Er war Personenschützer von Charlotte Knobloch – und äusserte sich in privaten Chats judenfeindlich. Dass der Polizist trotzdem im Dienst bleiben darf, hat nun heftige Kritik ausgelöst.
Das Internationale Auschwitz Komitee hat eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kritisiert, wonach ein Polizist trotz judenfeindlicher und rassistischer privater Chats im Dienst bleiben darf. Der Mann war unter anderem als Personenschützer von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und des Generalkonsuls Israels tätig gewesen.
"Angesichts dieses schändlichen und traurigen Urteils übermitteln Überlebende des Holocaust aus aller Welt Charlotte Knobloch ihre Solidarität und ihren Dank", teilte die Präsidentin des Komitees, Eva Umlauf, mit. Sie habe über viele Jahre die deutsche Demokratie verteidigt und gestaltet.
Diese "schäbigen und absurden Auslassungen" der Richter am Münchner Verwaltungsgerichtshof habe sie nicht verdient. Vizepräsident Christoph Heubner bezeichnete die Entscheidung als Skandal, der dem Land massiv schade.
Spaenle: "Ich finde es unerträglich"
Das Polizeipräsidium München wollte den Mann aus dem Dienst entfernen, doch der Disziplinarsenat des Verwaltungsgerichtshofs entschied anders: Der Mann wurde lediglich zurückgestuft. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht München entschieden, dass eine Zurückstufung ausreichend sei.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bezeichnete die Entscheidung als "schwer nachvollziehbar". Die Äusserungen des Beamten seien "in höchstem Masse menschenfeindlich" und damit eindeutig gegen die Werte des Grundgesetzes gerichtet, sagte Klein der "Welt". "Dieser Fall zeigt, dass wir auch in der Justiz noch viel Aufklärungsarbeit über Antisemitismus und seine Folgen zu leisten haben."
Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, erklärte: Er sei dankbar, dass das Polizeipräsidium in dem Fall in die zweite Instanz gegangen sei. "Wir müssen von unseren Polizisten erwarten können, dass sie auch auf ihren privaten Plattformen keine judenfeindlichen oder rassistischen Aussagen treffen oder diese teilen. Ich finde es unerträglich, wenn ein Polizist Personen, die er schützen soll, ein Schicksal wie in der NS-Diktatur wünscht. Deshalb bedaure ich die Abwägung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sehr, der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt hat."
Der Senat des Verwaltungsgerichtshofs sah in dem Verhalten des Beamten in den privaten Chats "gedankenlose inakzeptable Äusserungen", wie die Pressestelle auf Anfrage mitteilte. Er habe sich dazu verleiten lassen, "in eine inhaltlich absolut verwerfliche Kommunikation mit Freunden einzutreten".
Keine Gesinnung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
Aber: Über die privaten Chats lasse sich dem Mann keine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Gesinnung nachweisen, heisst es in dem Urteil. Die privaten Nachrichten unterlägen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Meinungsfreiheit. "Das Vorliegen einer verfassungsfeindlichen Einstellung des Beklagten im Zeitpunkt der Taten lässt sich nicht zur vollen Überzeugung des Senats feststellen."
Weiter heisst es: Entgegen der Auffassung des Klägers kann daher nicht angenommen werden, dass der Beklagte die entsprechenden Äusserungen tatsächlich ernst gemeint hat - er hätte sich also nicht ernsthaft gewünscht, "dass die Schutzperson vergast bzw. in ein Konzentrationslager verbracht werden solle oder dass er die Absicht hatte, in der Reichspogromnacht auf die Strasse zu gehen."
Urteil macht Knobloch ratlos
Knobloch selbst sagte der "Welt", das VGH-Urteil mache sie ratlos: "Denn es geht ja um Vertrauen. Menschen, die auf den Schutz von Sicherheitskräften angewiesen sind, müssen diesen vertrauen können."
Die Chataussagen stammten zumeist aus dem Jahr 2014. Das Urteil wurde im Februar gesprochen, eine ausführliche schriftliche Darlegung kann aber nach VGH-Angaben in bestimmten Fällen einige Zeit in Anspruch nehmen. (dpa/bearbeitet von amb)