Nach dem Unfall einer Standseilbahn spricht der Bürgermeister von Lissabon von einem "schrecklichen Abend". Unter den Todesopfern sollen auch Touristen aus dem Ausland sein.

Eine der berühmtesten Touristenattraktionen Lissabons ist innerhalb von Sekunden zur Todesfalle geworden: Bei der Entgleisung der historischen Standseilbahn "Elevador da Gloria" kamen im Zentrum der portugiesischen Hauptstadt 16 Menschen ums Leben. 21 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.

Standseilbahn-Unfall in Lissabon
Augenzeugen berichten von ohrenbetäubendem Lärm, als die Standseilbahn in Lissabon entgleiste. © Armando Franca/AP/dpa

Zunächst war von 15 und dann 17 Toten berichtet worden, die portugiesische Regierung korrigierte die Zahl am Donnerstagnachmittag auf 16 Tote.

Die Identitäten und Nationalitäten der meisten Opfer waren zunächst unbekannt. Spanische Medien berichteten von zwei verletzten Spaniern, der staatliche portugiesische TV-Sender RTP von einer verletzten Südkoreanerin. Das Institut für Rechtsmedizin wollte die Obduktionen bis zum Vormittag abgeschlossen haben. Dann werde es voraussichtlich noch am Donnerstag genauere Angaben geben.

Wohl deutscher Familienvater unter den Opfern

Wie portugiesische Medien berichten, habe sich eine deutsche, dreiköpfige Familie bei dem Unglück in der Seilbahn befunden. Einer der 15 Toten soll der Familienvater sein. Das habe jemand von der Polizei der portugiesischen Zeitung "Observer" bestätigt.

Die Mutter sei mit sehr schweren Verletzungen gerettet worden. Laut CNN Portugal ist ihr Zustand stabil. Die Frau sei auf die Intensivstation verlegt worden.

Der dreijährige Sohn des Paares kam laut Medienberichten mit leichten Verletzungen davon. Gegenüber CNN Portugal schilderte ein Polizist, wie er das Kind bergen konnte. Im Anschluss sei es ins Krankenhaus gebracht worden.

Auch das Auswärtige Amt geht davon aus, dass Deutsche von dem schweren Standseilbahn-Unglück betroffen sind. "Über die Anzahl gibt es derzeit noch keine verlässlichen Angaben", hiess es auf dpa-Anfrage aus dem Ministerium in Berlin.

Erklärgrafik: "Funktionsweise einer Standseilbahn"
© dpa-infografik GmbH

Portugal in dreitägiger Trauer

"Portugal trauert", sagte Bürgermeister Carlos Moedas dem TV-Nachrichtensender "SIC Notícias" sichtlich niedergeschlagen. Es sei vor allem für die Stadt Lissabon "tragisch, ein schrecklicher Abend". Moedas rief eine dreitägige Trauer aus. Portugals Ministerpräsident Luís Montenegro sagte alle seine Termine erst einmal ab.

"Es war wie im Actionfilm"

Doch was ist passiert? Und wie? Der "Elevador da Glória" fährt auf der Rua da Glória hin und zurück über eine Strecke von rund 265 Metern und überwindet dabei einen Höhenunterschied von rund 45 Metern. Kurz nach 18:00 Uhr Ortszeit (19:00 MESZ) war das strassenbahnähnliche Fahrzeug am Mittwoch mit vielen Insassen wieder auf dem Weg nach unten, als es plötzlich von den Schienen abkam, die Strasse mit lautem Getöse hinunterrutschte und seitlich gegen ein Gebäude unweit des Platzes Praça dos Restauradores krachte.

Standseilbahn-Unfall in Lissabon
Blick auf die Stelle, an der eine Standseilbahn entgleist ist. © Armando Franca/AP/dpa

TV-Bilder zeigten den Wagen auf der Seite liegend und total zerstört. In Live-Übertragungen mehrerer Sender waren dichte Rauchschwaden und Trümmer zu sehen. Sirenen heulten, während Rettungsteams hektisch und unermüdlich arbeiteten. "Es war wie im Actionfilm", sagte eine Augenzeugin. Eine andere erzählte: "Das war ohrenbetäubend, ich und andere Passanten sind erst mal weggelaufen." Schnell seien Sanitäter und Polizisten eingetroffen, berichtete die junge Frau, die noch sichtlich erschüttert war.

Betreiber weist Vorwürfe zurück

Die Ursache? Bisher unbekannt. Experten vermuten, dass ein Seil gerissen sein könnte und vielleicht auch noch die Bremsen versagt haben. Vorwürfe, die Instandhaltung der Bahn sei womöglich nicht gut genug gewesen, wies der Betreiber, die Lissabonner Verkehrsgesellschaft Carris, zurück. "Die monatlichen und wöchentlichen Wartungsprogramme sowie die tägliche Kontrolle werden sorgfältig durchgeführt", hiess es in einem Bericht.

Trotzdem liess die Stadtverwaltung von Lissabon den Betrieb aller drei Standseilbahnen aussetzen und ordnete sofortige Inspektionen an. Die portugiesische Kriminalpolizei nahm Ermittlungen auf. Sie sei mit mehreren Beamten vor Ort gewesen, berichtete der Sender "SIC Notícias".

Einen solchen Unfall mit einer der drei Standseilbahnen, die seit dem 19. Jahrhundert betrieben werden, hatte es in Lissabon bisher nicht gegeben.

Standseilbahn in Lissabon
Die bei Touristen beliebte Standseilbahn "Elevador da Gloria" fährt normalerweise eine Strecke von etwa 200 Metern. (Archivfoto) © Armando Franca/AP/dpa

Präsident fordert schnelle Aufklärung

Portugals Staatsoberhaupt Marcelo Rebelo de Sousa bedauerte den Unfall "zutiefst" und forderte, dass der Vorfall "rasch von den zuständigen Stellen aufgeklärt" werde. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprach den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus.

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Der "Elevador da Gloria" wurde im Jahr 1885 eröffnet und ist eine der drei historischen Stadtseilbahnen Lissabons. Er verbindet den zentralen Platz Praça dos Restauradores mit dem höher gelegenen Stadtteil Bairro Alto. Die Bahn ist heute in erster Linie eine Touristenattraktion, sie wird aber auch von vielen Einheimischen benutzt, denen die Strecke zu Fuss zu steil ist. (dpa/bearbeitet von cgo/phs/sbi/nap)

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war in der Headline von einer "Seilbahn" zu lesen. Richtig ist, dass es sich bei dem verunglückten Gefährt um eine Standseilbahn handelt.

Teaserbild: © Getty Images/Horacio Villalobos