Vermehrter Schwindel im Alter könnte mehr bedeuten als bisher gedacht. Neue Forschungsergebnisse zeigen: Gleichgewichtsstörungen sind womöglich ein deutlicher Risikofaktor für Alzheimer. Ein gezieltes Training kann vorbeugen.

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Schwindel und Gleichgewichtsprobleme im Alter gelten oft als unvermeidlich. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Diese Beschwerden könnten mehr als nur lästige Begleiterscheinungen des Alterns sein: Forschende haben herausgefunden, dass Menschen mit Gleichgewichtsstörungen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken.

Menschen mit peripheren vestibulären Dysfunktionen – also Störungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr – haben demnach ein um 70 Prozent erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des "Journal of Neurology", die Daten von mehr als 291.000 Menschen ausgewertet hat.

Über die Studie

  • Für ihre Untersuchung werteten die Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München Daten von 291.240 Personen der britischen Biobank aus, die bei Studienbeginn über 55 Jahre alt und nicht an Alzheimer erkrankt waren. Im Verlauf der Nachbeobachtung entwickelten 4.684 Teilnehmende Alzheimer und 2.133 eine periphere vestibuläre Dysfunktion.
  • In den meisten Fällen wurden die Gleichgewichtsstörungen vor der Alzheimer-Diagnose festgestellt, was auf einen kausalen Zusammenhang hindeuten könnte. Die Studie konzentrierte sich bewusst auf periphere Gleichgewichtsstörungen, die nicht direkt durch neurodegenerative Erkrankungen verursacht werden.

"Vestibuläre Dysfunktionen erscheinen als ein unabhängiger Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit", erklärt das Forschungsteam um Carolin Koriath von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Zusammenhang bestehe auch nach Berücksichtigung von 16 bekannten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder Depressionen.

Hippocampus als Verbindungsglied zwischen Gleichgewicht und Gedächtnis

Die Verbindung zwischen Gleichgewichtssinn und Alzheimer mag zunächst überraschen, doch der Schlüssel liegt in einer bestimmten Hirnregion: dem Hippocampus. Dieser Teil des Gehirns spielt eine zentrale Rolle sowohl für das Gedächtnis als auch für die räumliche Orientierung.

Frühere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass Menschen mit besonders ausgeprägten Orientierungs- oder Balancefähigkeiten seltener an Alzheimer erkranken: Bei Londoner Taxifahrern etwa, die ein umfangreiches Stadtmodell im Kopf haben, ist der hintere Hippocampus vergrössert. Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie zeigte zudem, dass Taxifahrer ein geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu sterben.

Ähnliche Effekte wurden bei Balletttänzern und anderen Personen mit ausgeprägtem Balancetraining beobachtet. Im Gegensatz dazu entwickeln Menschen mit chronischen Gleichgewichtsstörungen eine Verkleinerung (Atrophie) des Hippocampus und haben Probleme mit der räumlichen Orientierung.

Überraschende Schutzfaktoren: Alkoholkonsum und Übergewicht

Die Analyse identifizierte neben Gleichgewichtsstörungen auch andere Faktoren, die das Alzheimer-Risiko beeinflussen: So erhöhen traumatische Hirnverletzungen das Risiko etwa um das Fünffache, Depressionen verdreifachen das Risiko. Bluthochdruck steigert das Risiko um 63 Prozent, Hörverlust um 38 Prozent, Diabetes um 30 Prozent und Schlaflosigkeit um 26 Prozent.

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Als Schutzfaktor erwies sich regelmässige körperliche Aktivität (44 Prozent Risikoreduktion). Aber auch Übergewicht im späteren Leben (17 Prozent Risikoreduktion) senkt laut der Studie das Alzheimer-Risiko. Ebenfalls überraschend: Auch regelmässiger moderater Alkoholkonsum war mit einem um 72 Prozent verringerten Alzheimer-Risiko verbunden.

Balance- und Navigationstraining als mögliche Präventionsmassnahme

Die Ergebnisse legen nahe, dass Gleichgewichtsstörungen bei älteren Menschen nicht nur als normale Alterserscheinung abgetan werden sollten, sondern möglicherweise ein Warnsignal für ein erhöhtes Alzheimer-Risiko darstellen. Die Forschenden weisen darauf hin, dass regelmässiges Balancetraining und Übungen zur räumlichen Orientierung womöglich den Übergang von leichter kognitiver Beeinträchtigung zu Alzheimer verzögern könnten. (ali)

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Verwendete Quellen: