Globale Klimakatastrophen wie aktuell in Texas sorgen weltweit für Ratlosigkeit. Im ZDF-Talk "Markus Lanz" erklärte Ex-Grünen-Politiker Boris Palmer am Donnerstag, weshalb er sich auch hierzulande vor weiteren Sturzfluten fürchtet.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer will Tübingen bis 2030 klimaneutral machen. Bei "Markus Lanz" offenbarte der Ex-Grünen-Politiker, was ihm besonders grosse Sorgen bereitet. Zudem sprach er darüber, weshalb er im Falle einer Sturzflut hilflos sei.

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Das Thema der Runde

Die dramatischen Bilder aus dem texanischen Kerr County sorgen auch in Deutschland für Fassungslosigkeit. Bei den örtlichen Fluten wurden mehr als 100 Menschen in den Tod gerissen. Grund genug für Markus Lanz, am Donnerstagabend in seiner Sendung über die politische Antwort auf globale Klimakatastrophen zu debattieren. In dem Zusammenhang blickte er auch auf die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz, der jüngst sagte: "Selbst wenn wir alle zusammen morgen am Tag klimaneutral wären in Deutschland, würde keine einzige Naturkatastrophe auf der Welt weniger geschehen, würde kein einziger Waldbrand weniger geschehen, würde keine einzige Überschwemmung in Texas weniger geschehen."

Markus Lanz, Boris Palmer, Maja Göpel, Jochem Marotzke, Axel Bojanowski
Zu Gast bei Markus Lanz waren am Donnerstag (v.l.n.r.) Boris Palmer, Maja Göpel, Jochem Marotzke und Axel Bojanowski. © ZDF / Cornelia Lehmann

Die Gäste

  • Ex-Grünen-Politiker Boris Palmer spricht über das ehrgeizige Ziel, seine Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen und warnt: "Immer mehr Menschen glauben, dass Klimaschutz der wesentliche Grund für den Niedergang der deutschen Wirtschaft ist."
  • Politikökonomin Maja Göpel fordert eine Beschleunigung der ökologischen Transformation: "Es war ja in Wahrheit ein Riesendurchbruch, nach der Katastrophe von zwei Weltkriegen als Menschheit zu sagen: Wir fangen jetzt wirklich an, global zu denken."
  • Klimaforscher Jochem Marotzke informiert über den aktuellen Stand der Klimaforschung: "Die Welt wird riskanter, aber sie wird nicht untergehen."
  • Journalist Axel Bojanowski hinterfragt die deutsche Klimapolitik und sagt: "Die Klimadebatte geht in die völlig falsche Richtung."

Die Offenbarung des Abends

Mit Blick auf die dramatischen Fluten in Texas gab Klimaforscher Jochem Marotzke zu: "Ich habe sofort an das Ahrtal gedacht." Laut Marotzke gebe es "eine Menge sehr, sehr betrüblicher Parallelen zwischen der Katastrophe im Ahrtal und dem, was jetzt in Texas passiert ist". Journalist Axel Bojanowski stimmte zu und ergänzte, dass der Klimawandel vor allem "deswegen ein Problem" sei, "weil er sehr langfristig wirkt und eben Rahmenbedingungen verändert. Er verändert die Umweltrisiken - und zwar langsam, aber stetig".

Besonders gefährlich sei, dass man nicht genau wisse, "was in der Zukunft passieren wird". Laut des Journalisten gebe es zwar global insgesamt weniger Schäden und Todesfälle bei Sturzfluten. Dies sei jedoch "kein Beweis gegen die globale Erwärmung", da Menschen heutzutage besser vor Wetterkatastrophen geschützt seien als früher. Klimaforscher Jochem Marotzke hielt dagegen: "Das stimmt natürlich nicht für Hitzewellen." Laut Marotzke nehmen Hitzewellen durch den Klimawandel zu und werden "immer stärker". In dem Zusammenhang sei es "ausgeschlossen, dass die Menschheit sich auf Dauer an diesen Klimawandel wird anpassen können. (...) Absolut ausgeschlossen". Lanz hakte nach: "Das heisst, es gibt den Punkt, an dem wir dann einfach aufhören zu existieren?" Jochem Marotzke nickte: "Wenn man sich da nicht schützt, ja. (...) Irgendwann wird's richtig gefährlich."

Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der von Boris Palmer wissen wollte, wie er als Politiker darauf reagiere. Palmer gab zu: "Wenn ich sowas sehe, dann kriege ich grosse Sorgen." Laut des Tübinger Oberbürgermeisters seien Sturzfluten "nicht beherrschbare Situationen". Man könne auch in Tübingen trotz "günstiger Voraussetzungen (...) die Rückhaltebecken gar nicht so hoch bauen, dass das nicht durchkommt. Das heisst, wenn sowas in Tübingen passiert, werden wir immense Schäden haben." Palmer wurde drastisch: "Wir müssen die Stadt abreissen, um das auszuschliessen".

Der Ex-Grünen-Politiker ergänzte, dass er gerade deshalb grossen Wert darauf lege, Tübingen in eine "grüne Stadt" zu verwandeln. Dafür investiere er unter anderem "in Entsiegelungen" und Solarparks entlang der Tübinger Bundesstrassen. Palmer forderte: "Ich hätte gerne ein ganz einfaches Gesetz, wo drinsteht: Da darf man Solaranlagen bauen. Stattdessen machen wir jahrelange Planungsverfahren." Der Politiker wetterte weiter: "Eine Hauptaufgabe des Oberbürgermeisters ist, irgendwie zu gucken, wie man diese Vorschriften möglichst ignoriert. Wenn's geht, weglegen und trotzdem machen, sonst kommt man ja gar nicht zum Ziel." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator amüsierte: "Beten Sie, dass diesen Satz keiner gehört hat." Palmer konterte trocken: "Doch, doch. Den sag ich offiziell und laut, damit die Bürokratie endlich vereinfacht und abgebaut wird."

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" machte Klimaforscher Jochem Marotzke deutlich, dass die weltweiten CO2-Emissionen dringend gesenkt werden müssen, "ansonsten kommen wir in ein unbeherrschbares Klima-Regime hinein". Marotzke warnte in dem Zusammenhang: "Ungefähr ein Viertel der menschengemachten CO2-Emissionen bleibt für Jahrhunderte bis Jahrtausende in der Atmosphäre." In Bezug auf Merz' Klima-Aussage im Bundestag sagte Marotzke daher wütend: "Es ist ein absoluter Scheinwiderspruch, den er aufbaut, wenn er sagt: 'Wir müssen nicht um alles in der Welt die letzte Tonne vermeiden'. Es geht nicht um die letzte Tonne!" In dem Zusammenhang ergänzte Boris Palmer: "Wir müssen einfach die Hindernisse, die wir uns selber in den Weg stellen, aus dem Weg räumen. Wir müssen kosteneffizienter werden. Die Energiewende ist nicht kosteneffizient in Deutschland." Dies sorge am Ende für Probleme bei der Akzeptanz.
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Teaserbild: © ZDF / Cornelia Lehmann