Bei dem Absturz der Boeing 787-8 Dreamliner in Ahmedabad verloren mindestens 265 Menschen ihr Leben. Bisher gibt es nur Spekulationen über die Unglücksursache. Jetzt vermelden die Behörden jedoch einen Fund, der ihnen weiterhelfen könnte.
Nach dem Flugzeugabsturz in Indien mit mehr als 240 Toten läuft die Suche nach der Unglücksursache. Premierminister Narendra Modi besuchte den Absturzort im Nordwesten des Landes und traf indischen Medienberichten zufolge im Krankenhaus jenen Mann, der als einziger Überlebender aus dem Flugzeug gilt. Am Freitagnachmittag meldeten die Behörden, den Flugschreiber gefunden zu haben.
Die Maschine der Gesellschaft Air India war am Donnerstag kurz nach dem Start in ein Wohngebiet nahe dem Flughafen der Grossstadt Ahmedabad gestürzt. Die Boeing 787-8 war auf dem Weg nach London.
Nach Angaben der Airline kamen 241 von 242 Menschen an Bord ums Leben. Wie viele Menschen in dem Wohngebiet getötet wurden, ist noch unklar. "Der Ort der Zerstörung stimmt traurig", teilte Regierungschef Modi auf der Plattform X mit. Er sprach von einer "unvorstellbaren Tragödie".
Absturzursache ist noch unklar – Bergungsteams suchen nach zweiter Blackbox
Warum die Maschine mit der Flugnummer AI171 abstürzte, ist bisher nicht klar. Experten sagten, es sei noch zu früh, um die Ursache festzustellen. Der 787-8 Dreamliner sei so konzipiert, dass er auch mit einem Antrieb fliegen könne, sagte der Luftfahrtexperte Jason Knight von der University of Portsmouth.
Die wahrscheinlichste Absturzursache sei daher der Ausfall beider Triebwerke, der wiederum am wahrscheinlichsten durch Vogelschlag verursacht worden sei.
Bergungsteams suchten unter anderem nach weiteren Wrackteilen, die eventuell Aufschluss liefern können. Unbestätigten Berichten zufolge soll es einen "Mayday"-Ruf aus dem Cockpit gegeben haben.
Mitentscheidend für die Ermittlungen ist der nun gefundene Flugdatenschreiber der Maschine. "Das bedeutet einen wichtigen Schritt vorwärts in den Untersuchungen", schrieb der Minister für Zivilluftfahrt, Ram Mohan Naidu Kinjarapu, auf X.
Der Flugdatenschreiber speichert Informationen wie Flughöhe, Geschwindigkeit und Kurs der Maschine. Nun fehlt noch der Stimmenrekorder, der die Kommunikation zwischen den Piloten und den Fluglotsen aufzeichnet.
Über den Stimmenrekorder sagte der Minister nichts. Beide Geräte werden jeweils als Black Box bezeichnet. Die britische Flugunfallbehörde AAIB kündigte an, ein Team nach Indien zu schicken. Auch der Flugzeughersteller Boeing erklärte sich bereit, die Ermittlungen zu unterstützen.
Experte: Blackbox-Auswertung ist für Ermittlungen entscheidend
Für die Aufklärung des Unglücks ist dem Luftfahrtexperten Heinrich Grossbongardt zufolge die Auswertung der Daten der Blackbox entscheidend. Derzeit sei es für eine Einschätzung noch zu früh. "Eine Erklärung könnte zum Beispiel sein, dass die Startklappen nicht richtig gefahren sind", sagte Grossbongardt in der ARD-"Tagesschau". Aber man könne im Augenblick wirklich nur spekulieren.
Der Fluglinie bescheinigte er eine zuletzt zunehmend bessere Qualität. "Air India hatte lange Zeit einen sehr schlechten Ruf, solange sie im Staatsbesitz war." Der neue Eigentümer, die Tata Group, habe aber viel investiert und den Qualitätsstandard so weit hochgefahren, "dass die Air India Mitglied der Star Alliance sein konnte zusammen mit Lufthansa, United und anderen wirklich sehr renommierten Airlines".
Nach Air-India-Absturz: Bisher 265 Todesopfer geborgen
Die Boeing 787-8 Dreamliner war am Donnerstag kurz nach ihrem Start ausserhalb des Flughafengeländes in ein Wohngebiet gestürzt. Auf in Online-Netzwerken veröffentlichen Videos war zu sehen, wie die Maschine mit nach oben gerichteter Nase schnell an Höhe verlor, in ein Gebäude krachte und in einem Feuerball explodierte.
Rettungsteams mit Spürhunden suchten am Freitag in den Trümmern nach möglichen weiteren Opfern. Nach Polizeiangaben wurden bislang 265 Todesopfer aus dem Flugzeugwrack sowie aus den Gebäuden geborgen, in die die Maschine gekracht war. Unter den Toten sind demnach mindestens 24 Menschen, die nicht an Bord des Flugzeugs gewesen waren.
Bei den 230 Passagieren des Fluges AI-171 handelte sich laut Air India um 169 Inder, 53 Briten, sieben Portugiesen und einen Kanadier. Zudem waren demnach zwölf Besatzungsmitglieder an Bord.
Teile des Flugzeugs durchbohrten ein Wohnheim
Bei dem Absturz traf das Flugzeug ein Wohnheim für Mediziner. Auf Videos war zu sehen, dass Teile des Flugzeugs das Gebäude durchbrachen. Der indische Sender NDTV berichtete, mindestens fünf Medizinstudenten seien ums Leben gekommen, als ein Teil der Unglücksmaschine auf ihre Unterkunft gefallen sei.
Am Ort des Unglücks bot sich ein Bild der Zerstörung. "Ich war zu Hause, als ich massiven Lärm hörte. Als ich rausging, um nachzusehen, was passiert war, lag dichter Rauch in der Luft. Überall waren Leichen und Wrackteile des Flugzeugs", sagte ein Augenzeuge in einem Video der Nachrichtenagentur PTI. Rettungskräfte transportierten zahlreiche mit Tüchern bedeckte Leichen ab.
Einziger überlebender Insasse schildert den Absturz
Nur ein Insasse des Flugzeugs überlebte den Absturz, er wurde in ein Krankenhaus gebracht. Vom Krankenbett aus schilderte der indischstämmige Brite, wie er den Absturz erlebte.
Er könne es selbst "überhaupt nicht glauben, wie es mir gelungen ist, da lebend rauszukommen", sagte der 40-jährige Vishwash Kumar Ramesh dem indischen Sender DD News. Schon "eine Minute nach dem Start" habe es sich angefühlt, als ob etwas nicht stimme. Dann sei die Air-India-Maschine schnell auf ein Gebäude zugeflogen und hineingekracht.
"Zuerst dachte ich auch, dass ich gleich sterben würde, aber als ich meine Augen öffnete, wurde mir klar, dass ich noch am Leben bin", schilderte Ramesh weiter. Videos, die in Online-Netzwerken verbreitet wurden, zeigen ihn, wie er in einem blutverschmierten T-Shirt zu einem Krankenwagen humpelt.
Wegen Verbrennungen und anderer Verletzungen wurde der 40-Jährige ins Krankenhaus gebracht. Dort stattete der indische Regierungschef Narendra Modi ihm am Freitag einen Krankenbesuch ab. Ausserdem besuchte der Premier den Absturzort.
Ein Bruder überlebte, der andere starb beim Absturz
Rameshs Familie schwankte nach dem Absturz zwischen Freude und Trauer, weil Vishwashs Bruder Ajay Kumar Ramesh starb. "Wir sind glücklich, dass Vishwash gerettet wurde, aber andererseits bricht uns das Herz wegen Ajay", sagte der 19-jährige Hiren Kantilal, ein Cousin der Brüder, in deren englischem Wohnort Leicester der Nachrichtenagentur AFP. Als Vishwashs Eltern ihn im Krankenhaus angerufen hätten, habe er gesagt: "Macht Euch um mich keine Sorgen, versucht Ajay Kumar zu finden."
In Ahemdabad kamen die ganze Nacht über Angehörige der Flugzeuginsassen zur medizinischen Fakultät Ahmedabad, um für einen Erbgutabgleich zur Identifizierung der Opfer eine DNA-Probe abzugeben. Ashfaque Nanabawa sagte, er komme wegen seines Cousins, dessen Frau und ihrer dreijährigen Tochter. Kurz vor dem Absturz habe er noch mit ihm telefoniert und er habe gesagt, dass das Boarding gut geklappt habe. "Das war sein letzter Anruf", fügte der Angehörige hinzu.
Eine Frau erzählte unter Tränen, dass ihr Schwiegersohn bei dem Absturz ums Leben gekommen sei – ihre Tochter dies aber noch nicht wisse. "Ich kann ihr die Nachricht nicht überbringen. Kann bitte jemand anderes das machen?", klagte sie.
Der Air-India-Mutterkonzern Tata kündigte an, den Hinterbliebenen zehn Millionen Rupien (101.000 Euro) pro Todesopfer zu zahlen. (AFP/dpa/bearbeitet von ank)