Erwartungen können motivieren und beflügeln – oder zu herben Enttäuschungen führen. Wie findest du für dich den richtigen Grad an Motivation?

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Mit Erwartungen ist das so eine Sache: Wir planen eine Reise oder eine Geburtstagsfeier und schwelgen seit Wochen oder gar Monaten in purer Vorfreude! Doch dann erscheint der ersehnte Tag und etwas läuft schief: Der Bus verspätet sich, das ausgewählte Restaurant ist ein totaler Reinfall oder wir entdecken plötzlich einen dicken Pickel in unserem Gesicht. Auf einmal ist der gesamte Tag oder gar die gesamte Reise im Eimer und bittere Enttäuschung macht sich breit. Anstatt das Gute zu sehen, schafft es eine Kleinigkeit, uns jegliche Freude zu ruinieren.

Das Gefühl, wenn Erwartungen enttäuscht werden, kennst du sicher auch – schliesslich kann es das in jeder Lebenslage und Situation geben.

Hohe Erwartungen an den Partner oder die Partnerin

Noch häufiger findet sich diese Verhaltensweise in Beziehungen: Wir lernen jemanden kennen, der uns wie der ideale Partner oder die ideale Partnerin erscheint. Doch es stellt sich heraus: Auch er oder sie ist bloss ein Mensch. Alle Erwartungen, die wir an diese Person hatten, verpuffen mit einem Mal: Er lacht nicht über all unsere Witze, sie ist viel ungeduldiger, als wir gedacht haben. Sie hat wenig Interesse am Ausgehen, er liest zu wenig. Plötzlich sind es bloss noch die Fehler, die wir sehen. Dabei ist klar, dass die Zufriedenheit mit der eigenen Beziehung stark schwanken kann – und dass Erwartungen unsere Entscheidungen beeinflussen können.

Sollten wir unsere Erwartungen also lieber auf die potenziell negativen Ergebnisse fokussieren und so Enttäuschungen vermeiden?

Erwartungen und selbsterfüllende Prophezeiungen

Nicht ganz. Die Theorie der sogenannten "self-fulfilling prophecy" nach den US-amerikanischen Soziologen Thomas und Merton besagt, dass unsere Erwartungen das Ergebnis einer Situation direkt beeinflussen. Ihrer Ansicht nach ist dies in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens der Fall.

Wenn wir also erwarten, dass ein bevorstehendes Vorstellungsgespräch schlecht laufen oder uns ein Partner enttäuschen wird, so treten genau diese Szenarien mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein. Dies hat zwei Gründe:

  • Zum einen verhalten wir uns anders, sind zum Beispiel weniger selbstbewusst oder fangen an zu klammern.
  • Zum anderen fokussieren wir uns anders auf die Situation beziehungsweise die uns gegenüberstehenden Menschen. Im Nachhinein "haben wir es ja eh gewusst" und wiederholen dieses Muster häufig.

Auch zu hohe Erwartungen führen zu Enttäuschungen

Wenn Patient:innen erwarten, dass ein Medikament wirkt, so reicht dieser Glaube in einigen Fällen vollkommen aus, um die ersehnte Wirkung herbeizuführen. Neuere Forschungen zum Placebo Effekt kam zu dem Ergebnis, dass ein Placebo unter Umständen genauso wirksam sein kann wie eine "echte" Behandlung . Eine positive Erwartung kann also genauso zu einem erwarteten Ergebnis führen wie eine negative.

Wieso scheint dieser Effekt jedoch nicht auf den Alltag übertragbar zu sein? Das hat vor allem einen Grund: Zu hohe Erwartungen können nicht vollständig erfüllt werden – weder die an uns selbst noch die an andere. Im Gegenteil, sie setzen uns unter Druck und erzeugen Stress. Die so erlebten Enttäuschungen machen es uns schwerer, genug Antrieb für den nächsten Versuch zu finden.

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Erwartungen und Enttäuschungen: Dahinter stecken oft negative Erfahrungen

Zehn positive Dinge geschehen, doch das eine negative verfolgt uns noch im Traum und hat auch Auswirkung auf deine Erwartungen. Negative Erfahrungen beeinflussen unser Verhalten. Irgendwann hat sich ein jeder von uns ein gewisses Mass an Zynismus antrainiert und unser Gehirn bleibt gerne bei seinen alten, schlechten Angewohnheiten. Unser Gehirn nutzt bisherige Erfahrungen für die Erwartungshaltung an bestimmte Situationen. Doch du kannst lernen, dass sich deine Erinnerungen an Enttäuschen nicht mehr ganz so schlimm anfühlen.

Das klappt zum Beispiel durch Akzeptanz und Neubewertung der Situation. Leicht ist dies für niemanden, doch mit etwas Geduld und genügend Übung wird es über die Zeit leichter. So beugst du nicht bloss schlaflosen Nächten vor, sondern trainierst dir eine Gelassenheit für dein ganzes Leben an.

Realistische Erwartungen und Wertschätzung

Weder die Vorstellung, dass eine Situation im absoluten Desaster endet, noch die von einem Taumel ewigen Glücks ist produktiv. Sich aufrichtig freuen zu können, ist eine tolle Gabe, die du definitiv an dir schätzen solltest! Doch solltest du dabei nicht ausser Acht lassen, dass Dinge auch schieflaufen könnten. Realistische Erwartungen, die beide Resultate miteinbeziehen, schützen vor Enttäuschung und zukünftiger Demotivation.

In beiden Fällen ist insbesondere eine Fähigkeit der Schlüssel zum Glück: Die Fähigkeit, die wichtigen Dinge zu erkennen und wertzuschätzen und daran deine Erwartungen zu orientieren.

Diese Methoden können dir dabei helfen, diese Fähigkeit zu erlernen:

  • Sprich deine Gedanken laut aus: Schliesse die Augen und denke an alles, was an diesem Tag gut gelaufen ist. Dann fokussiere dich auf diese Gedanken und vervollständige den Satz: "Ich bin dankbar für…" Sobald du die Gedanken aus deinem Unterbewusstsein hervorgeholt hast, werden sie für dich viel konkreter und klarer. Du kannst lernen, dankbarer und zufriedener zu werden.
  • Schreibe dir auf, wofür du dankbar bist: Das kannst du tun, indem du dir ein Dankbarkeitstagebuch anlegst. Im Notfall, wenn du es nicht bei dir hast und die Dinge nicht so laufen, wie du es erwartest, reichen auch ein Zettel aus einem Block oder die Rückseite einer Rechnung. Sobald du es niederschreibst, machst du dir sofort bewusst, was wirklich in deinem Leben zählt. Dankbarkeit kann dich zufriedener machen.

Wie ein Glückstagebuch deine positiven Gefühle fördern kann

  • Lerne, deine Gefühle offen und ehrlich zu kommunizieren: Was brauchst du wirklich? Sprich deine Erwartungen an dein Gegenüber aus. Miteinander reden lernen ist möglich.
  • Perfektionismus führt nicht zwangsläufig zum Glück: Deine Partnerin oder dein Partner entspricht nicht deinen hohen Erwartungen? Niemand von uns braucht jemanden, der "perfekt" ist – sondern jemanden, bei dem wir absolut authentisch sein können und uns zu einem besseren Selbst entwickeln können.
  • Finde eine:n starke:n Gesprächspartner:in: Gleiche deine Erwartungen und Vorstellungen mit der Realität ab. Dabei kann dir ein Gespräch mit einem guten Freund oder guten Freundin, einem Familienmitglied oder eine:r Expert:in auf dem Gebiet deiner Erwartungen helfen.

Gleichzeitig zu hohe Erwartungen herunterzuschrauben und positiv zu denken, ist nicht leicht. Situationen realistisch zu betrachten, ohne zynisch zu werden, erst recht nicht. Eine richtige Balance zu finden, in der du deine Sorgen und Ängste akzeptierst und gleichzeitig die wichtigen Dinge erkennst und wertschätzt, sollte dein Ziel sein. Und dies ist mit ein bisschen Geduld, Übung und Hoffnung erlernbar.

Überarbeitet von Lea Hermann

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