Ein Cappuccino für 2,50 Euro, während andere Cafés 5 Euro verlangen. LAP Coffee verspricht "ethisch beschafften" Kaffee zum Billigpreis. Was steckt wirklich hinter den Versprechen der umstrittenen Kette? Utopia.de hat nachgefragt – und getestet.

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Entweder, man liebt die günstigen Preise, oder man sieht darin das Ende der Cafékultur. Bei LAP Coffee scheiden sich die Geister – und online wird eine erbitterte Debatte über die Kette geführt. Eine linksextreme Gruppe riefen sogar zu gewaltsamem Widerstand gegen die Kaffeeläden auf, wie die Hamburger Morgenpost berichtete.

Was hat es wirklich mit "Life Among People" auf sich? Und kann der Billigkaffee, den LAP Coffee als "ethisch beschafft" (ethically sourced) bezeichnet, wirklich zu gerechten Preisen gehandelt werden oder nachhaltig sein?

LAP Coffee: Wie kommt der günstige Preis zustande?

Die erste Filiale von LAP Coffee wurde 2023 in Berlin eröffnet. Inzwischen gibt es circa 20, auch in Hamburg und München. Das Erfolgsrezept ist kein Geheimnis, sondern Marketingstrategie: Der Cappuccino kostet hier nicht 5 Euro sondern 2,50 Euro.

Und das, obwohl die Preise für Bohnen und Co. zuletzt stark gestiegen sind. Laut Statistischem Bundesamt ist Kaffee innerhalb eines Jahres um 22,8 Prozent teurer geworden. Als Gründe gelten unter anderem Ernteausfälle durch den Klimawandel und eine gestiegene Nachfrage (aus Asien, Afrika und Südamerika).

Der günstige Preis von LAP Coffee entsteht durch ein Tech-Start-up-Konzept: kleine Ladenflächen und schneller Durchlauf statt Verweilkultur, wenig Sitzplätze, sterile Einrichtung. Die Filialleiter:innen müssen auch keine Baristas einstellen, da der Kaffee per Knopfdruck aus dem Automaten kommt. Finanziert wird die Expansion durch namhafte Investoren wie HV Capital, FoodLabs und Insight Partners, was dem Unternehmen laut FAZden Vorwurf einbringt, auf "Profit um jeden Preis" zu setzen. Eine in verschiedenen Medien zitierte Instagram-Userin soll die Kette auch als "Temu für Kaffee" bezeichnet haben.

Die Kritik verstärkt sich dadurch, dass die Gründer Ralph Hage und Tonalli Arreola aus der Start-up-Szene stammen und keinen gastronomischen Hintergrund haben. Kleine, inhabergeführte Cafés fürchten die Verdrängung durch das aggressive Preismodell. Die Kette selbst beschreibt ihre Mission gegenüber Utopia.de als "Verlässlichkeit statt Chichi". Ein Sprecher erklärt: "Wir wollen guten Kaffee zum Preis, wie er vor zwei Jahren überall in Deutschland noch üblich war, wieder zugänglich machen."

Das Geschäftsmodell der Billigcafés ist dabei übrigens nicht neu. Auch in internationalen Grossstädten wie London, Tokio oder New York gibt es Ketten, die nach dem Prinzip arbeiten, schreibt FAZ.

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Ist LAP Coffee nachhaltig?

LAP steht für "Life Among People", also "Leben unter Menschen". Das klingt nach einem sozialen Ansatz – aber ist das wirklich so? Auf der Website der Kette heisst es, der Kaffee werde von der Rösterei 19grams aus Berlin geröstet. Die für LAP Coffee genutzte Sorte stamme von der Santa-Cecilia-Farm in Brasilien.

LAP Coffee verspricht, dass der Kaffee "ethisch beschafft" ist. Doch die Sorte ist nicht mit unabhängigen Siegeln (wie etwa Fairtrade) ausgezeichnet, die das belegen. 19grams führt auf der eigenen Webseite lediglich Informationen zu dem Kaffeelandwirt auf, der die Farm leitet, von der der Kaffee stammt. An einer anderen Stelle heisst es, man zahle den Farmern das Drei- bis Vierfache des Fairtrade-Preises, allerdings ohne nähere Informationen oder Belege.

Utopia.de hat bei LAP Coffee nachgefragt, wie sie die Fairness des Kaffees garantieren können und was genau damit gemeint ist. Der Sprecher betonte, dass LAP Coffee Kaffee bezieht, der von einer einzigen Farm stammt. Die Lieferkette sei besonders kurz, die Rösterei kauft die Bohnen direkt von den Farmer:innen. Es gebe lange bestehende Lieferbeziehungen zum Röster. Ausserdem baue die Farm "Specialty Coffee" (also besonders hochwertige Kaffeesorten) an, weshalb sie "eine Prämie in Form eines höheren Preises für ihre Arabica-Bohnen" erhielte, "weil die Produktion mit deutlich mehr Aufwand, selektiver Ernte und hoher Qualitätssicherung verbunden" sei. Wie hoch die Prämie für Kaffeebauer:innen genau ist und wie weit sie über der am Weltmarkt üblichen liegt, verriet LAP Coffee auf Nachfrage nicht.

Utopia.de fragte auch nach Belegen dafür, dass der verwendete Kaffee fair gehandelt wurde. Der LAP-Coffee-Sprecher verwies unter anderem auf einen Lieferantencodex, der zum Beispiel Kinder- und Zwangsarbeit verbietet. Solche Vorschiften sind verbreitet – ohne eine Prüfung unabhängiger Dritter dienen sie unserer Meinung nach aber nur bedingt dazu, Ausbeutung zu verhindern.

Die Kette hat auch Getränke mit Matcha im Sortiment. Der Matcha ist bio-zertifiziert. Dass man beim Kaffee auf ein Biosiegel verzichte, habe verschiedene Gründe, erklärt der LAP-Coffee-Sprecher gegenüber Utopia.de. Bio‑zertifizierte, besonders hochwertige Kaffeesorten (Specialty‑Qualitäten) seien in den entsprechenden Geschmacksprofilen nicht immer stabil verfügbar – und häufig teurer.

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LAP Coffee gibt Kund:innen ein paar Anreize, um Pappbecher einzusparen. Wer seine eigene Tasse mitbringt, zahlt 15 Prozent weniger – im Falle des Cappuccino sind also knapp 38 Cent gespart. In den Filialen gibt es auch Geschirr, aus dem man trinken kann.

Faktisch werden aber wahrscheinlich wenige dieses Geschirr nutzen, weil die Cafés nicht zum Verweilen konzipiert sind. Auch der Sprecher betont, man bediene "to‑go und Micro‑Retail statt Sitzgastronomie".

Für ToGo-Kund:innen gibt es wiederverwendbare ReCup-Becher, die man gegen Pfand verwenden kann. Das Konzept ist auch in vielen anderen Cafés und Bäckereien in Deutschland verbreitet. Auf Nachfrage nennt der Sprecher noch ein paar weitere Nachhaltigkeitsbemühungen, etwa energieeffiziente Maschinen und konsequente Mülltrennung. Das angebotene Gebäck stamme von Nachbarbetrieben, um Wege zu verkürzen.

Wie gross ist das Risiko für kleine Cafés?

LAP Coffee verspricht gegenüber Utopia.de, derzeit keine Preiserhöhungen geplant zu haben. Und, man könne "dauerhaft fair bleiben". Was mit "fair" gemeint ist, wird sich zeigen. Mehrere Medien berichten von der Sorge, dass LAP Coffee darauf abziele, erst die Mitbewerber durch niedrige Preise zu verdrängen, um diese dann später zu erhöhen.

Das ist eine gängige Verdrängungstaktik, wie sie schon viele Unternehmen angewendet haben. Ein gängiges Beispiel ist zum Beispiel Amazon. Das Unternehmen hat etwa den Konkurrenten Diapers.com bei den Preisen für Windeln unterboten und so zum Verkauf gezwungen. Auch bei Büchern wurden dem Konzern entsprechende Taktiken vorgeworfen. Im Fall von Amazon steht allerdings der Vorwurf des "Predatory Pricing" im Raum, bei dem selbst Produktionskosten unterschritten wurden – das ist bei LAP Coffee nicht so.

Verfolgt LAP Coffee trotzdem eine ähnliche Strategie? Tatsache ist, dass sie innerhalb von circa zwei Jahren 20 Filialen eröffnen und einen Internethype um ihre Produkte auslösen konnten. Eine Besitzerin eines alteingesessenen Cafés erklärt gegenüber NDR, ihre Kosten für Personal, Miete und Selbstgebackenes seien "mit 2,50 Euro für den Cappuccino […] nicht drin". Sie und viele andere beobachten das Wachstum der Kette mit Sorge.

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Doch ein Markenforscher gibt Entwarnung. Arnd Zschiesche erklärt gegenüber dem NDR, dass LAP Coffee eine andere Zielgruppe anspreche, weshalb er langfristig keine echte Gefahr für kleinere Läden sehe: "Es ist komplett anders ausgelegt als das typische Nachbarschafts-Café, das sich über Jahre organisch eine Kundschaft aufgebaut hat, die auch genau dorthin will."

Ähnlich argumentiert LAP Coffee selbst gegenüber Utopia.de: "Unser Hauptwettbewerb sind Heimkonsum, Kapseln und grosse Ketten – nicht der Brunch‑Laden um die Ecke", so der Sprecher. Beim Eröffnen neuer Filialen würde man vor allem Leerstand aktivieren, statt bestehende Läden zu verdrängen.

Tatsache ist nämlich auch, dass den circa 20 LAP-Coffee-Filialen jeweils 1160, 509 und 449 Cafés in Berlin, Hamburg und München gegenüberstehen. (Quelle: Listflix). Diesen Markt wird eine einzige Billigcafémarke nicht schnell dominieren können – vor allem dann nicht, wenn der Social-Media-Hype wieder abflaut. Von den polarisierten Online-Diskussionen, die derzeit über LAP Coffee geführt werden, profitiere die Marke dagegen schon, meint Experte Zschiesche.

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Wie gut schmeckt LAP Coffee?

Bleibt noch eine Frage zu klären – nämlich der Geschmack. LAP Coffee betonte gegenüber Utopia.de, die Röstung habe einen SCAScore von 84 bis 87. SCA steht für Specialty Coffee Association, diese testet die Qualität von Rohkaffee, also von den Bohnen vor der Röstung. Der Score der LAP-Coffee-Bohnen entspricht der Bewertung "Very Good" bis "Excellent".

Kaffee ist bekanntlich Geschmackssache. Deshalb hat Utopia.de sich einen eigenen Eindruck verschafft.

Utopia meint: Wer Cafés liebt, ist bei LAP Coffee falsch

LAP Coffee scheint ein typisches Social-Media-Phänomen zu sein. Online wird es entweder in den Himmel gelobt oder verteufelt – die Wahrheit liegt aber irgendwo dazwischen. Die Kaffeebohnen sind von guter Qualität und der Kaffee ist nicht schlecht. Aber ob er vergleichbar ist mit dem, was ein echter Barista zaubert? Das werden echte Kaffeeexpert:innen noch beurteilen müssen.

Der schnelle Erfolg der Kette hat wohl viel mit geschicktem Influencermarketing zu tun – und mit der Natur der Kaffeeszene. Denn ja, es gibt Läden, die überteuerten Kaffee verkaufen. Aber viele kleine Cafés kämpfen auch einfach mit gestiegenen Kaffeepreisen, Mieten oder Personalkosten.

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Bei LAP Coffee gibt es Ansätze in Richtung Nachhaltigkeit, wie Biomatcha, ReCup-Becher und pflanzenbasierte Milchalternativen ohne Aufpreis. Die Lieferkette ist kurz und überwiegend transparent. Für die Aussage, dass der Kaffee fair gehandelt ist, gibt es aus unserer Sicht aber nicht genügend Belege. Der Sprecher argumentiert gegenüber Utopia.de, man vertraue auf direkte Partnerschaften auf Augenhöhe und fair ausgehandelte Konditionen, statt auf "Plaketten". Und weiter: "Siegel können unterstützen, ersetzen aber nicht den Anspruch, gelebte Fairness gegenüber Kaffeefarmer:innen selbst sicherzustellen." Das stimmt, diesen Anspruch braucht es. Doch erst die Beteiligung von unabhängigen Dritten macht Handel aus unserer Sicht transparent und Lieferketten nach objektiven Kriterien prüfbar. Utopia.de empfiehlt deshalb Kaffee mit Fairtrade– oder GEPA-Fair+-Label.

Mein persönliches Fazit als Caféliebhaberin: Wer Kaffee nicht nur des Koffeins wegen liebt, der ist bei LAP Coffee wahrscheinlich am falschen Ort. Die Bedrohung für kleinere Cafés scheint jedoch übertreiben – und die Diskussion darum hilft nur einer Marke, die ausser günstigem, ganz anständigem Automatenkaffee nicht sonderlich viel zu bieten hat.

Du hast ein knappes Budget, aber willst trotzdem nachhaltigen Kaffee geniessen? Dafür gibt es eine Lösung: Kaufe dir fair-zertifizierten Kaffee für deine Kaffeemaschine (– am besten Bio und mit Siegel für fairen Handel). Denn der Kaffee aus deiner Maschine ist nach wie vor der günstigste. Selbst der vergleichsweise teure GEPA-Padkaffee "Bio ‚Organico milde Fairness’" kommt auf einen Preis von nur 26 Cent pro Pad.

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