Der rasante Aufstieg des US-Chipherstellers Nvidia hat Firmengründer Jensen Huang zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht. Von den anderen Tech-Bossen aus dem Silicon Valley unterscheidet er sich nicht nur optisch.

Bis vor wenigen Jahren war Jensen Huang dem breiten Publikum kaum bekannt. Heute kommen regelmässig tausende Menschen, um seinen Vorträgen zu lauschen. Mit dem Boom der Künstlichen Intelligenz ist der Chef und Gründer des Chip-Entwicklers Nvidia zu einem der mächtigsten Unternehmer der Welt geworden.

Nvidia war lange vor allem Gamern ein Begriff: Die Kalifornier machten ihr Geschäft mit Grafikkarten, die für komplexe Anwendungen wie Videospiele und Bildbearbeitungsprogramme von Bedeutung sind. Grafikchips gehören zu den leistungsstärksten Halbleitern – und sind seit dem Aufkommen von KI plötzlich so stark nachgefragt wie nie.

Der Chip-Entwickler stieg innerhalb weniger Monate zum wertvollsten Unternehmen der Welt auf und stiess Apple und Microsoft vom Thron, die sich zuvor Jahre lang an der Spitze abgewechselt hatten. Am Mittwoch richteten sich erneut alle Blicke an den Börsen auf die erwartete Veröffentlichung des Nvidia-Quartalsberichts. Das Abschneiden des Unternehmens gilt als wichtiger Indikator für die Dynamik des KI-Sektors.

Jensen Huang: "Wir lernten wirklich hart"

Jen-Hsun Huang kam 1963 in Taiwan zur Welt. Als er neun Jahre alt war, schickten ihn seine Eltern zusammen mit seinem Bruder auf ein Internat im ländlichen Kentucky. Sein Onkel hatte die Schule in dem Glauben empfohlen, es handele sich um eine angesehene Einrichtung. In Wirklichkeit war es eine Schule für Jugendliche mit Schwierigkeiten.

Ohnehin war Jen-Hsun, der sich später in Jensen umbenannte, noch zu jung und ging zunächst auf eine nahegelegene öffentliche Schule zusammen mit den Kindern der örtlichen Tabakbauern. Wegen seiner schlechten Englischkenntnisse wurde er von den Mitschülern gemobbt und zum Kloputzen verdonnert – eine zweijährige Tortur, die ihn veränderte.

"Wir arbeiteten wirklich hart, wir lernten wirklich hart, und die Kinder waren wirklich hart", erzählte er in einem Interview mit dem US-Sender NPR – jedoch ohne jegliche Bitterkeit: "Das Ende der Geschichte ist, dass ich die Zeit dort geliebt habe."

Nvidia-Chef: 150 Milliarden Dollar schwer

Huangs Eltern zogen später in den Bundesstaat Oregon im Nordwesten der USA, wohin er ihnen folgte. Sein Studium schloss er im Alter von nur 20 Jahren ab und arbeitete zunächst beim Chip-Hersteller AMD. Später entwickelte er Chips bei LSI Logic, aus dem später der Broadcom-Konzern hervorging.

1993 gründete Huang Nvidia, um "Probleme zu lösen, die normale Computer nicht lösen können", wie er rückblickend sagt. Demnach wollte er Halbleiter entwerfen, die leistungsfähig genug sind, um 3D-Grafiken zu verarbeiten. Die erste Grafikkarte brachte das Unternehmen 1999 auf den Markt.

Heute hält Huang noch rund 3,5 Prozent der Unternehmensanteile. Nvidias Aufstieg machte ihn daher zum Milliardär: Mit einem geschätzten Vermögen von 150 Milliarden Dollar gehört er zu den reichsten Menschen der Welt.

Der 62-Jährige hat eine Vorliebe für Sportwagen, das Nvidia-Firmenlogo hat er sich auf den Oberarm tätowieren lassen. Mit seinem Auftreten – stets in schwarzem T-Shirt und Lederjacke – sticht er hervor, was ihn von diskreten Lenkern des Silicon Valley wie Sundar Pichai von Google oder Satya Nadella von Microsoft unterscheidet. Zugleich fehlt Huang die Exzentrik eines Elon Musk. Auch mit politischem Opportunismus à la Mark Zuckerberg, dem Gründer von Facebook, ist der Nvidia-Chef bislang nicht aufgefallen.

Mit offenem Ohr und harter Hand

"Er nimmt sich zurück, damit die Stars die Technologie und die Strategie sind und nicht er selbst", beobachtet Jeffrey Sonnenfeld, Management-Experte an der Eliteuniversität Yale. In der Tech-Branche bringe ihm das grossen Respekt ein. Anders als die zuvor genannten Konzernchefs nahm Huang nicht an der Feier zur Amtseinführung von Donald Trump teil.

Ein ehemaliger Nvidia-Angestellter beschreibt seinen Ex-Chef als "sehr paradoxen" Menschen: Seine Angestellten verteidige er vehement und habe stets ein offenes Ohr. Doch er sei auch in der Lage, innerhalb des Nvidia-Führungskreises "Leute in Stücke zu reissen", wenn es um grosse Fehler oder schlechte Entscheidungen geht.

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In seiner Heimat Taiwan ist Huang ein Megastar. Fans stehen für Autogramme und Selfies an, Journalisten folgen ihm bei Besuchen auf der Insel auf Schritt und Tritt. "Er hat dieses Phänomen durch seinen persönlichen Charme ausgelöst", sagt Wayne Lin vom Witology Market Trend Research Institute. Huang sei "ungewöhnlich freundlich" und wisse etwa das taiwanesische Streetfood nach wie vor zu schätzen. (afp/bearbeitet von mcf)