ausgerechnet Avidh droht Gefahr.
Alexandra Bröhm hat einen historischen Roman rund um die Wikinger geschrieben. "Die Liebe der Wikingerin" ist aber mehr als eine Liebesgeschichte, die im Frühmittelalter spielt. Einerseits enthält die Geschichte fast kriminalistische Elemente, andererseits halten geschichtliche Fakten die Spannung hoch.
Yrsa im Jahr 834
Die Thematik fasziniert Bröhm seit jeher: "Lange bevor ich die Idee hatte, einen historischen Roman zu schreiben, habe ich mich für Wikinger interessiert und Bücher und Studien über diese Zeit gelesen." Und sie liebt Island: "Es waren die Wikinger, die Island ursprünglich besiedelt haben." Trotz der Liebe zum hohen Norden hat sie sich als Schauplatz ihres Romans die heutigen Niederlande ausgewählt. "Yrsas Geschichte spielt im Jahr 834. Damals war dieses Gebiet Teil des fränkischen Reichs, zu dem auch grosse Teile des heutigen Deutschlands und der Schweiz gehörten", sagt sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Über die Wikinger - eigentlich eine Bezeichnung für Seeräuber - kursieren viele falsche Vorstellungen. Zum Beispiel hatten sie keine Hörner auf den Helmen. Und die Mehrheit der Bevölkerung im Norden lebte vom Handel, der Fischerei, Handwerk und Landwirtschaft. Dorestad in den heutigen Niederlanden war im neunten Jahrhundert eine blühende Handelsstadt und wurde 834 tatsächlich von Wikingern überfallen - genau so wie im neuen Buch von Alexandra Bröhm.
Eine Kriegerin
"Die Idee, über eine junge Frau zu schreiben, die kämpfen will und sich einer Gruppe von Kämpfern anschliesst, kam mir ursprünglich wegen eines Grabfundes und eines Artikels, den ich darüber geschrieben hatte", sagt die Autorin, die auch als Journalistin arbeitet. Lange hatte man angenommen, das Grab im schwedischen Birka, das vor 145 Jahren entdeckt worden war, sei die letzte Ruhestätte eines Wikingerkriegers. Gross war die Überraschung vor einigen Jahren, als die DNA-Analyse zeigte: Der Krieger im Grab Bj.581 war eine Frau.
Tatsächlich "nehmen die meisten Forschenden an, dass es Kriegerinnen wie Yrsa gab, sie aber nicht allzu zahlreich waren", so die Autorin. "Auch in der nordischen Mythologie und Sagenwelt ist die Vorstellung, dass Frauen kämpfen, vorhanden."
Im Buch geht es nicht nur um einen gelungenen Raubzug. Yrsa muss um das Leben und die Liebe jenes Manns kämpfen, der ihr alles bedeutet. Sich in Personen, die vor 1200 Jahren gelebt haben, hineinzuversetzen, war für Alexandra Bröhm eine besondere Herausforderung: "Auch wenn ich Historikerin bin und viel wissenschaftliche Literatur über die Zeit der Wikinger gelesen habe, ist es schwierig, sich vorzustellen, wie die Menschen gedacht und gefühlt haben. Ich habe versucht, aktuelle Forschungen, wo immer möglich, in Yrsas und Avidhs Geschichte einfliessen zu lassen."
Dass ihr Roman eine Liebesgeschichte geworden ist, hängt unter anderem damit zusammen, dass Historisches in dieser Verpackung niederschwellig erzählt werden kann. "Wenn starke Emotionen Thema sind, fällt es leichter, sich auch in längst vergangene Epochen einzufühlen."
Akkurate Recherche
Recherchiert hat sie akkurat. Selbst wenn in Dorestad, das heute Wijk bij Duurstede heisst, nichts mehr aus dem Frühmittelalter zu erkennen ist. Sogar der Flusslauf habe sich verändert, sagt Bröhm, die wie ihre Heldin Bogenschiessen gelernt hat. Museen halfen ihr weiter und Literatur, ausserdem ihre Erfahrungen, die sie an verschiedenen Wikinger-Fundstätten in Norwegen, Schweden, Dänemark, Island und Schleswig-Holstein gesammelt hat.
"Die bösen Geister zerren an Avidh", sagt eine Seherin im Roman, bevor das Wikingerschiff in See sticht. "Wenn der Wind das Wasser aufwühlt, bleiben die Monster in der Tiefe", eine andere, die mit den Seeräubern mitreist, um dafür zu sorgen, dass "die Götter, Geister und Elfen auf der Reise gnädig gestimmt sind".
Es ist erfrischend, wie Alexandra Bröhm Spiritualität, die für die Völker jener Zeit normal war, einbaut. "Es war für die Menschen damals keine Frage, ob man glaubte oder nicht. Das Spirituelle gehörte selbstverständlich zur Sicht auf die Welt, und die Menschen teilten sich ihre Umgebung mit Wesen wie Elfen, Geistern, Zwergen oder Trollen", sagt die Historikerin. Der Roman mag deshalb auch jene Leserinnen und Leser packen, die gern Romantasy lesen - selbst wenn Yrsas Welt nicht erfunden ist.
Jedenfalls nicht gänzlich: "Schriftliche Quellen, die wir über die Wikinger haben, stammen alle von den Opfern ihrer Überfälle", sagt die Autorin. Und die Opfer stellten die Wikinger als Räuber und Mörder dar. Das mögen sie auch gewesen sein, aber eben nicht nur. "Dank der Archäologie wissen wir heute etwas mehr über das Alltagsleben der Menschen, doch leider ist auch dieses Bild noch sehr bruchstückhaft." Diese Lücke will Alexandra Bröhm mit ihren "Yrsa"-Romanen füllen. "Yrsa. Die Liebe der Wikingerin" ist am Donnerstag erschienen. Der Roman folgt als zweiter Band auf "Yrsa. Journey of Fate" (2024). *
*Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert. © Keystone-SDA