In Kiruna rollt ein Stück Geschichte durch die Strassen: Die Kirche der Stadt wird im Ganzen versetzt. Ein spektakulärer Umzug mit Liveübertragung im Fernsehen und vielen Schaulustigen.

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens und in Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens, herrscht mehr Aufregung als sonst. Tausende haben sich in der Nähe der historischen Holzkirche versammelt, zahlreiche Männer in gelben Warnwesten laufen umher, das schwedische Fernsehen sendet live aus der Kleinstadt.

Kiruna-Kirche auf Rädern
Balken auf einer Radkonstruktion stützen die Kiruna-Kirche, einen Tag bevor sie auf einer 5 Kilometer langen Strecke nach Osten in ein neues Stadtzentrum verlegt wird. © dpa/AP/Malin Haarala

Bischöfin Åsa Nyström hat soeben die Kirche gesegnet und jetzt geht es los: Das 672 Tonnen schwere Gotteshaus soll umgesiedelt werden - im Ganzen, einige Kilometer Richtung Osten. Am Dienstagmorgen setzt sich der speziell konstruierte Transporter mit dem etwa 40 Meter breiten und 40 Meter langen Gebäude also in Bewegung. Beim Fernsehsender SVT ist den ganzen Vormittag zu sehen, wie die Kirche im Schneckentempo durch Kiruna bugsiert wird.

Holzkirche in Kiruna

Umzug wegen Bergbau: Berühmte schwedische Kirche muss weichen

Grund für die Verlegung des Gotteshauses, das einst zum schönsten Gebäude Schwedens gekürt wurde, ist die Ausweitung des weltgrössten unterirdischen Eisenerzbergwerks in Kiruna. (Photocredit: picture alliance / imageBROKER/Scholz, F.)

Nicht nur die Kirche muss umziehen

Die Kirche ist nicht das erste Gebäude in Kiruna, das umziehen muss. Die Stadt hat schon vor Jahren damit begonnen, den Ortskern Richtung Osten umzusiedeln. Grund ist, dass es in Kiruna die grösste unterirdische Eisenerzgrube der Welt gibt und sich durch den Bergbau mit den Jahren das Risiko für Erdrutsche und die Einsturzgefahr von Gebäuden erhöht hat.

Eine schwedische Stadt zieht um
Vikarin Lena Tjarnberg (links) und Bischof Asa Nystrom segnen die Kiruna-Kirche, vevor sie in das neue Stadtzentrum verlegt wird. © dpa/AP/Malin Haarala

Rund 6.000 Einwohner werden umgesiedelt, was gut einem Drittel von Kirunas Bevölkerung entspricht. Dazu kommen Dutzende Geschäfte, öffentliche Einrichtungen wie Schulen und das Krankenhaus - und eben die Kirche. Bis 2035 soll Kirunas Umsiedlung endgültig abgeschlossen sein.

Der Umzug der Kirche ist aber etwas ganz Besonderes für die Stadt im Norden. Die 1912 eingeweihte Kiruna kyrka, wie sie auf Schwedisch heisst, ist nicht nur das grösste umzusiedelnde Gebäude, sie ist auch ein Wahrzeichen der Stadt. 2001 wurde sie zum schönsten Gebäude von ganz Schweden gewählt. Sie ist im nationalromantischen Stil gebaut und verbindet Einflüsse von norwegischen Stabkirchen mit denen der samischen Koten. Kiruna liegt im traditionellen Siedlungsgebiet des indigenen Volkes der Samen.

Kirche auf Rollen vor dem Umzug
Bauarbeiter und Medienvertreter stehen in der Nähe der schwedisch-lutherischen Holzkirche, einen Tag vor der Umsiedlung. © dpa/AP/Malin Haarala

Projektleiter zufrieden mit dem Umzug der Kirche

Sogar der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson äusserte sich zur Umsiedlung der Kirche. Zur Nachrichtenagentur TT sagte er: "Der Umzug symbolisiert sowohl den Respekt vor unserem gemeinsamen Kulturerbe als auch die Bedeutung der schwedischen Bergbauindustrie, die unser Land reich und stark gemacht hat."

Gegen Mittag zeigt sich Projektleiter Kjell Olovsson zufrieden mit dem "Grossen Kirchenumzug", wie das schwedische Fernsehen die komplizierte Operation nennt: "Alles läuft reibungslos und die Konstruktion verhält sich genau so, wie wir es erwartet haben."

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Am Mittwoch soll der Umzug abgeschlossen sein. Bis dahin steht noch einiges auf dem Programm in der nordschwedischen Stadt: Ein samischer Chor soll auf der eigens für das Grossevent aufgebauten Bühne auftreten - ebenso die Spassband KAJ, die beim diesjährigen Eurovision Song Contest für Schweden angetreten ist. Und sogar König Carl XVI. Gustaf will sich das Spektakel nicht entgehen lassen - er wird am Mittwoch in Kiruna erwartet. (dpa/bearbeitet von amb)