Ihren Auftritt im Blitzlichtgewitter der wartenden Fotografen lässt Christina Block mit ernstem Gesicht über sich ergehen. Im Tross ihrer Verteidiger betritt die Steakhauskettenerbin am Freitag in einer schlichten blauen Bluse sichtlich angespannt den Saal des Hamburger Landgerichts, in dem in den kommenden Monaten über einen der spektakulärsten Kindesentführungsfälle der jüngeren Zeit verhandelt wird - und ihre eigene Zukunft.
Die Geschichte spielt in besten Kreisen, hat alle Zutaten für einen Agententhriller - vor dem Hintergrund eines längst zur medialen Schlammschlacht eskalierten Trennungs- und Sorgerechtsstreits. Steakhauskettenerbin Christina Block soll in der Silvesternacht 2023/2024 die Verschleppung von ihren Kindern aus der Obhut des Vaters, ihres früheren Ehemanns, in Auftrag gegeben haben. Maskierte sollen diese laut Anklage in Dänemark rücksichtslos entführt und zur Mutter nach Deutschland zurückgebracht haben.
Sportkommentator Gerhard Delling ebenfalls angeklagt
Neben Block, Spross der schwerreichen Unternehmerfamilie Block, sind auch ein mutmasslich an der Entführung beteiligter Israeli und ein 62-jähriger Deutscher als Mitorganisator unter den Beschuldigten. Dazu gehört zudem Blocks neuer Partner, der durch Fussballländerspielanalysen mit Günter Netzer bekannt gewordene frühere Sportkommentator
Kinder sollen "gequält und roh misshandelt" worden sein
Von einer gewaltsamen Kindesentziehung mit traumatischen Folgen für die Kinder spricht die Staatsanwaltschaft bei der Anklageverlesung. Der zur Tatzeit zehnjährige Sohn und seine 13-jährige Schwester seien "gequält und roh misshandelt" sowie durch die Täter "völlig verängstigt" worden.
Die teils noch flüchtigen Entführer sollen den Vater demnach brutal niedergeschlagen und die Block-Kinder in wechselnden Autos über die Grenze nach Deutschland gebracht haben. Laut Anklage wurden sie geknebelt, übereinander in Fussräume eines Autos gedrückt und nachts durch einen dunklen Wald geschleift.

Die Verteidigung der Angeklagten seziert die Vorwürfe dagegen am Freitag minutiös aus ihrer Sicht. Fazit: Block, Delling und die übrigen Beschuldigten sind aus ihrer Sicht unschuldig. Die Beweislage für die behauptete Verstrickung der 52-jährigen Mutter in die Entführung seien "dünn", sagt Anwalt Ingo Bott. Es gebe keinerlei Belege, dass Block die Entführung mitgeplant habe.
Verteidigung hat andere Theorie
Bott bringt eine andere Theorie ins Spiel: Die Aktion sei die unautorisierte Idee einer für die Block-Familie arbeitenden israelischen Sicherheitsfirma gewesen, die Blocks Sorge um das Wohl ihrer seit mehr als zwei Jahren vom Vater rechtswidrig bei sich in Dänemark zurückgehaltenen Kinder ausgenutzt und dabei offenbar die Chance auf ein "grosses Geschäft" gewittert habe.
Die Verteidigung arbeitet sich weiterhin am Vater und Blocks früherem Ehemann ab. Von einer "Schlammlawine" mit Blick auf den über Jahre hinweg erbittert geführten Sorgerechtsstreit des früherem Ehepaars spricht Bott. Blocks Anwalt zufolge ignorierte der im Prozess als Nebenkläger auftretende Vater Urteile, die der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder zusprach. Die Rede ist auch von Manipulationen und gezielter psychischer Entfremdung der Kinder von ihrer Mutter.
Narrativ der "boshaften Kindesentführerin"
Von einer ohne diese Vorgeschichte juristisch nicht korrekt fassbaren "absoluten Ausnahmekonstellation" spricht Dellings Verteidiger David Rieks mit Blick auf die angeklagte Tat. Die Staatsanwaltschaft habe sich unverständlicherweise auf das "verkürzte Narrativ" festgelegt, Block sei eine "boshafte Kindesentführerin". Entstanden sei die Situation allerdings nur, weil der Vater ihr die Kinder rechtswidrig entzogen habe.
Das habe auch Auswirkungen auf seinen Mandanten, führt Rieks aus. Delling habe sich nicht strafbar gemacht und werde masslos vorverurteilt. Er solle nur bei der Rückkehr der Kinder nach Hamburg geholfen haben, nachdem Block von ihrer Ankunft erfuhr und sie in Baden-Württemberg in Empfang nahm.
Von Vorverurteilungen spricht auch der Rechtsanwalt des als mutmassliches Mitglied des Entführungskommandos mitangeklagten Israelis. Der 35-Jährige wurde im Vorjahr auf Zypern gefasst und sitzt als einziger der Angeklagten in Untersuchungshaft.
Was hat ein vermeintlicher Ex-Agent des Mossad mit der Block-Kindsentführung zu tun?
Medien zufolge soll es sich bei dem Mann um einen früheren Agenten des israelischen Geheimdiensts Mossad handeln, was sein Verteidiger indirekt bestreitet. Es werde "ohne Anknüpfungstatsachen spekuliert". Sein Mandant werde umfassend zu seiner Rolle in dem Fall aussagen, kündigt er an.
Auch Block und Delling stellen am Freitag eigene Einlassungen in Aussicht. Auf das Gericht kommt in den nächsten Monaten also viel Arbeit zu. Für Block als Mutter wiederum geht es vielleicht um alles. Ihre Kinder sah sie nach Angaben ihrer Verteidigung seit den Tagen nach der Entführung nicht mehr, der Vater hat inzwischen das alleinige Sorgerecht. Ein Schuldspruch könnte die Trennung endgültig besiegeln. (afp/bearbeitet von nap)