Fast 20 Prozent der Frauen und 15 Prozent der Männer weltweit haben vor ihrem 18. Lebensjahr sexuelle Gewalt erfahren. Eine globale Studie belegt die erschreckenden Zahlen. In Deutschland sind besonders viele Frauen betroffen.

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Fast jede fünfte Frau und rund jeder siebte Mann auf der Welt sind als Minderjährige Opfer sexueller Gewalt geworden. Das geht aus einer globalen Studie hervor, die im Fachjournal "The Lancet" veröffentlicht wurde. Demnach lag der Anteil von Frauen, die vor ihrem 18. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlebt haben, im Jahr 2023 global bei durchschnittlich knapp 19 Prozent, bei Männern bei knapp 15 Prozent. Die Zahlen seien seit 1990 weitgehend unverändert geblieben.

Deutschland im Vergleich: Höhere Zahlen bei Frauen

In Deutschland sind der Studie zufolge mit fast 20 Prozent noch mehr Frauen, mit knapp 14 Prozent aber etwas weniger Männer betroffen. Generell war der Anteil der Betroffenen in reicheren Ländern mit hohen Einkommen mit knapp 24 Prozent bei Frauen und 15 Prozent bei Männern sogar höher als im globalen Schnitt.

Dunkelziffer: Ein erhebliches Problem in vielen Ländern

In der Studie wird allerdings auch auf vermutlich besonders hohe Dunkelziffern in ärmeren Ländern hingewiesen, wegen fehlender Daten oder schwacher Erhebungsinstrumente. Doch auch in reicheren Ländern könne es eine hohe Dunkelziffer geben, beispielsweise durch Erinnerungslücken, Scham oder traumabedingte Amnesie. Alle Daten haben gewisse Unsicherheitsintervalle, können also in einem bestimmten Spielraum auch höher oder niedriger sein.

Die Länder mit dem höchsten Anteil bei Frauen waren die Salomonen mit fast 43 Prozent sowie die Elfenbeinküste mit 32 Prozent, Chile, Costa Rica und Indien liegen bei rund 31 Prozent.

"Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein weit verbreitetes Menschenrechts- und Gesundheitsproblem und die Welt schafft es eindeutig nicht, ihr ein Ende zu setzen", sagte die leitende Autorin Emmanuela Gakidou, Professorin am Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) an der University of Washington School of Medicine in Seattle. Die Zahlen seien "zutiefst besorgniserregend und wir brauchen dringend Massnahmen von allen Ländern, um Gesetze, Richtlinien und die Reaktionsweise von Experten zu verbessern."

Langfristige Folgen: Höheres Risiko für Krankheiten

Co-Autorin Luisa Flor, Assistenzprofessorin am IHME, betonte: "Überlebende sexueller Gewalt gegen Kinder haben ein höheres Risiko, Depressionen, Angstzustände, Drogenmissbrauch, sexuell übertragbare Infektionen und sogar Asthma zu entwickeln." Sexuelle Gewalt gegen Kinder könne sich auch auf ihre soziale Entwicklung, ihren Bildungserfolg und ihren wirtschaftlichen Erfolg auswirken.

Die Forscher nutzten Daten aus 460 Quellen, darunter internationale Datenbanken wie der Global Health Data Exchange und die WHO-Datenbank zu Gewalt gegen Frauen. Berücksichtigt wurden nur bevölkerungsrepräsentative Studien aus den Jahren 1980 bis 2023. Um Unterschiede zwischen den Datensätzen auszugleichen, passte das Team verschiedene Definitionen sexueller Gewalt an und schätzte die Prävalenz in 204 Ländern mit Hilfe eines statistischen Modellierungsverfahrens.

Als sexuelle Gewalt galten unerwünschte sexuelle Kontakte (auch Berührungen, nicht nur Geschlechtsverkehr) vor dem 18. Lebensjahr gemäss internationalen Standards der Vereinten Nationen. Nicht gezählt wurden Online-Missbrauch oder -Ausbeutung, da Informationen darüber in der Regel separat erfasst werden. (dpa/bearbeitet von amb)

Hilfsangebote

  • Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016 oder online), das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" (0800/1239900 oder online), das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (0800/225 5530), in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437) und in der Schweiz an die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana, 031/3131 400)
  • Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
  • Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.