Appenzell Innerrhoden hat in den letzten Jahren einen touristischen Boom erlebt. Während Kritiker nicht noch mehr Touristen wollen, setzen die Tourismusverantwortlichen auf Verbote und lenkende Massnahmen.
Eine Gruppe campierender Holländer am Fählensee oder ein Basejumper, der aus einer Felswand in der Nähe des Gasthauses Äscher los springt. Der Alpstein in Appenzell Innerrhoden war jüngst wieder häufig in den Medien. Der Tenor: Der zunehmende Tourismus schade dem Berggebiet und die Stimmung in der Bevölkerung kippe aufgrund der zunehmenden Masse an Touristen.
Einer, der diese Befürchtungen teilt, ist Martin Ebneter. Der Parteipräsident der SVP Appenzell Innerrhoden sagte der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: "Es hat zu viele Leute im Alpstein, vor allem bei schönem Wetter. Es ist total überlaufen." Mehr Tourismus vertrage Innerrhoden nicht.
Er sei sich bewusst, dass der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei. Mit der Menge hätten aber immer mehr Leute in der Bevölkerung Mühe, zeigt sich Ebneter überzeugt. Aufgrund des zunehmenden Tourismus brauche es immer mehr Verbote und Gesetze. Diese schränkten die Einheimischen ebenfalls ein, und zwar nicht nur an einzelnen Tagen, sondern das ganze Jahr hindurch. Ein Beispiel dafür sei die geplante Begegnungszone im Dorf Appenzell.
Deutlich äusserte sich seine Partei kürzlich in einer Stellungnahme, die im "Appenzeller Volksfreund" abgedruckt wurde: "Wir brauchen keinen zunehmenden Tourismus, der das Zentrum von Appenzell verstopft und uns Einheimischen das Gefühl gibt, wir seien mittlerweile nur noch Statisten in unserem eigenen Dorf."
Der Tourismus bringt viel Geld nach Innerrhoden
Überzeugt davon, dass die Innerrhoder Bevölkerung mehrheitlich weiterhin hinter dem Tourismus steht, ist hingegen Roland Dähler (parteilos). Der Innerrhoder Landammann und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements anerkennt die Herausforderungen.
"Uns macht es Sorgen, dass wir immer mehr Dinge per Gesetz verbieten müssen", sagte Dähler. Von Über- oder Massentourismus zu sprechen, gebe die Realität aber nicht korrekt wieder, auch wenn die Kapazitätsgrenzen an wenigen Tagen im Jahr an gewissen Orten überschritten würden.
Dass die Stimmung gegenüber dem Tourismus nicht ins Negative kippe, sei der Regierung ein wichtiges Anliegen. Nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung.
"Jeder sechste Arbeitsplatz in diesem Kanton hat direkt oder indirekt mit dem Tourismus zu tun. Und jeder achte Franken Wertschöpfung, den wir generieren, kommt aus dem Tourismus", führte Dähler aus. Der lebendige Appenzeller Dorfkern mit seinen Museen, Läden und Restaurants sei ebenfalls zu einem grossen Teil den Touristinnen und Touristen zu verdanken, welche diese Angebote nutzten.
Mehr Verbote und Gesetze
Klar ist für die Regierung, dass es künftig neue Vorschriften und Massnahmen braucht. Dähler nennt etwa ein Parkleit- und Reservationssystem. Über Tafeln sollen Anreisende künftig bereits früh informiert werden, wo im Kanton noch Parkplätze frei sind. Damit werde der Suchverkehr verringert und mitunter überfüllte Parkplätze in Wasserauen und Brülisau - oft genannte Hotspots - vermieden.
Auch der Campingtourismus wird künftig stärker reguliert. Wohnmobile sollen nur noch auf dafür bezeichneten Flächen und auf offiziellen Campingplätzen erlaubt sein. Spätestens ab 2028 werden zudem neue, strengere Regeln für das Campieren und Biwakieren mit Zelten greifen. In Zukunft soll dies nur noch unter bestimmten Bedingungen und mit ausdrücklicher Erlaubnis der Grundeigentümer sowie in Absprache mit den zuständigen Alpbetrieben erlaubt sein.
Und generell gilt für die Zukunft des Tourismus in Appenzell Innerrhoden: Wachstum soll es zwar geben, aber nicht mehr bei den Tagestouristen. Stattdessen soll der Kanton künftig vermehrt Gäste anziehen, die mehrere Nächte bleiben.
Bussen sprechen sich herum
Mitgetragen wird diese Strategie vom Verein Appenzellerland Tourismus AI. Dessen Geschäftsführer Guido Buob wehrt sich ebenfalls gegen das Bild des Übertourismus in Appenzell Innerrhoden und zieht einen Vergleich zu den 1970er Jahren: Auch wenn heute über ein ganzes Jahr gesehen mehr Touristen kämen, komme man nicht an die Tagesspitzen von damals heran.
Empfehlungen der Redaktion
Richtig sei aber, dass die Anzahl der Spitzentage zugenommen habe. Und dennoch habe man - im Gegensatz zu "ständig" überfüllten Destinationen wie der Stadt Luzern im Alpstein immer noch genügend Tage, an denen es ruhig sei. Zudem gelte es konsequent den Weg von Verboten und der Durchsetzung mittels Bussen zu gehen, so Buob.
So wie sich ein Bild vom Seealpsee in den Sozialen Medien verbreite, werde sich künftig herumsprechen, dass Fehlverhalten in Innerrhoden konsequent gebüsst werde. Als Tourismusorganisation müssten sie zudem gegenüber Gästen klar kommunizieren können, was verboten ist und was nicht. Dazu brauche es klare gesetzliche Grundlagen, die nun erarbeitet würden. © Keystone-SDA