Mit "The Deal" zeigt das Locarno Film Festival zurzeit erstmals eine Schweizer Serie auf der Piazza Grande. Entstanden ist der Diplomatie-Thriller aus Jean-Stéphane Brons Faszination für das, was hinter den politischen Kulissen geschieht.

Es ist kein einfaches Thema, das sich der Film- und Serienmacher Jean-Stéphane Bron für seine fiktionale Serie ausgewählt hat. "The Deal" dreht sich um die Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran von 2013 bis 2015. Es sind hochsensible Gespräche, die er darin nachstellte.

"Ich war schon immer von diesen Kulissen fasziniert", sagte der Filmschaffende kurz vor Festivalbeginn in Locarno der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. "Was ausserhalb des Bildes geschieht, sagt meistens mehr als die Pressekonferenzen."

Die Idee zu "The Deal" entstand während der Verhandlungen in der Westschweiz, die zum iranischen Atomabkommen von 2015 führten. Der in Lausanne geborene Regisseur fragte sich, wie ein Kompromiss dieser Grössenordnung abseits der Kameras zustande kommt: "Ich erinnere mich an die Bilder von Journalisten, die in Hotelfluren sassen und auf Informationen warteten."

Stoff aus Berichten

Die Serie, eine Koproduktion des Westschweizer Fernsehen RTS und Arte, verfolgt den Grossteil dieser Verhandlungen in einem Genfer Hotel während zehn Tagen.

Für sein Drehbuch nutzte Bron die damalige internationale Berichterstattung, Memoiren von Diplomatinnen wie Wendy Sherman, ehemalige Vizeaussenministerin der USA, sowie Analysen von Experten: Zwar habe man nicht direkt interne Quellen gehabt, dafür viele "indirekte" Zeugenaussagen, insbesondere aus der Wissenschaft. "Das hat uns ermöglicht, glaubwürdige Situationen zu schaffen", so Bron.

Weder gut noch böse

Dabei wollte man eine schwarz-weisse Darstellung des Konflikts vermeiden: "Der Iran wird in westlichen Filmen oft karikiert", so der Westschweizer Filmemacher. "Wir wollten eine reale, menschliche Komplexität auf beiden Seiten zeigen."

Wichtig in der Serie ist die Figur eines Schweizer Diplomaten, ein neutraler Beobachter in der Erzählung. Beim Schauen versucht man mit ihm, den jeweils anderen zu verstehen. "Das ist auch Diplomatie: sich in die Schuhe des anderen zu begeben, um einen Kompromiss in Aussicht zu stellen", so Bron.

Die Darstellenden, die Mitglieder der iranischen Delegation spielen, leben im Exil. "Das war eine pragmatische Entscheidung. Es wäre zu heikel gewesen, solch sensible Rollen von Schauspielern verkörpern zu lassen, die noch im Iran leben."

Kein "Deal" wie Trump ihn mag

Der Verhandlungstisch fasziniert Jean-Stéphane Bron, der auch in seinen bisherigen Werken, etwa in den Dokfilmen "Mais im Bundeshuus" (2003) oder "L'Expérience Blocher" (2013), hinter politische Kulissen blickte.

"Ich habe tausende von Stunden in Verhandlungsräumen verbracht, um die Körper in Aktion, den angespannten Austausch und das Schweigen zu beobachten." Diese Erfahrungen konnte er nun auch für die Serie nutzen.

Beim Titel "The Deal" denkt man aktuell gern auch an die Rhetorik des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Bron amüsiert sich darüber: "Für Trump bedeutet ein Deal, dass man etwas mit Gewalt durchsetzen muss. Wir erzählen von einem Deal, der auf Zuhören, Diplomatie und Subtilität beruht."

Diplomatischer Kippmoment

Die Serie wird so zu einem Zeugnis einer vergangenen Epoche. "Zwischen 2013 und 2015 befinden wir uns kurz vor dem Umschwung", sagte Bron. "Wir befinden uns vor dem Brexit, vor Trump, vor dem Moment, als das Recht des Stärkeren wieder Einzug hielt."

Auch wenn "The Deal" an die Verhandlungen der Jahre 2013 bis 2015 erinnert, hat der Plot auch heute seine Wirkung. "Die Serie zeigt eine Diplomatie der Worte, die heute zugunsten von Drohungen und Gewalt in den Hintergrund tritt."

Diese Entscheidung für eine Erzählung, die "kurz davor" angesiedelt ist, verleiht der Serie eine starke Resonanz. "Wie bei 'Mais im Bundeshuus' habe ich das Gefühl, dass wir ein Ende eines Zyklus dokumentieren", sagte er.

Doppelt in Locarno

Bron ist in Locarno mit gleich zwei Werken dabei: Am Festival ist auch sein Dok "Le Chantier" als Weltpremiere zu sehen. Darin taucht er ein in die Baustelle eines mythischen Saals in Paris, der sich im Umbau befindet.

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