Israel hat Tausende Menschen aus Gaza inhaftiert, weil sie Verbindungen zu Terrororganisationen haben sollen. Recherchen deuten jedoch darauf hin, dass es sich bei der Mehrheit um Zivilisten handelt.

Die israelischen Streitkräfte halten Tausende palästinensische Zivilisten aus Gaza ohne Anklage oder Gerichtsverfahren gefangen. Dies geht aus einer umfassenden Recherche der britischen Zeitung "The Guardian", des israelisch-palästinensischen Mediums "+972 Magazine" und des palästinensischen Portals "Local Call" hervor. Die Untersuchung stützt sich auf geheime Daten des israelischen Militärgeheimdienstes.

Israel: Nur jeder vierte Gefangene ein Kämpfer?

Der israelische Militärgeheimdienst führt demnach eine Datenbank mit über 47.000 namentlich identifizierten Personen, die als Kämpfer der Hamas oder des Palästinensischen Islamischen Dschihad klassifiziert werden. Diese Datenbank gilt als die genaueste Informationsquelle Israels über feindliche Kräfte.

Im Mai 2025 waren in dieser Datenbank jedoch nur 1.450 Personen als "verhaftet" markiert. Dies entspricht lediglich einem Viertel aller Palästinenser aus Gaza, die seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in Israel festgehalten werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Israel etwa 6.000 Menschen unter dem "Gesetz für unrechtmässige Kombattanten" inhaftiert. Es ermöglicht eine Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren.

"Wir glauben, dass der Anteil der Zivilisten unter den Inhaftierten sogar noch höher ist, als Israels eigene Zahlen vermuten lassen. Höchstens einer von sechs oder sieben könnte überhaupt eine Verbindung zur Hamas oder anderen militanten Gruppen haben, und selbst dann nicht unbedingt zu deren militärischen Flügeln", sagte Samir Zaqout, stellvertretender Direktor des "Al Mezan Center for Human Rights" dem "Guardian".

Alzheimer-Patientin und alleinerziehende Mutter unter den Gefangenen

Die Medien berichten auch von Einzelschicksalen. Zu den Inhaftierten zählen demnach medizinisches Personal, Lehrer, Beamte, Medienschaffende, Schriftsteller sowie kranke und behinderte Menschen und Kinder.

Zu den besonders gravierenden Fällen gehört eine 82-jährige Frau mit Alzheimer, die im Dezember 2023 zusammen mit ihrer Pflegerin in Gaza-Stadt entführt und sechs Wochen lang in Israel festgehalten wurde. Sie war desorientiert, konnte sich nicht an ihr Alter erinnern und glaubte, noch in Gaza zu sein. Das berichtet ein Militärarzt, der sie im Haftzentrum Anatot behandelte, nachdem sie sich an einem Zaun verletzt hatte.

"Ich erinnere mich, wie sie stark humpelnd zur Klinik kam. Und sie wird als unrechtmässige Kombattantin eingestuft. Die Art und Weise, wie dieses Etikett verwendet wird, ist wahnsinnig", sagte der Mediziner laut "Guardian"-Recherchen.

Das israelische Militär erklärte, die 82-Jährige sei "auf der Grundlage spezifischer Geheimdienstinformationen zu ihrer Person" ins Visier genommen worden, die Verhaftung hätte jedoch nicht durchgeführt werden dürfen. "Die Inhaftierung war nicht angemessen und das Ergebnis eines lokalen, isolierten Beurteilungsfehlers", teilte das Militär mit.

Ein weiterer Fall ist der von einer 40-jährigen Mutter, die im Dezember 2023 an einem israelischen Kontrollpunkt von ihrer zehnjährigen Tochter und ihren beiden Söhnen im Alter von neun und sieben Jahren getrennt wurde. Obwohl sie offiziell noch verheiratet war, zog sie die Kinder allein auf, sodass diese auf sich allein gestellt waren, als sie inhaftiert wurde.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fliessen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäss dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Gefangene als Verhandlungsmasse?

Die israelische Gesetzgebung zu "unrechtmässigen Kombattanten" erlaubt eine Inhaftierung ohne Vorlage von Beweisen vor einem öffentlichen Gericht. Der Staat kann eine Person 75 Tage lang festhalten, bevor er Zugang zu einem Anwalt gewährt, und 45 Tage, bevor er sie einem Richter vorführt, um die Inhaftierung zu genehmigen. Zu Beginn des Krieges wurden diese Zeiträume auf 180 beziehungsweise 75 Tage verlängert.

Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass die Masseninhaftierungen von Zivilisten als Druckmittel bei Geiselverhandlungen dienen. "Schon vor dem 7. Oktober hielt Israel die Leichen Hunderter Palästinenser zurück und benutzte sie als Verhandlungsmasse, anstatt sie ihren Familien zur Bestattung zu übergeben", erklärte ein Sprecher von Al Mezan gegenüber dem "Guardian". "Wir glauben, dass die Tausenden von Zivilisten aus Gaza, die jetzt in Haft sind, ebenfalls als Verhandlungsmasse gedacht sind."

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Das israelische Militär erklärte in einer Stellungnahme, es habe mehr als 2.000 zivile Häftlinge nach Gaza zurückgeschickt, nachdem keine Verbindung zu militanten Aktivitäten festgestellt worden sei. Israel kämpfe gegen Feinde, die "sich als Zivilisten tarnen", aber diese Freilassungen zeigten "einen gründlichen Überprüfungsprozess" für Inhaftierungen. (bearbeitet von fab)

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