Ein neues Medikament könnte Millionen Menschen helfen: Denn es ist für Menschen, die unter Bluthochdruck leiden – einer der typischen Volkskrankheiten. Ein Mediziner erklärt, wie es wirkt und wie er sein Potenzial einschätzt.
Millionen Menschen haben Bluthochdruck. Bei manchen dieser Patienten ist der Blutdruck auch dann noch zu hoch, wenn sie bereits die maximal verträgliche Dosis von mehreren verschiedenen Medikamentenklassen einnehmen. Man spricht dann von resistentem Blutdruck.
Genau für diese Patientengruppe gibt es nun neue Hoffnung: Ein Wirkstoff namens Baxdrostat lieferte in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse. An der Studie nahmen rund 250 Menschen mit Bluthochdruck teil. Ihr Blutdruck sank um bis zu 20,3 mmHg. Nach sehr vielversprechenden Zwischenergebnissen wurde die Studie vorzeitig gestoppt. Sie wurde im "New England Journal of Medicine" vorgestellt.
In welcher Einheit wird Blutdruck gemessen?
- Blutdruck wird in der Einheit Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) gemessen. Diese Einheit stammt noch aus der Zeit, als Blutdruck mit Quecksilbersäulen-Manometern gemessen wurde. Sie gibt an, wie hoch eine Quecksilbersäule durch den Blutdruck angehoben werden könnte.
- Eine Blutdruckmessung besteht immer aus zwei Werten: Systolischer Wert – das ist der Druck, wenn das Herz Blut in die Arterien pumpt (höherer Wert). Diastolischer Wert – der Druck, wenn das Herz zwischen den Schlägen entspannt (niedrigerer Wert). Ein typischer Blutdruckwert wird daher mit zwei Zahlen angegeben, zum Beispiel 120/80 mmHg.
Normalerweise kombiniere man bei der Behandlung von Bluthochdruck mehrere Medikamente, erklärt Johann Bauersachs. Dabei kämen üblicherweise ein Blutdrucksenker vom Typ Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB), ein Calciumkanalblocker (CCB) und ein leichtes Entwässerungsmittel zum Einsatz.
Manche Patienten vertragen aktuelles Medikament nicht
Nicht immer aber reiche das. "Manche Menschen haben einen Bluthochdruck, der sich schwer einstellen lässt. Häufig ist daran das Hormon Aldosteron beteiligt", sagt Bauersachs. Das Hormon sorgt dafür, dass der Körper Salz und Wasser speichert – dadurch steigt der Blutdruck.
Wann spricht man von Bluthochdruck (Hypertonie)?
- Grad 1 (mild): 140-159/90-99
- Grad 2 (mittelgradig): 160-179/100-109
- Grad 3 (schwer): ≥ 180/≥ 110
"Um so einen resistenten Bluthochdruck zu behandeln, gibt es spezielle Medikamente, die die Wirkung von Aldosteron blockieren. Diese heissen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten", erklärt der Mediziner. Ein bekanntes Medikament dieser Art ist Spironolacton. "Das Problem ist, dass manche Patienten Spironolacton nicht gut vertragen. Männer können zum Beispiel Brustwachstum entwickeln und der Kaliumspiegel im Blut kann zu hoch werden, was ebenfalls gefährlich sein kann", sagt Bauersachs.
Baxdrostat soll da nun Abhilfe schaffen: Es gehört zu einer neuen Medikamentenklasse, die sich Aldosteron-Synthase-Inhibitoren nennt, kurz ASI. "Diese setzen an einer ganz anderen Stelle als die bisherigen Medikamente an", sagt Bauersachs. Sie würden die Bildung von Aldosteron in der Nebenniere vermindern. Das bislang verwendete Spironolacton wiederum setzt am Rezeptor des Aldosterons an. Einfacher gesagt: Wenn Aldosteron ein Schlüssel ist, blockiert das bisherige Medikament das Schloss, damit das Hormon nicht mehr wirken kann.
Das neue Medikament hingegen verhindert, dass Aldosteron überhaupt hergestellt wird – es setzt also eine Stufe früher an. "Die Hoffnung ist, dass es dadurch weniger Nebenwirkungen gibt", sagt Bauersachs. In der Studie kam es überwiegend zu milden Nebenwirkungen, darunter etwa Harnwegsinfektionen, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit.
Experte sieht viel Potenzial
Jetzt folgen sogenannte Phase-3-Studien. "Das heisst, die entscheidenden Studien kommen noch, in denen ein Medikament – in der Regel bei mehreren tausend Patienten – zeigen muss, ob es wirksam und sicher ist", sagt Bauersachs. Er sieht aber Potenzial in der neuen Medikamentenklasse. "Lange war es gar nicht möglich, am Aldosteron selbst anzusetzen", sagt er. Der Grund: Das Enzym, das Aldosteron herstellt, ist sehr eng mit dem Enzym verwandt, das Cortisol herstellt. "Wenn man versucht hat, Aldosteron zu hemmen, hat man bislang immer Cortisol mitgehemmt. Ein Mangel an Cortisol wiederum ist ebenfalls gefährlich", so der Experte.
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Nun sei es aber gelungen, die Wirkung so selektiv zu gestalten, dass man nur das Enzym für Aldosteron hemme. "Wenn man Aldosteron hemmt, kann es dazu kommen, dass es zu viel Kalium im Blut gibt. Das ist aber eine erwartbare Nebenwirkung und die Nebenwirkungen erscheinen immer noch milder als beim Spironolacton", meint Bauersachs.
Gerade für schwer einstellbaren Bluthochdruck könnte das Medikament aus seiner Sicht einen wirklichen Fortschritt bedeuten. Denn: "Bluthochdruck ist einer der wichtigsten und am besten behandelbaren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen." Bei Frauen seien bereits leichte Blutdruckerhöhungen mit vermehrten kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall verbunden. "Bluthochdruck wird oft nicht ernst genug genommen", warnt er.
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. Johann Bauersachs ist Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Verwendete Quellen
- hochdruckliga.de: Bluthochdruck in Zahlen
- pmc.ncvi.nlm.nih.gov: Prevalence of Apparent Treatment-Resistant Hypertension in the United States
- nejm.org: Efficacy and Safety of Baxdrostat in Uncontrolled and Resistant Hypertension