Die englische Nationalspielerin Lucy Bronze macht es vor: Cycle Syncing. Damit ist die Anpassung des Trainings an den weiblichen Zyklus gemeint. Ob das auch für Hobbysportlerinnen sinnvoll sein kann, was es dabei zu beachten gilt und wo die Probleme bei dieser Methode liegen.

Die englische Nationalspielerin Lucy Bronze beschreibt eine Art Wunderwaffe: Es gebe eine Phase in ihrem Zyklus, in der sie körperlich in der Lage sei, noch härter zu trainieren als sonst. "Es ist, als würde man mir für eine Woche eine Superkraft geben", sagte sie dem Magazin "Women's Health UK" vor dem Start der Fussball-EM der Frauen. "Wir können unser Training auf die vier Phasen des Zyklus abstimmen und profitieren sehr davon."

Mit den vier Phasen des Zyklus meint Bronze neben der Menstruation die sich anschliessende Follikelphase, die Ovulationsphase mit Eisprung und die Lutealphase kurz vor der nächsten Periode. Nicht nur Bronze, sondern auch viele andere Frauen sind überzeugt: Es lohnt sich, Sport und möglicherweise auch die Ernährung auf den eigenen Zyklus abzustimmen. Das Konzept ist als "Cycle Syncing" bekannt.

Was passiert in den vier Phasen des Zyklus?

  • Menstruationsphase: Die oberste Schicht der Gebärmutterschleimhaut wird abgestossen, dabei öffnen sich vorübergehend Blutgefässe in der Schleimhaut, sodass die abgelöste Schicht gemeinsam mit Blut ausgeschieden wird.
  • Follikelphase: Während der Menstruation steigt der Spiegel des follikelstimulierenden Hormons (FSH) leicht an. Das Hormon sorgt dafür, dass sich in den Eierstöcken Follikel zu entwickeln beginnen. In jedem Follikel liegt eine Eizelle. Später sinkt der FSH-Spiegel wieder, meistens wächst dann nur noch ein Follikel weiter. Dieser produziert das Hormon Östrogen.
  • Ovulationsphase: Diese Phase beginnt, wenn das luteinisierende Hormon (LH) und das follikelstimulierende Hormon (FSH) deutlich ansteigen. Dieser Anstieg löst den Eisprung aus: Etwa 16 bis 32 Stunden später gibt der Eierstock eine reife Eizelle ab. Während dieser Zeit sinkt der Östrogenspiegel und das Hormon Progesteron beginnt langsam anzusteigen.
  • Lutealphase: Nun sinken die beiden Hormonspiegel wieder (LH und FSH). Der gerissene Follikel verschliesst sich wieder und verwandelt sich in den sogenannten Gelbkörper. Dieser gibt das Hormon Progesteron ab. In dieser Phase bleibt auch der Östrogenspiegel zunächst hoch. Progesteron und Östrogen sorgen dafür, dass sich die Gebärmutterschleimhaut weiter verdickt. So bereitet sich der Körper darauf vor, eine befruchtete Eizelle aufzunehmen. Wird die Eizelle jedoch nicht befruchtet, bildet sich der Gelbkörper wieder zurück. Dadurch wird kein Progesteron mehr produziert und auch der Östrogenspiegel sinkt. Damit beginnt dann ein neuer Zyklus.
  • Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch Nicht-Profisportlerinnen sind begeistert

Soziale Medien spielen dabei eine grosse Rolle: Influencerinnen und Sportlerinnen erzählen von ihren Erfahrungen damit und geben ihren Followerinnen Tipps und Pläne mit auf den Weg. Auf Instagram und Tiktok werden Beiträge mit dem Hashtag #cyclesyncing hunderttausendfach angeschaut und oft geteilt.

In einer Umfrage der KKH Kaufmännischen Krankenkasse vermuteten im Frühjahr rund drei Viertel (76 Prozent) der befragten Frauen, es habe einen positiven Effekt auf die eigene körperliche und emotionale Befindlichkeit, den Lebensstil an die Zyklusphasen anzupassen.

Lohnt sich Cycle Syncing für Hobbysportlerinnen?

Ist die Orientierung am Zyklus ein Social-Media-Hype – oder tatsächlich ein sinnvolles Konzept?

"Das ist definitiv erforscht und auch im Leistungssport angekommen", ist die Sportpsychologin Jana Strahler von der Universität Freiburg überzeugt. Wie stark das zyklusbasierte Training schon verankert sei, variiere je nach Sportart – aber das Bewusstsein, dass der Menstruationszyklus etwas sei, das beachtet werden müsse, sei da. In Teamsportarten könne zwar nicht der Wettkampfplan angepasst werden, aber sehr wohl das individuelle Training dazwischen.

Es sei eine "fundamentale Entwicklung, dass wir das Training an den Zyklus anpassen und dass sich das lohnt", betont Strahler. Hormone wie Östrogen oder Progesteron hätten Effekte auf das Energielevel, das Immunsystem, den Stoffwechsel und mehr.

"Das A und O ist das Tracking des Zyklus."

Sportpsychologin Jana Strahler

Es könne sich auch für Hobby-Sportlerinnen lohnen, den Zyklus im Blick zu behalten. "Das A und O ist das Tracking des Zyklus", erklärt Strahler. Während sich etwa die erste Zyklusphase für intensiveres Krafttraining eigne, sei in der zweiten Hälfte eher erhaltendes Training oder leichtes Ausdauertraining empfehlenswert – und während der Periode "alles, was gut tut". Einige Frauen hätten das Bedürfnis, während dieser Tage Sport ganz auszusetzen, für andere wirke die angeregte bessere Durchblutung und Kreislaufaktivität beim Sport krampflösend.

Problem: Dünne Studienlage – und Individualität eines jeden Zyklus

Auch eine Gruppe der britischen Northumbria University schreibt in einer im Fachblatt "Sports Medicine" veröffentlichten Studie, dass Training möglichst individuell dem Zyklus angepasst werden sollte – allgemeine Leitlinien aber schwierig seien. Bei einer Auswertung von 78 Studien zum Thema zeigte sich ein kleiner Effekt, dass die körperliche Leistungsfähigkeit in der frühen Follikelphase bei menstruierenden Personen leicht reduziert sein könnte, allerdings war der Effekt zu klein, um daraus allgemeingültige Schlüsse zu ziehen.

Insgesamt steht die Wissenschaft bei der Erforschung des Cycle Syncings noch relativ am Anfang. Eine im "Journal of Physiology" erschienene Studie eines Teams der kanadischen McMaster University in Hamilton konnte – allerdings nur mit zwölf Teilnehmerinnen – mit Blick auf den Muskelaufbau keinerlei Unterschiede je nach Zyklusphase nachweisen. Hauptautorin Lauren Colenso-Semple weist auch darauf hin, dass viele Frauen womöglich nicht wüssten, in welcher Phase ihres Zyklus sich ihre Hormone veränderten und wann welche Phase beginne oder ende – und damit eine mögliche Anpassung des Sportprogramms unnötig kompliziert werde.

"Cycle-Syncing-Programme ignorieren die Variabilität der Zykluslänge, das Timing des Eisprungs und Unterschiede bei der Fluktuation von Hormonen – sowohl von Frau zu Frau oder auch von Zyklus zu Zyklus", sagte Colenso-Semple der Deutschen Presseagentur (dpa).

Ernährungsanpassung an den Zyklus: Wann mehr Energie nötig ist

Trotz uneinheitlicher Befunde wird Cycle Syncing im Leistungssport teils bereits seit einigen Jahren praktiziert und zunehmend diskutiert. Die Frauenmannschaft des britischen Chelsea FC gilt als Vorreiter: Schon vor fünf Jahren nutzte der Verein eine App zum Tracken der Zyklen der Spielerinnen – unter anderem, um mit einem abgestimmten Training das Verletzungsrisiko zu verhindern.

Neben dem Sport ist auch die möglichst zyklusgerechte Ernährung Bestandteil des Cycle-Syncing-Konzepts. Eine im Journal "Nutrition Reviews" veröffentlichte Überblicks-Studie aus Neuseeland sieht Anzeichen dafür, dass Frauen in der Lutealphase mehr Energie benötigen als etwa in der Follikelphase.

Sportpsychologin Strahler führt aus: Während der Menstruation könnten entzündungshemmende Lebensmittel – Leinsamen, Lachs, Walnüsse – sowie wärmende Speisen helfen, während in der ersten Zyklusphase Proteine und Vollkornprodukte besonders hilfreich sein.

Empfehlungen der Redaktion

Es sei ausserdem normal, dass in der Lutealphase – also kurz vor der Menstruation – der Hunger grösser sei. Der Körper brauche teils 100 bis 300 Kalorien mehr pro Tag. "Das sind aber keine starren Regeln, sondern Anregungen, die jede individuell für sich ausprobieren kann." (dpa/bearbeitet von mak)

Verwendete Quellen