Alzenau/Amsterdam - Sushi und Ramen - damit verbinden viele Deutsche die japanische Küche. Das Land der aufgehenden Sonne hat aber deutlich mehr zu bieten, gilt seine Küche doch als eine der besten. Der Guide Michelin führt über 1.000 Restaurants auf, von denen 362 mit Sternen prämiert sind. Japanische Speisen bestechen vor allem durch ihr pures Aroma, die absolute Frische der Zutaten und stilvolles Anrichten.

Mehr zum Thema Ernährung

Eigengeschmack, Frische, Saisonalität und Ästhetik

Für Asienkenner und Foodblogger Stefan Leistner aus Alzenau (Bayern) zeichnet sich diese Küche "durch ihre Ästhetik, Saisonabhängigkeit und den Fokus auf frische, hochwertige Zutaten aus". Dabei steht immer das Produkt im Vordergrund. "Sein Eigengeschmack soll erhalten bleiben, weshalb Gewürze, Schärfe und auch Fett deutlich sparsamer als in anderen asiatischen Küchen verwendet werden", erklärt Kochbuchautorin Inga Pfannebecker aus Amsterdam.

Die australisch-japanische Autorin und Foodbloggerin Emiko Davies lebt seit langem in Italien, schwärmt aber noch immer von der Küche ihrer Grossmutter und ihrer Mutter. Ihr Buch "Gohan. Japanische Rezepte für jeden Tag" ist ein Lobgesang auf die selbst zubereitete Alltagsküche.

Denn anders als viele denken, erfordert sie nicht viel Feinarbeit und Zeitaufwand. "Sie ist schnell und bemerkenswert einfach, dank der japanischen Philosophie, dass gutes frisches, saisonales Essen nicht viel braucht, damit sein natürlicher Geschmack hervortritt, und dass es nicht zu lange gekocht werden soll", betont Davies.

"Itadakimasu" - Wertschätzung des Kochens und des Essens

Ebenso wichtig wie der Geschmack ist die Präsentation der Speisen. "Die Anordnung der Lebensmittel auf dem Teller hat für die japanische Küche eine kulturelle Bedeutung und trägt zur Gesamterfahrung des Essens bei", erklärt Leistner.

Miso-Dashi
Besonders bei der Zubereitung japanischer Suppen bildet Dashi, also ein japanischer Fischsud, meist den Grundstock. So findet die Brühe beispielsweise bei Suimono, Ramen oder der beliebten Misosuppe Verwendung. © dpa / Simi Leistner/Asiastreetfood.com/dpa-tmn

"Itadakimasu", das zu Beginn einer Mahlzeit gesprochen wird, drückt mehr als nur "Guten Appetit" aus. Für Emiko Davies spiegelt es "das buddhistische Konzept des Danks an die Natur wider, die unser Leben nährt". Es ist ein Zeichen des Respekts für alles Lebendige, das die Mahlzeit geschaffen hat.

Gohan, Dashi und Miso

Nach dem japanischen Volksglauben residieren in jedem Reiskorn sieben Gottheiten. Dies zeigt den immensen Stellenwert, den Gohan (Reis) in der Kultur des Landes hat. "Reis ist nicht nur eine Beilage, sondern auch ein zentraler Bestandteil vieler Hauptgerichte", sagt Leistner. Die meistverwendete Sorte Japonica, auch als Sushi-Reis bekannt, ist kurzkörnig und aufgrund des hohen Stärkeanteils leicht klebrig.

Auch ohne Dashi und Miso geht in Japans Küchen nichts. "Miso ist eine fermentierte Paste, die aus Sojabohnen, Reis oder Gerste hergestellt wird", so Leistner. Sie gibt der Misosuppe, die fast zu jeder Mahlzeit vom Frühstück über Mittagessen bis hin zum Abendessen gelöffelt wird, ihren typischen Geschmack. Oft kommen in die Suppenschale noch Tofu, Algen und Gemüse. Auch zum Würzen von Marinaden und Dressings verwendet, variiert die Paste je nach Fermentationszeit und Zutaten stark in Geschmack und Farbe.

Dashi ist eine Brühe aus Kombu (getrocknetem Seetang) und Katsuobushi (Bonito-Flocken). Letzteres kann durch getrocknete Anchovis oder für eine vegane Variante durch getrocknete Shiitake-Pilze ersetzt werden, rät Leistner. Quasi als Universalgewürz ist die leichte Brühe unverzichtbar für Suppen, Sossen und Geschmortes. Dashi und Miso verleihen den Gerichten ihren Umami-Geschmack, sprich ein herzhaft-fleischiges Aroma.

Japanische Nudelvielfalt - Ramen als Import aus China

In Japan werden Nudeln gern geschlürft. Die wichtigsten sind dicke, zähe Weizennudeln (Udon), dünne Nudeln aus Buchweizen (Soba) und extrem feine Weizennudeln (Somen). Je nach Sorte schmecken sie in einer warmen Brühe mit Gemüse oder Meeresfrüchten, kalt mit Gurke, Ingwer oder gebratenen Ramen-Nudeln als Yakisoba mit hausgemachter Sosse.

Shioramen
Shio Ramen ist die älteste Ramen-Variante - eine traditionelle japanische Nudelsuppe, die ihren Namen dem Salz verdankt. © dpa / Simi Leistner/Asiastreetfood.com/dpa-tmn

Ramen-Nudeln wurden vermutlich von chinesischen Migranten Ende des 19. Jahrhunderts ins Land gebracht. Die inzwischen auch ausserhalb Japans populäre Ramen-Suppe besteht "häufig aus Schweinefleisch, Huhn oder Dashi", sagt Leistner. Sie variiere je nach Region, wobei es viele Stile wie Shoyu (Sojasosse), Miso, Tonkotsu (Schweineknochen) und Shio (Salz) gibt.

Für Shio Ramen kocht Leistner Hühnerbrühe, Dashi, Sake, Mirin, Ingwer, Knoblauch, Salz und Pfeffer auf und lässt alles 30 Minuten köcheln. In die salzige Brühe gibt er blanchierten Spinat, Mais und gebratene Shiitake-Pilze sowie Ramen-Nudeln. Ein saftiger Teriyaki Lachs rundet das Gericht ab.

Starke regionale Unterschiede

Wer das Land schon mal bereist hat, weiss um die rund 30.000 Kilometer lange Küstenlinie, die Vielzahl der Vulkanberge und die starken klimatischen Unterschiede von Nord nach Süd. Die meisten Nahrungsmittel kommen aus dem Meer: Fisch, Meeresfrüchte und Algen. Fleisch gilt als Luxus auf Japans Tellern, wohl eine Folge des jahrhundertelangen Verbotes von Fleischverzehr.

Jede Region kennt ihre Spezialitäten. Hokkaido im Norden begeistert mit Hakodate Ramen, einer Nudelsuppe mit Schweinefleisch, Bambussprossen, Spinat und Frühlingszwiebeln in salziger Brühe, oder Asahikawa Ramen, einer reichhaltigen, Soja-basierten Brühe aus Meeresfrüchten und Fleisch. Hokkaido ist bekannt für Kombu, Lachs, Königskrabben oder Jakobsmuscheln aus dem Saroma-See. Letztere werden entweder gegrillt oder als Sashimi genossen. Wer es süss mag, gönnt sich ein lokal produziertes Matcha-Eis.

Nigiri, Maki, Temaki und Sashimi

Die Hauptstadt Tokio ist der perfekte Ort, um Sushi-Variationen zu geniessen wie Nigiri-Sushi aus Reis mit einer Scheibe frischen Fisch oder Chirashi-Sushi, eine Schüssel Reis mit eingelegtem Gemüse und Meeresfrüchten. Beliebt ist Maki-Sushi, Reis mit unterschiedlichen Zutaten in getrockneten Seetang namens Nori gerollt. Dazu gehören Makis wie California Roll, Tuna Roll und Vegetable Roll. Temaki ist eine handgefertigte Rolle. Meist kunstvoll angerichtetes Sashimi ist dünn geschnittener roher Fisch oder Meeresfrüchte ohne Reis, oft mit Sojasosse, Wasabi und eingelegtem Ingwer serviert.

Kalte Somen Nudeln
Somen Nudeln sind dünne weisse japanische Weizennudeln, die normalerweise kalt gegessen werden. Die Nudeln werden kurz gekocht und mit Eiswürfeln gekühlt und serviert. © dpa / Emiko Davies, Hana Davies & Yuki Sugiura/dpa-tmn

"Sushi hat seine Wurzeln in der Fischkonservierung mit fermentiertem Reis. Im 16. Jahrhundert wurde die Idee populär, Fisch in Essig zu marinieren, und im 19. Jahrhundert entstand in Edo (heute Tokyo) das Edomae-Sushi, ein schneller Snack, der mit frisch gefangenem Fisch aus der Edo-Bucht zubereitet wurde", erklärt Leistner.

Westliche Einflüsse

"Frittierte Gerichte wie Tempura und Karaage wurden im 16. Jahrhundert von portugiesischen Missionaren und Händlern im Süden Japans eingeführt", berichtet Emiko Davies. Für Tempura werden Meeresfrüchte oder Gemüse in einem leichten Teigmantel ausgebacken. Für Karaage wird oft Hähnchen in Sojasosse, Mirin und Gewürzen mariniert, in Kartoffelstärke gewendet und dann knusprig frittiert. Das Gericht ist ein beliebter Snack und schmeckt auch kalt.

Als Ende des 19. Jahrhunderts Fleisch in den Speiseplan aufgenommen wurde, übernahmen die Japaner noch andere westliche Gerichte, erzählt Davies. Dazu gehört Tonkatsu, ein paniertes, gebratenes und in Streifen geschnittenes Schweineschnitzel. Zum Panieren verwendet man Panko-Brösel aus hellem Weizenbrot.

Soulfood wie Okonomiyaki, Curry-Rice und Yakitori

Ein Wohlfühlgericht ist Okonomiyaki, eine herzhafte Variante des Pfannkuchens. Hergestellt aus einer Mischung von Gemüse, Teig, Fleisch, Meeresfrüchten oder Käse, kann jeder es sich nach seinen Wünschen anpassen, sagt Leistner. "Okonomi" bedeutet so viel wie "was du magst" und gilt als Soulfood - Essen, das der Seele guttut.

Dazu zählt auch Curry-Rice. Japanisches Curry hat eine süsslich-würzige Note und wird meist mit Kartoffeln, Karotten und Fleisch serviert. Seine einfache Zubereitung macht das Gericht zu einem bequemen und beliebten Essen.

Kalte Sobanudeln
Soba sind dünne, braun-graue Nudeln aus Buchweizen und gehören zur japanischen Küche. Traditionell hergestellte Soba-Nudeln werden mit Hilfe eines speziellen Nudelmessers per Hand aus dem Nudelteig geschnitten. © dpa / Julia Hörsch/Gräfe und Unzer Verlag/dpa-tmn

Auch eine Platte mit Yakitori, gegrillten Spiessen aus Fleisch, Fisch oder Geflügel, lädt zum gemeinsamen Essen ein. Das Grillgut wird mit würziger Teriyaki-Marinade bestrichen. In Japan isst man die Spiesse in speziellen Yakitori-Restaurants oder zu Hause mit Familie oder Freunden.  © Deutsche Presse-Agentur