Schweizer Verlage beschreiten neue Wege, um die Löcher in ihren Budgets zu stopfen. Mit Crowdfunding etwa hatte der Zürcher Comic-Verlag Edition Moderne Erfolg. Doch längerfristig brauche es nachhaltigere Massnahmen, sagt Co-Verlegerin Marie-France Lombardo.

Schweizer Buchverlage leben finanziell von der Hand in den Mund. Denn die Digitalisierung lässt Menschen, die noch gedruckte Texte lesen, allmählich aussehen wie eine aussterbende Spezies aus ferner Urzeit. Die Sprachkompetenz nimmt ab, Kommunikation läuft zunehmend über Kurzformeln, nichtsprachliche Zeichen und Bilder.

Vor diesem Hintergrund müsste ein spezialisierter Verlag wie die Zürcher Edition Moderne eigentlich im Vorteil sein, bedient er doch sein Zielpublikum auch mit bildlichen Inhalten. Aber selbst gehobene Comics und Graphic Novels, für die es ein treues Stammpublikum gibt, spülen nicht mehr genug Geld in die Kassen, auch wenn der Verlag ein Flaggschiff des Genres ist.

2019 übernahmen Marie-France Lombardo, Julia Marti und Claudio Barandun die legendäre Edition Moderne von deren Gründer und langjährigem Verleger David Basler. Sie machten unbezahlte Überstunden und finanzierten den Lohn für eine Vollzeitstelle aus eigener Tasche, um das Programm weiterzuführen und gleichzeitig die nötige Transformation anzustossen. Trotzdem standen sie nach vier Jahren vor dem finanziellen Aus.

Aufgeben? Sicher nicht! 2023 initiierte das Trio ein Crowdfunding. Im Kulturbetrieb wird soetwas schon länger praktiziert - allerdings eher auf einzelne Projekte bezogen. Die im selben Jahr verstorbene Autorin Ruth Schweikert und ihr Mann Eric Bergkraut zum Beispiel finanzierten den Kinofilm "Wir Eltern" ausschliesslich mit Crowdfunding.

Crowdfunding zur Überbrückung

"In nur neun Tagen haben wir unser Ziel von 100'000 Franken erreicht", erzählt Marie-France Lombardo der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sie zeigt sich noch immer erfreut über die Aktion, die der Edition Moderne kurzfristig "etwas Luft verschafft" hat. Das Crowdfundig dauerte von Mai bis Juni 2023, 770 Leute machten mit, am Schluss prangten über 120'000 Franken auf dem Spendenkonto. Geschickt wurde die Aktion im Vorfeld der Solothurner Literaturtage lanciert und auf allen Kanälen intensiv beworben. Auch das Medienecho war gross - selbst international. Schliesslich ist die 1981 gegründete Edition Moderne der älteste unabhängige Comic-Verlag im ganzen deutschsprachigen Raum.

Auf eine Tradition des gehobenen Comic-Genres, wie sie in der frankophonen Welt besteht, kann man im deutschsprachigen Raum nicht bauen. "Das ist für uns eine besondere Challenge", hält Lombardo fest. "Mit dem Wort Comic verbinden viele hier Asterix und Obelix. Damit haben unsere Bücher aber wenig zu tun."

Eher müsste man die Edition Moderne als grafische Literatur bezeichnen, mit Underground-Charakter. Das entsprechende Publikum eignet sich denn auch besonders fürs Crowdfunding: Spenden, die eben aus der Crowd, von der Strasse, von "unten" kommen. Für klassische Literaturverlage ist das vielleicht weniger gängig. Dennoch haben es in den letzten Jahren einige von ihnen mit Crowdfunding versucht, darunter der Rotpunktverlag oder der Dörlemann Verlag, bevor er von Kampa übernommen wurde.

Auch von "oben", sprich vom Bundesamt für Kultur (BAK), erhalten Schweizer Verlage seit 2016 Unterstützung. Damals war das grosse Sterben im Gange, und die Überlebenden wurden oft von grossen deutschen Verlagsgruppen geschluckt. Zuletzt musste 2023 der international agierende Zürcher Unionsverlag seine Selbständigkeit aufgeben. Seither funktioniert er im Verlagshaus C.H.Beck in München als kleiner Fisch am Beckenrand irgendwie weiter.

Crowdfunding als Denkanstoss

Einem solchen Schicksal will die Edition Moderne entgehen. "Wir wollen eigenständig bleiben", betont Marie-France Lombardo, "aber dafür braucht es Unterstützung, wie beispielsweise die BAK-Subventionen". Mit den 10'000 Staatsfranken, die ihr Verlag jährlich erhält, können sie und ihre Co-Verlegerin Julia Marti knapp den Druck von zwei Büchern bezahlen. Das hilft, sichert jedoch nicht die Existenz. Die Verkaufszahlen sind zwar stabil, doch die Arbeit dahinter kann nicht finanziert werden. "Wir realisieren aktuell mit lächerlichen 2,2 Stellen 10 bis 14 Bücher pro Jahr - manchmal fragen wir uns selbst, wie das geht", sagt Lombardo. Claudio Barandun ist inzwischen nicht mehr mit an Bord.

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In einer solchen Situation auf weiter Crowfundings zu setzen, ist nicht die Lösung. "Eine Aktion dieser Grösse kann man nur einmal machen", so die Verlegerin, "auch, weil es über Monate enorm viel unserer bescheidenen Ressourcen gebunden hat." Dafür finden sich bei den Gegenleistungen, welche die Edition Moderne - wie beim Crowdfunding üblich - für Spenden anbot, kreative Ideen. Je nach Höhe der Spende gab es zum Beispiel eine Verlagsaktie, eine Privatlesung mit einer Autorin oder einem Autor nach Wunsch, ein Bücher-Jahresabo oder ein Champagnerfrühstück im Verlag mit Bücherauslese für den persönlichen Geschmack. So wäre vielleicht gar eine Langzeit-Mäzenin zu gewinnen, von der Marie-France Lombardo träumt.*

*Dieser Text von Tina Uhlmann, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.  © Keystone-SDA