Dass zwischen Grosseltern und Enkelkindern oftmals eine geografische Distanz besteht, ist aufgrund veränderter Lebensmodelle heutzutage in vielen Familien normal. Deshalb ist es umso wichtiger, die Beziehung zueinander auch über die Entfernung hinweg zu pflegen. Wie das gelingen kann und was vor allem auch die Eltern tun können, um trotz Distanz Nähe zu schaffen.

Oma und Opa wohnen fünf Stunden entfernt, die Enkel kommen nur zwei-, dreimal im Jahr. Alle unter einem Dach – das ist selten geworden. Berufliche Mobilität und veränderte Familienstrukturen sorgen dafür, dass Grosseltern und Enkel häufig weit voneinander entfernt leben. Statt spontaner Nachmittage oder regelmässiger Sonntagsbesuche bleiben nur ein paar gemeinsame Ferien- und Feiertage im Jahr.

"Aber nah sein kann man sich trotzdem", sagt Alexandra Langmeyer. Die Pädagogin leitet am Deutschen Jugendinstitut die Fachgruppe "Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern" und erforscht unter anderem, welche Rolle die Familie im Aufwachsen von Kindern spielt. Räumliche Distanz stelle eine gewisse Herausforderung dar, wenn es um die Beziehung von Enkeln und Grosseltern geht. Aber sie biete auch Chancen, weil die Begegnungen dann nicht Alltag sind, sondern etwas Besonderes.

Pädagogin: "Das sind oft qualitativ sehr hochwertige Beziehungen"

Für Kinder können Oma und Opa wichtige Bezugspersonen sein, die ihnen im besten Fall Liebe, Geborgenheit und Familiengeschichte vermitteln. Und das Miteinander mit viel Gelassenheit angehen, "weil sie das alles ja schon einmal erlebt haben", sagt Langmeyer: "Das sind oft qualitativ sehr hochwertige Beziehungen, von denen beide Seiten profitieren." Grossmütter seien etwas stärker involviert. "Aber auch viele Grossväter geniessen es sehr, das Aufwachsen der Enkel zu erleben, während sie es bei den eigenen Kindern oft gar nicht so intensiv begleiten konnten."

Der Job der Eltern ist es, zu erziehen, Grenzen zu setzen und den Alltag zu strukturieren. Grosseltern dagegen dürfen eine andere Rolle einnehmen mit mehr Zeit für Zuhören, Spielen, Erzählen. "Aber es ist eine Dreiecksbeziehung", betont Langmeyer und erklärt: "Die Eltern sind die Türöffner. Sie müssen den Kontakt herstellen und ermöglichen."

Dazu gehört, dass man Oma und Opa präsent hält, auch wenn sie körperlich nicht anwesend sind. Indem man etwa regelmässig über sie spricht. Oder Fotos austauscht – "die Kinder dabei aber, sobald das möglich ist, fragt, ob sie einverstanden sind, dass man dieses oder jenes Bild übermittelt", sagt Langmeyer.

Dank digitaler Medien viel leichter, Kontakt zu halten

"Es ist in den vergangenen Jahren durch die digitalen Medien sehr viel leichter geworden, Kontakt zu halten", findet auch Annette Sperling. Die Pädagogin coacht als Familienberaterin nicht nur Eltern, sondern auch Grosseltern. Der Videocall per Handy oder Tablet trage dazu bei, dass die Enkel mit den Grosseltern vertraut bleiben.

"Grosseltern sollten ohne Erwartungen den Kontakt suchen und nicht verlangen, dass man täglich oder zu bestimmten Zeitpunkten telefoniert."

Annette Sperling, Pädagogin

Sperling empfiehlt Eltern, die Kinder auch unbeobachtet mit den Grosseltern sprechen zu lassen – und gar nicht unbedingt immer in Form des klassischen Telefonats: "Man kann vorlesen, ein Spiel spielen, sich im Kinderzimmer etwas zeigen lassen."

Und wenn das Kind gerade mal keine Lust hat oder mit anderen Dingen beschäftigt ist? "Dann ruft man eben später noch mal an", sagt Sperling und rät zu Flexibilität: "Grosseltern sollten ohne Erwartungen den Kontakt suchen und nicht verlangen, dass man täglich oder zu bestimmten Zeitpunkten telefoniert."

Mehr Zeit, weniger Leistungsdruck

Leben Oma und Opa weit weg, bietet es sich an, dass die Kinder in den Ferien auch mal länger bleiben. Ein solcher Aufenthalt bei den "Weit-weg-Grosseltern" hat verglichen mit den regelmässigen Begegnungen mit "Immer-da-Grosseltern" durchaus Vorteile, so Sperling: "Das kann für die Kinder ein echter Rückzugsort vom Alltag und von ihrem oft sehr durchgeplanten Leben sein."

Grosseltern hätten mehr Zeit und nicht den Leistungsdruck, den Eltern oft empfinden. "Sie können sich auf die Kinder einlassen, ihnen ungeteilte Aufmerksamkeit entgegenbringen und sollten diese Chance nutzen, ohne dabei aufs Handy zu schielen. Wenn Dinge zu erledigen sind, dann kann man sie oft gut gemeinsam erledigen", so Sperling.

Allerdings müsse der Besuch für gutes Gelingen entsprechend geplant sein. Dazu gehört, dass man mit den Eltern bespricht, worauf zu achten ist, etwa in Sachen Ernährung oder Gesundheit, welches Gute-Nacht-Ritual wichtig ist und was hilft, wenn das Kind traurig ist. Gerade wenn die Kinder noch klein sind und der Abschied schwerfällt, "hilft es sehr, wenn die Eltern wahrnehmen, dass die Grosseltern gut vorbereitet sind, dass Putzmittel weggeräumt, Treppengitter aufgebaut und Steckdosen gesichert sind", sagt Sperling.

Beziehung zwischen Eltern und Grosseltern entscheidend

Denn für eine gelingende Grosseltern-Enkel-Beziehung sei es wichtig, dass auch die Beziehung zu den Eltern stimmt. "Wenn ich ein wichtiger Teil im Leben meines Enkelkindes sein möchte, dann muss ich mich loyal meinem Kind und der Familie meines Kindes gegenüber zeigen", betont die Familienberaterin.

Grosseltern sollten sich "grundsätzlich nach den Regeln der Eltern richten". Gleichzeitig sei es Aufgabe der Eltern, "loszulassen und den Grosseltern ein Stück weit zu vertrauen". Problembehaftet seien unterschiedliche Erziehungskonzepte: "Da müssen die Eltern eine klare Linie vorgeben und die Grosseltern müssen sich daran halten."

"Studien zeigen, dass ein guter Kontakt zu den Enkeln bei vielen Grosseltern die Lebenszufriedenheit steigert."

Alexandra Langmeyer, Pädagogin

Und was tun, wenn die Tränen fliessen am Süsswaren-Regal? Ist es ein Vertrauensbruch, wenn man dann doch etwas kauft, obwohl Süssigkeiten in der Familie eigentlich tabu sind? "Das kommt auf die Situation an", findet Sperling: "Oft gibt es ja doch noch einen gewissen Spielraum. Aber wenn die Eltern es strikt nicht wollen, dann wäre es ein Vertrauensbruch." Andererseits gehe es beim Kind oft gar nicht um die Gummibärchen, sondern um ein ganz anderes Bedürfnis, um Heimweh etwa oder Müdigkeit.

Der Aufbau einer tragfähigen Beziehung über die Distanz braucht Zeit und Geduld. Besonders bei Jugendlichen kann es Phasen geben, in denen das Interesse an der Gesellschaft der Grosseltern nachlässt und TikTok interessanter ist als "Mensch ärgere dich nicht". Auch das sollte man gelassen aushalten, findet Sperling. Ihr Rat: "Der Situation Zeit geben und Interesse zeigen an der Lebenswelt der Kinder – in jedem Alter."

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Denn wenn man sich nah bleibt, dann profitieren alle, sagt Alexandra Langmeyer und fügt hinzu: "Studien zeigen, dass ein guter Kontakt zu den Enkeln bei vielen Grosseltern die Lebenszufriedenheit steigert." (dpa/bearbeitet von sav)